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Klimaforschung: »Mineralstaub ist ein Global Player«

Wärmt Staub das Klima – oder kühlt er es sogar? Die Meteorologin Martina Klose sucht in der Wüste nach Antworten. Ein Gespräch über unterschätzte Partikel.
Saharastaub färbt den Himmel über dem Rheintal in Liechtenstein gelblich.
Saharastaub färbt den Himmel über dem Rheintal in Liechtenstein gelblich.

Er fliegt tausende Kilometer, lässt Gletscher schmelzen und färbt den Himmel feuerrot: Wie sehr Staub aus fernen Wüsten unser Klima und Wetter beeinflusst, hat sich in den vergangenen Monaten auch in Deutschland eindrücklich gezeigt. Dennoch sind die Partikel bis heute eine wichtige Unbekannte in der Klimaforschung – heizen sie unseren Planeten auf oder kühlen sie ihn sogar?

Die Meteorologin Martina Klose vom Karlsruher Institut für Technologie sucht nach einer Antwort auf diese Frage. Gemeinsam mit ihrer Helmholtz-Forschungsgruppe reist sie rund um den Globus, um den Mineralstaubkreislauf und dessen Auswirkungen zu quantifizieren. Für ihre jüngste Feldkampagne hat sie vier Wochen in der Wüste Jordaniens verbracht. Ein Gespräch über einen Klimafaktor, den man schnell übersieht – und der uns doch alle beeinflusst.

»Spektrum.de«: Auf Twitter findet man Sie unter dem Namen »dust deviler«, Staubteufel also. Was fasziniert Sie an dem Thema?

Martina Klose: Staub betrifft zahlreiche Bereiche unseres Lebens: Die Partikel beeinflussen unsere Luftqualität und Gesundheit, den Verkehr, die Wirtschaft, das Klima und das Wetter. Letzteres interessiert mich als Meteorologin natürlich besonders. In meiner Arbeitsgruppe untersuchen wir die Emission von Staubpartikeln – vor allem der besonders großen – und deren Einfluss auf die Wolkenbildung. Unser Ziel ist es, genauere Daten über den Mineralstaubkreislauf und dessen Auswirkungen zu bekommen.

Martina Klose | Die Meteorologin vom Karlsruher Institut für Technologie erforscht die Auswirkungen von Staub auf das Erdklima.

Was ist das überhaupt, Staub?

Als Staub bezeichnen wir kleine Partikel, die für längere Zeit in der Luft verbleiben können. Je nach Ursprung und Größe gibt es verschiedene Arten. Ich befasse mich in erster Linie mit natürlichem Mineralstaub, also Partikeln, die vom Erdboden emittiert und durch den Wind transportiert werden. Besonders relevant ist das natürlich in Wüstengebieten. Aber auch bei uns kann es zu Staubstürmen kommen, zum Beispiel auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Wie kommen die kleinen Partikel aus den Wüsten bis zu uns nach Europa?

Mineralstaub ist ein »Global Player«, denn die Partikel können sehr, sehr lange durch die Luft reisen. Bei uns in Europa kommt zum Beispiel öfter mal Staub aus Nordafrika an. Das war gerade in diesem Jahr sehr häufig und in sehr hohen Konzentrationen der Fall. Schöne, rote Sonnenuntergänge, ein orange gefärbter Himmel – das ist meist der Mineralstaub.

Größere Staubkonzentrationen gibt es bei uns trotzdem nur manchmal. In Gebieten wie Nordafrika, dem Nahen Osten, Asien und den USA ist das anders. Wenn es dort zu Staubstürmen kommt, ist die Sichtweite deutlich reduziert. Das kann zu Verkehrsunfällen führen. Auch bei uns kommt das vor, aber nur selten. 2011 etwa kam es bei Rostock zu einer Massenkarambolage, als ein Staubsturm von einem landwirtschaftlich genutzten Feld über die Autobahn fegte.

Zusammen mit Ihrer Forschungsgruppe wollen Sie den Klimaeffekt von Mineralstaub entschlüsseln. Dabei bezeichnen Sie die Partikel als »große Unbekannte«. Warum?

Staub stellt uns aktuell noch vor ein großes Rätsel: Wärmt er das Klima oder kühlt er es? Einerseits streut Staub die solare Strahlung, er wirkt als Schattenspender. Gleichzeitig absorbieren die Partikel die solare Strahlung in sich selbst. Sprich: Wo Staub ist, wird es wärmer. Auch indirekt wirkt sich Staub auf das Klima aus, zum Beispiel beim Umstieg auf erneuerbare Energien wie Solarkraft. Wenn viele Staubpartikel in der Luft schweben, dann kommt weniger solare Strahlung bei unseren Fotovoltaikanlagen an. Der Output wird also reduziert.

Es gibt in dieser Hinsicht noch etliche Fragezeichen. Eines ist in den vergangenen Jahren aber klar geworden: Staub ist ein wichtiger Aspekt in puncto Wetter und Klima, und sein Einfluss reicht noch weiter als gedacht. Beobachtungen zeigen, dass auch riesige Staubpartikel tausende Kilometer reisen können. Zum Teil sind sie so groß wie Sandkörner. Wir hätten erwartet, dass so große Partikel schnell wieder runterplumpsen. Aber das tun sie nicht. Nun ist die Frage: Wie können die Partikel trotz ihrer Größe und Schwere so lange in der Luft bleiben?

»Die Hauptquellen des Staubs sind Gebiete, die schwer zugänglich sind, zum Beispiel die Sahara«

Warum ist es so schwer, Antworten auf diese Fragen zu finden?

Die Hauptquellen des Staubs sind Gebiete, die schwer zugänglich sind, zum Beispiel die Sahara. Das macht die Forschungsarbeit herausfordernd. Dazu kommt, dass der Klimaeffekt der Partikel von vielen verschiedenen Faktoren bestimmt wird, etwa der Bodenoberfläche und den Eigenschaften der einzelnen Partikel. Kleine Partikel streuen das Licht oder die Strahlung, das führt eher zu einer Abkühlung. Je größer die Partikel werden, desto mehr absorbieren sie auch – das führt dann eher zu einer Erwärmung.

Besonders eindrücklich zeigt sich das gerade in den Alpen: Dort lässt Saharastaub die Gletscher schneller schmelzen. Haben solche Staubereignisse in den vergangenen Jahren zugenommen?

Im Moment ist noch nicht klar, ob es einen Trend hin zu mehr Staubtransport Richtung Europa gibt. Ich weiß von einer Studie, die in den letzten Jahrzehnten einen Anstieg sieht. Eine andere zeigt, dass solche Anstiege nur temporär sind. Aber natürlich hängt es auch davon ab, wie günstig die Bedingungen gerade sind. Vor zwei Jahren zum Beispiel ist eine riesige Staubwolke aus der Sahara etwa 8000 Kilometer weit gereist, Medien haben sie als »Godzilla«-Sturm bezeichnet. Wir wissen schon lange, dass wir Wetter global denken müssen, und solche Ereignisse veranschaulichen das noch einmal. In den vergangenen Jahren kam es mehrere Male zu größeren solcher so genannten »Events«. Deshalb ist das Thema in den Köpfen nun womöglich präsenter.

Im September haben Sie eine Feldkampagne im jordanischen Wüstental Wadi Rum gestartet. Dort, wo in den 1060er Jahren der Film »Lawrence von Arabien« gedreht wurde, stehen nun Ihre Messgeräte. Was wollen Sie herausfinden?

Unser großes Ziel ist es, den Staubkreislauf und seinen Einfluss auf Wetter und Klima besser zu verstehen und darzustellen. Uns interessieren wie gesagt vor allem die großen Partikel und ihre mineralische Zusammensetzung. All das müssen wir natürlich auch vor Ort testen und beobachten. Unsere vorherigen Kampagnen haben uns nach Marokko und Island geführt. Jordanien haben wir als dritte Station ausgewählt, weil wir dort relativ sicher sein können, dass wir während unserer vierwöchigen Feldkampagne tatsächlich Staubemissionen beobachten und messen können. Ansonsten würden wir womöglich alles aufbauen, nichts passiert, wir bauen wieder ab – und schmeißen eine Menge Geld aus dem Fenster. Nördlich vom Wadi Rum haben wir gute Bedingungen gefunden. Die Kulisse war natürlich auch für uns Forscher ganz nett.

»Mineralstaub ist ein natürliches Phänomen. Es ist nichts, was wir verhindern können«

Wie erforscht man etwas Flüchtiges wie Staub, noch dazu mitten in der Wüste?

Bei unserer Feldforschung messen wir zunächst die meteorologischen Bedingungen, beispielsweise Wind, Temperatur und Luftfeuchte. Außerdem arbeiten wir mit Partikelzählern: Die messen die Lichtstreuung an den Partikeln und leiten davon die Partikelanzahl und -größe ab. Außerdem sammeln wir Proben aus der Luft und dem Boden. Jeden Tag sind wir mit unserem Team in die Wüste gefahren, haben geschaut, ob noch alles läuft, Daten gesichert und bei diversen Messgeräten Filter ausgetauscht. Für uns ist wichtig, dass wir vor Ort sein und wirklich sehen können, was passiert. Das hilft uns später dabei, die Daten zu interpretieren.

Wenn Sie den Staubkreislauf besser verstehen, bedeutet das dann auch, dass Sie ihn womöglich beeinflussen können? Zum Beispiel, um die Gletscher zu schützen?

Mineralstaub ist ein natürliches Phänomen. Es ist nichts, was wir verhindern können – im Gegensatz zu anderen Aerosolquellen, die etwa durch die Industrie entstehen. Es wäre auch keine gute Idee, verhindern zu wollen, dass Mineralstaub aus Wüsten emittiert wird. Denn das ist nun mal so.

Feldkampagne im Wadi Rum | In der jordanischen Wüste misst das Team um Klose das Verhalten des Staubs unter verschiedenen Witterungsbedingungen. Die Messgeräte zeichnen neben Wetterdaten auch die Zahl der Staubpartikel in der Luft auf.

Mit dem Klimawandel ändert sich natürlich, wo Wüsten oder trockene Bereiche sind. Insofern kann Staub als Indikator dienen: Er zeigt uns, wo und wie schnell sich die Wüstengebiete der Welt ausbreiten – Stichwort Desertifikation.

Inzwischen sind Sie wieder zurück in Deutschland. Wie geht es nun weiter mit Ihrer Staubforschung?

Zum einen steht die Auswertung der Daten an, die wir in Jordanien, Marokko und Island gesammelt haben. Außerdem wollen wir die gesammelten Proben in unserer Wolkenkammer in Karlsruhe unter die Lupe nehmen. Wir wollen die Wolken bildenden Eigenschaften der Partikel untersuchen, abhängig von ihrer Größe und Zusammensetzung. Auf Basis der neu gewonnenen Ergebnisse wollen wir Modelle zur Wettervorhersage weiterentwickeln und verbessern.

Davon können wir in mehrerer Hinsicht profitieren. Wir können dann beispielsweise auch die Luftqualität besser vorhersagen. Gleichzeitig hilft uns das Wissen dabei, den Ertrag von Solarstromanlagen zu optimieren. Etwa, indem man sie zum richtigen Zeitpunkt reinigt. In staubreichen Gebieten können wir womöglich die Verkehrssicherheit verbessern. Aber: Bis wir die Daten aus den Wüstengebieten analysiert haben, werden voraussichtlich Jahre vergehen. Es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns, bis wir Mineralstaub besser verstehen.

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