Mikrobielle Ökologie : Kleine Welt, großes Chaos
Theoretisch ist immer alles klar. Dumm nur, dass die Realität mitunter nicht viel von der Theorie hält. Vor allem komplexe biologische Systeme machen oft, was sie wollen und womit niemand gerechnet hat. Selbst, wenn sie nicht größer sind als ein Sandkorn.
Es gehört zu den klassischen Schulbuchweisheiten: Fuchs frisst Maus und vermehrt sich prima, Maus wird seltener, Fuchs hungert und bekommt weniger Nachwuchs, Maus nutzt den Mangel an Räubern zur eigenen Bestandsvergrößerung, woraufhin der Zyklus von vorne anfängt. Biologen haben unzählige derartige Systeme mit teilweise großen und vielfach verknüpften Beziehungsnetzen aufgestellt und durchgerechnet.
Theoretisch haben sie dabei alles im Griff. Nur beim Schritt in die Praxis vor der Labortür stellen sie fest, dass die Wirklichkeit doch um einiges komplizierter ist und sich nur ungern an die schönen Simulationen hält. Vor allem in den Modellen nicht berücksichtigte Störfaktoren von außen machen ihrem Namen Ehre und wirbeln die Entwicklung heftig durcheinander. Doch auch innere Parameter können unter Umständen die Situation ins Chaos stürzen – sagt die Theorie.
Auch kleine Systeme können also ins chaotische Verhalten abrutschen – und zwar so schnell, dass äußere Faktoren noch gar keine Gelegenheit hatten zu stören. Selbst räumlich winzige Ökosysteme wie einzelne Sandkörner in Sedimenten oder Flocken von Ablagerungen sind nicht geschützt vor Unberechenbarkeit. Womit die Theoretiker vor einem Problem stehen. Vielleicht hilft ihnen die Weisheit von geprüften Chaosexperten weiter: Eltern von zwei oder mehr Sprösslingen behaupten standhaft, es gäbe immer mal wieder Inseln der Stabilität im Kinderzimmer. Theoretisch zumindest.
Theoretisch haben sie dabei alles im Griff. Nur beim Schritt in die Praxis vor der Labortür stellen sie fest, dass die Wirklichkeit doch um einiges komplizierter ist und sich nur ungern an die schönen Simulationen hält. Vor allem in den Modellen nicht berücksichtigte Störfaktoren von außen machen ihrem Namen Ehre und wirbeln die Entwicklung heftig durcheinander. Doch auch innere Parameter können unter Umständen die Situation ins Chaos stürzen – sagt die Theorie.
Ob dies auch für echte Lebensgemeinschaften unter kontrolliert konstanten Laborbedingungen – sozusagen in der Light-Version von Freiheit – gilt, wollten deutsche Wissenschaftler um Lutz Becks von der Universität Köln wissen. Um die Frage innerhalb eines endlichen Zeitraums beantworten zu können, wählten sie als Versuchsobjekte drei Mikroorganismen: An der Basis der kleinen Nahrungspyramide standen die Bakterien Pedobacter und Brevundimonas, von denen sich Pedobacter in vorhergehenden Experimenten als der fittere Stamm erwiesen hatte. Die Rolle des Räubers kam dem Wimperntierchen Tetrahymena pyriformis zu, das zur ausgleichenden Gerechtigkeit lieber Pedobacter fraß, auch wenn es mit Brevundimonas-Kost gut überleben konnte.
Als Zuhause für die Wohngemeinschaft diente ein Chemostat mit 185 Milliliter Volumen, dessen Füllung durch einen ständigen Fluss frisch gehalten wurde. Wie schnell dieser Austausch vonstatten ging, war der entscheidende Parameter, an dem die Forscher während des Experiments drehten: für eine vollständige Spülung konnte von gut einem bis etwas über zwei Tage verstreichen. Gemessen wurde, wie viele Bakterien und Wimperntierchen unter den jeweiligen Bedingungen im Chemostaten lebten.
Die Daten zeigten, dass Brevundimonas offenbar sehr auf Sauberkeit bedacht ist und ständig frische Nährlösung haben möchte, denn bei einem knapp kompletten Austausch pro Tag starben diese Bakterien bereits am sechsten Tag aus. An der unteren Umwälzungsgrenze – bei einer Durchspülrate von 0,45 pro Tag –, stellten sich wunderbar regelmäßige Populationsschwankungen ein, wie sie der Theorie entsprechen. Interessant aber waren vor allem die Entwicklungen, wenn es genau zwei Tage dauerte, bis alles durchgespült war: In vier verschiedenen Ansätzen mit identischen Bedingungen erhielten die Wissenschaftler vier grundsätzlich verschiedene Verläufe mit völlig unvorhersehbaren Dynamiken. Chaos – wie eine mathematische Prüfung ergab. Erhöhten die Forscher aber die Durchflussrate auf 0,75 pro Tag, pendelten sich die Häufigkeiten der Beteiligten wieder auf konstante Werte ein.
Auch kleine Systeme können also ins chaotische Verhalten abrutschen – und zwar so schnell, dass äußere Faktoren noch gar keine Gelegenheit hatten zu stören. Selbst räumlich winzige Ökosysteme wie einzelne Sandkörner in Sedimenten oder Flocken von Ablagerungen sind nicht geschützt vor Unberechenbarkeit. Womit die Theoretiker vor einem Problem stehen. Vielleicht hilft ihnen die Weisheit von geprüften Chaosexperten weiter: Eltern von zwei oder mehr Sprösslingen behaupten standhaft, es gäbe immer mal wieder Inseln der Stabilität im Kinderzimmer. Theoretisch zumindest.
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