News: Klima in der Achterbahn
Zwei Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Andrey Ganopolski und Stefan Rahmstorf, legen nun erstmals Rechnungen vor, die den charakteristischen Zeitverlauf und auch die räumliche Ausdehnung der Dansgaard-Oeschger-Ereignisse korrekt wiedergeben (Nature vom 11. Januar 2001, Volltext). Die Berechnungen der beiden Forscher zeigen, dass es während der Eiszeit drei unterschiedliche Zustände des Atlantik geben konnte. Im normalen, kalten Zustand, der während der Eiszeit meistens herrschte, floss warmes Oberflächenwasser aus den Tropen nur bis südlich von Island, wo es seine Wärme an die Luft abgab, in die Tiefe sank und als kalter Tiefenstrom nach Süden zurückfloss. Auch möglich, wenngleich nicht stabil, waren jedoch noch zwei andere Strömungszustände: ein ungewöhnlich warmer Klimazustand, in dem das warme Atlantikwasser über Island hinaus bis ins Nordmeer vordrang – ähnlich wie im heutigen Klima –, und ein extrem kalter Zustand, in dem die Strömung völlig abriss. Die Potsdamer Forscher glauben, dass Dansgaard-Oeschger-Ereignisse einem plötzlichen Umschalten der Strömung vom Normalzustand in den warmen Zustand entsprechen, also einem episodenhaften Vordringen von warmem Atlantikwasser ins Nordmeer, das die im Grönlandeis gefundenen plötzlichen Erwärmungen erklärt.
Doch was war der Auslöser dieser dramatischen Strömungsänderung? Und weshalb gingen diese warmen Episoden immer nach einigen Jahrhunderten wieder vorüber? Systematische Analysen der Potsdamer Wissenschaftler zeigen, dass der Atlantik während der Eiszeit regelrecht auf der Kippe stand: Kleinste Störungen genügten, um die warme Strömung ins Nordmeer vordringen zu lassen. Da dieser Strömungszustand aber nicht stabil war, gingen die Dansgaard-Oeschger-Ereignisse ganz von alleine wieder zu Ende. Der schwache Auslöser, der sich durch die damalige Instabilität des Atlantiks zu solch dramatischen Folgen aufschaukelte, könnte eine Schwankung in der Sonnenaktivität gewesen sein. Viele Indizien sprechen dafür, dass es einen Sonnenzyklus mit 1500-jähriger Periode gibt – Dansgaard-Oeschger-Ereignisse treten häufig genau im Abstand von 1500 Jahren auf.
Und im heutigen Klima? Seit Ende der letzten Eiszeit, also bereits seit zehntausend Jahren, sind so dramatische Klimawechsel nicht mehr aufgetreten. Auch dafür haben Ganopolski und Rahmstorf eine Erklärung. Denn in Warmzeiten ändert sich die Stabilität der Atlantikströmungen: Der warme Strömungszustand ist im Gegensatz zur letzten Eiszeit der stabile Normalfall, auch die Schwankungen in der Sonnenaktivität können ihm nichts anhaben. Der Atlantik steht in Warmzeiten nicht auf der Kippe. Grund zur Entwarnung ist dies aber nicht. Frühere Berechnungen mit demselben Modell zeigten bereits, dass eine hinreichend große Störung auch im vergleichsweise stabilen heutigen Klima die Atlantikströmung zum Abreißen bringen könnte. Eine solche folgenreiche Störung könnte durch den Treibhauseffekt entstehen, wenn die Menschheit weiterhin ungebremst Kohlendioxid und andere Treibhausgase in die Atmosphäre bläst.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 10.1.2001
"Kalt und warm und warm und kalt"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 29.12.2000
"Der Beginn des Eiszeitalters"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 22.12.2000
"Nord-Süd-Konflikt"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 11.10.2000
"Gas hinter Gittern" - Spektrum der Wissenschaft 1/93, Seite 19
"Kernbohrung durch den grönländischen Eisschild "
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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