400-Jahre-Vergleich: Luft in Europa ist trockener denn je
Der Klimawandel treibt nicht nur die Temperaturen in die Höhe und verändert Wetterregime, sondern macht auch die Luft in Europa trockener. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich die Lage besonders verschärft. Zu diesem Ergebnis, das jetzt im Fachblatt »Nature Geoscience« veröffentlicht wurde, kommt ein großes internationales Forscherteam um Kerstin Treydte von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Die Arbeitsgruppe untersuchte Isotopendaten, die europaweit aus den Jahrringen von Bäumen gewonnen wurden und mehr als 400 Jahre zurückreichen. Wie die Forschenden erklären, erhöht die Entwicklung das Risiko für Dürren und Waldbrände.
Das Team wertete die Jahrringe von Bäumen aus, die an 45 Orten in europäischen Wäldern wuchsen. Die Holzproben stammen von sieben verschiedenen Baumarten, darunter Eichen, Buchen, Lärchen, Kiefern und Fichten. Aus den Proben ermittelten die Fachleute das Verhältnis von unterschiedlich schweren Sauerstoffisotopen – 18O und 16O –, die natürlicherweise im Wasser vorkommen. Daraus lassen sich Erkenntnisse über die atmosphärische Feuchtigkeit gewinnen, die im Sommer eines bestimmten Jahres am Standort des Baums herrschte. Die atmosphärische Feuchtigkeit wiederum wird von der Lufttemperatur und den Niederschlägen beeinflusst.
Um die Lufttrockenheit der vergangenen 400 Jahre zu bemessen, berechnete das Forscherteam aus dem Isotopenverhältnis das Sättigungsdefizit oder Dampfdruckdefizit in der Atmosphäre. Das Maß bezeichnet die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem größtmöglichen Wassergehalt in der Luft. Fällt der Wert des Dampfdruckdefizits hoch aus, dann ist die Luft besonders trocken.
Seit 400 Jahren war es nicht so trocken wie heute
Seine Ergebnisse stockte das Team um Treydte zudem mit tatsächlich gemessenen Werten aus den vergangenen Jahrzehnten auf. Außerdem glich es seine Erkenntnisse mit Klimamodellen ab, um den menschlichen Einfluss genauer zu bemessen. Das Fazit: Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts, bis zum Jahr 2020 – bis dahin liegen Messreihen vor –, wurde die Luft derart trockener, »wie es in den vorangegangenen 400 Jahren in Westeuropa, dem östlichen Mitteleuropa und am stärksten in den Alpen und Pyrenäen bisher nicht erreicht wurde«, schreiben die Studienautoren. In Nordeuropa sei die Trockenheit »weniger stark ausgeprägt«. Die höchsten Werte des Sättigungsdefizits herrschten für die vergangenen Jahrzehnte in den Dürrejahren 2003, 2015 und 2018 vor.
Welchen Anteil an dieser Entwicklung hat der Ausstoß von Treibhausgasen, den die Menschheit seit Beginn der industriellen Revolution radikal erhöht hat? Mit nahezu 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit, so schreibt die Forschergruppe, seien die hohen Werte auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen.
»Angesichts der Dürreereignisse in vielen Regionen Europas in den letzten Jahren ist dieser Befund wirklich Besorgnis erregend«, erklärt Treydte gemäß einer Pressemitteilung. Ein hohes Dampfdruckdefizit habe zur Folge, dass der Wasserbedarf der Pflanzen steige. Landwirte müssen dann mehr bewässern, aber zugleich fielen ihre Ernten schlechter aus. »In den Wäldern sind der Holzvorrat und die Kohlenstoffspeicherung gefährdet, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Klimaregulierung und der Kohlenstoffspeicherung dieser Ökosysteme in der Zukunft führt«, sagt Treydte.
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