Zoologie: Klick dich!
Leckere, saftige Raupe gefällig? Wenn die grüne Tarnung nicht mehr hilft, muss Seidenspinnernachwuchs gewieftere Abwehrtechniken einsetzen gegen hungrige Vogelschnäbel. Wie er dabei zu Werke geht, enthüllen Forscher mit unsanften Methoden.
Das Opfer: unbeweglich und hilflos, auf dem Präsentierteller gefangen, den Blicken der gespannten Zuschauern ausgesetzt. Das Monster: Fünfzehn mal größer, rasch näher kommend. Hat keine Skrupel, dafür aber etwas sehr Scharfes, Spitzes dabei. Und ist hungrig – sehr hungrig. Nein, wir sind nicht in einem Horrorfilm. Wir sind im Labor von Jayne Yack.
Die kanadische Forscherin arbeitet an der Carleton-Universität in Ottawa und ist im Dienste der Wissenschaft nett zu Hühnern. Allerdings, wir kommen nicht darum herum, ist sie gleichzeitig auch nicht sehr nett zu jugendlichen Schmetterlingen, ihrem eigentlichen Forschungsobjekt. Um es ganz deutlich zu sagen: Raupen haben im Labor von Yack nichts zu lachen. Sie – genauer, die Raupen der zu den Pfauenaugen gezählten Antheraea polyphemus – spielen die ungefragten Hauptdarsteller in Bild- und Tondokumenten von Yacks Forschergruppe, die entstanden, als bedauernswerte Faltervorläufer gestupst, mit Pinzetten gezwickt – oder eben wild pickenden Hühnerschnäbeln zum Fraß vorgeworfen wurden.
Nun stellten die Forscher fest, dass die Tiere je nach Grad eines mechanischen Reizes – dosiert vom zarten Zwicken bis hin zum robust inquisitorischen Picken eines hungrigen Huhns – mit unterschiedlichen Klicklauten reagieren. Die hervorgestoßenen Klicks entstehen übrigens, wenn winzige Zahnreihen der linken und rechten Insektenkiefer aneinander entlangritschen, erkannten die Forscher auf Hochgeschwindigkeits-Videoaufnahmen – dies war allerdings ohne moderneren Schnickschnack schon 1905 vermutet worden.
Je heftiger die Störung, desto rascher und lauter werden die Klickfolgen, ermittelten Yack und ihre Crew durch insgesamt 52 einfache und 98 teils mehrfach wiederholte Pinzettenattacken auf Raupenköpfe. Das Klicken ist offenbar eine Art Abwehrreaktion, schließen die Forscher, denn laut genug, einen Angreifer zu stören, sollte es sein: Die Töne erreichen im Abstand von zehn Zentimetern immerhin knapp 80 Dezibel – also soviel wie ein recht lautes Telefonklingeln.
Die Motivation von Seidenspinnerraupen zum Krachschlagen galt den Forschern somit als gesichert: Die Tiere warnen Jäger eindringlich vor einem möglicherweise drohenden Geschmacks-Gau, sollte er von dem Gedanken an ein Raupenmahl nicht ablassen. Ähnliche Strategien verfolgen mindestens zwei weitere von zwölf ebenfalls in die Hände des Yack-Teams gefallene Schmetterlingsspezies: Auch der nordamerikanische Pfauenspinner Actias luna und der Tabakschwärmer Manduca sexta klicken mit ihren Mandibeln, sobald sie gezwickt werden; beide Arten spucken zudem auch Antheraea-like, sobald es richtig rau zu werden droht. Acht weitere Spezies verzichteten dagegen auf Geräusche vor der erbrochenen Verteidigung.
Eigentlich könnte man die Raupen ja jetzt ruhen lassen, nachdem ihre Klickmotivation nun befriedigend erklärt ist – eigentlich. Die Schlussworte der Forscherin allerdings lassen alle Raupenfreunde böses befürchten: nun müsse nur noch überprüft werden, ob die Kombiverteidigung aus Klicken und Erbrechen auch in echt Fraßfeinde der Raupen ab- oder aufhält. Hierbei müssten natürlich solche Räuber mit schlechten Erfahrungen und solche verglichen werden, die noch nie eine Raupe probiert haben. Und natürlich sollten künftige Untersuchungen sich nicht nur auf wenige Schmetterlingsarten konzentrieren, sondern gleich eine ganze Bandbreite auf die Labortische holen. Mitleid mit Raupen? Hält sich in Ottawa offenbar in Grenzen. Vielen Hobbygärtner wird es im Frühling wieder ähnlich gehen.
Die kanadische Forscherin arbeitet an der Carleton-Universität in Ottawa und ist im Dienste der Wissenschaft nett zu Hühnern. Allerdings, wir kommen nicht darum herum, ist sie gleichzeitig auch nicht sehr nett zu jugendlichen Schmetterlingen, ihrem eigentlichen Forschungsobjekt. Um es ganz deutlich zu sagen: Raupen haben im Labor von Yack nichts zu lachen. Sie – genauer, die Raupen der zu den Pfauenaugen gezählten Antheraea polyphemus – spielen die ungefragten Hauptdarsteller in Bild- und Tondokumenten von Yacks Forschergruppe, die entstanden, als bedauernswerte Faltervorläufer gestupst, mit Pinzetten gezwickt – oder eben wild pickenden Hühnerschnäbeln zum Fraß vorgeworfen wurden.
Die bei dieser Behandlung, nun ja, hervorgekitzelte Reaktion der Raupen ist genau das, was Yacks Team interessiert. Die Forscher waren auf der Suche nach einem bereits seit gut einhundert Jahren ungelösten biologischen Rätsel – dem mysteriösen Raupenklicken. Viele Raupen können sich durch teilweise sehr gut vernehmbare Lautäußerungen bemerkbar machen – warum und wann sie dies tun, blieb bis zu den Experimenten von Yack ungeklärt. Besonders merkwürdig scheint lautes Auf-sich-aufmerksam-machen bei Raupen wie denen von Antheraea polyphemus, dem Seidenspinner; tun die Tiere sonst doch alles dafür, im unauffälligen grünen Tarnkleid für Feinde unsichtbar mit der Umgebung zu verschmelzen.
Nun stellten die Forscher fest, dass die Tiere je nach Grad eines mechanischen Reizes – dosiert vom zarten Zwicken bis hin zum robust inquisitorischen Picken eines hungrigen Huhns – mit unterschiedlichen Klicklauten reagieren. Die hervorgestoßenen Klicks entstehen übrigens, wenn winzige Zahnreihen der linken und rechten Insektenkiefer aneinander entlangritschen, erkannten die Forscher auf Hochgeschwindigkeits-Videoaufnahmen – dies war allerdings ohne moderneren Schnickschnack schon 1905 vermutet worden.
Je heftiger die Störung, desto rascher und lauter werden die Klickfolgen, ermittelten Yack und ihre Crew durch insgesamt 52 einfache und 98 teils mehrfach wiederholte Pinzettenattacken auf Raupenköpfe. Das Klicken ist offenbar eine Art Abwehrreaktion, schließen die Forscher, denn laut genug, einen Angreifer zu stören, sollte es sein: Die Töne erreichen im Abstand von zehn Zentimetern immerhin knapp 80 Dezibel – also soviel wie ein recht lautes Telefonklingeln.
Ein weiteres Indiz für den defensiven Charakter der Raupen-Klickerei: je heftiger und penetranter die Attacke, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Raupen eine übelriechende, braune Brühe erbrachen. Hungrigen Angreifern mag dies möglicherweise den Appetit verderben, vermuteten die Wissenschaftler. Und tatsächlich legte dies eine weitere, auch eher unästhetische Experimentreihe nahe. Dabei frikassierte die Forschercrew um Yacks zunächst Mehlwurmlarven, machten das Gehackte dann entweder mit destilliertem Wasser oder mit dem braunen Raupen-Erbrochenen an und servierten die unterschiedlich gewürzten Speisen zuletzt hungrigen Mäusen oder Ameisen zur Auswahl. Beide bevorzugten recht eindeutig Menü 1: Mehlwurm mit Wasser.
Die Motivation von Seidenspinnerraupen zum Krachschlagen galt den Forschern somit als gesichert: Die Tiere warnen Jäger eindringlich vor einem möglicherweise drohenden Geschmacks-Gau, sollte er von dem Gedanken an ein Raupenmahl nicht ablassen. Ähnliche Strategien verfolgen mindestens zwei weitere von zwölf ebenfalls in die Hände des Yack-Teams gefallene Schmetterlingsspezies: Auch der nordamerikanische Pfauenspinner Actias luna und der Tabakschwärmer Manduca sexta klicken mit ihren Mandibeln, sobald sie gezwickt werden; beide Arten spucken zudem auch Antheraea-like, sobald es richtig rau zu werden droht. Acht weitere Spezies verzichteten dagegen auf Geräusche vor der erbrochenen Verteidigung.
Eigentlich könnte man die Raupen ja jetzt ruhen lassen, nachdem ihre Klickmotivation nun befriedigend erklärt ist – eigentlich. Die Schlussworte der Forscherin allerdings lassen alle Raupenfreunde böses befürchten: nun müsse nur noch überprüft werden, ob die Kombiverteidigung aus Klicken und Erbrechen auch in echt Fraßfeinde der Raupen ab- oder aufhält. Hierbei müssten natürlich solche Räuber mit schlechten Erfahrungen und solche verglichen werden, die noch nie eine Raupe probiert haben. Und natürlich sollten künftige Untersuchungen sich nicht nur auf wenige Schmetterlingsarten konzentrieren, sondern gleich eine ganze Bandbreite auf die Labortische holen. Mitleid mit Raupen? Hält sich in Ottawa offenbar in Grenzen. Vielen Hobbygärtner wird es im Frühling wieder ähnlich gehen.
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