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News: Kleine Ursache, große Wirkung?

In dem einst katastrophal verstrahlten Umfeld des russischen Kernkraftwerkes Tschernobyl bestellen längst die Bauern wieder ihre Felder. Und obwohl hier nur eine geringe Strahlenbelastung gemessen wird, beobachteten Wissenschaftler im Weizen dieser Region eine um das Sechsfache erhöhte Mutationsrate. Nun vermuten sie, dass die Gefahr niedrig dosierter Strahlung höher ist als bisher angenommen.
Die Strahlung im Umkreis von 30 Kilometern um den russischen Kernreaktor in Tschernobyl führt bei Weizen zu einer stark erhöhten Mutationsrate. Ein Ergebnis, das auf den ersten Blick kaum Erstaunen auslösen dürfte, immerhin gehen inoffizielle Schätzungen davon aus, dass der größte anzunehmende Unfall im Reaktor Nr. 4 am 26. April 1986 bis heute mindestens 15 000 Strahlenopfer forderte. Gegenwärtig ist die Strahlendosis in der einst schwer betroffenen Region allerdings so niedrig, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe überaus erstaunlich sind.

Die Forscher beobachteten zwei Weizenfelder über einen Zeitraum von 10 Monaten. Eines befand sich innerhalb jener 30-Kilometer-Zone, das andere außerhalb davon. Während fernab des Reaktors keine erhöhte Strahlung auftrat, wurden im Umfeld des Reaktors vergleichsweise geringe Raten ionisierender Strahlung gemessen. Dennoch waren die Veränderungen auf der DNA hier sechs Mal so häufig wie in der unbeeinflussten Region.

Die Biologen untersuchten nur die so genannten Mikrosatelliten-Loci. Dabei handelt es sich um nicht-codierende Abschnitte der DNA, das heißt, sie enthalten keinerlei Erbinformationen (Gene). Die menschliche DNA besteht zu etwa 95 Prozent aus diesen Abschnitten, die entweder zwischen den Genen liegen oder diese auch unterbrechen. Die Veränderungen der Gene selbst wurde nicht untersucht, allerdings vermutet Olga Kovalchuk vom Friedrich Miescher Institut in Basel, dass das ganze Genom von den Veränderungen betroffen ist (Nature vom 5. Oktober 2000).

Über die Gründe für die hohe Mutationsrate kann Yuri Dubrova vom Department of Genetics der University of Leicester nur spekulieren: "Unsere Ergebnisse deuten auf bisher unbekannte Auswirkungen niedrig dosierter ionisierender Strahlung, aufgrund derer ihre mutagene Wirkung viel schwerwiegender ist als bisher angenommen", meint der Forscher. "Eine mögliche Erklärung wäre immerhin, dass die Schäden im Laufe der zehnmonatigen Versuchsphase zu gering waren, um von den Reparaturmechanismen der DNA erkannt zu werden." Die DNA würde demnach bei einer höheren Strahlendosis weniger Schäden aufweisen, da die entsprechenden Abschnitte in diesem Fall repariert würden. Doch Dubrova weiß, dass es sich dabei um eine vage Vermutung handelt. Um dies sicherzustellen, sind seiner Ansicht nach weitere Arbeiten unabdingbar.

Gleiches gilt für die Übertragbarkeit dieser Erkenntnisse auf den Menschen. Sollten sich die Auswirkungen der vergleichsweise geringen Strahlenbelastungen in Zukunft bestätigen, so dürfte dies zu langfristigen Einschränkungen für die Landwirtschaft in der Region um Tschernobyl führen. Erst Anfang 2000 forderten britische und niederländische Experten, dass die Nutzung der Böden für weitere 50 Jahre beschränkt wird.

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