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Klimafreundlicher Transport: Voll sparsam

Sogar noch mit den alten Dieselmotoren könnte der Lkw-Verkehr klimafreundlicher werden. Etwa mit windschlüpfrigeren Lastern. Sparpotenzial findet sich auch an unerwarteter Stelle.
Ein roter Lkw auf der Autobahn
Wirklich klimafreundlich werden Laster nur mit alternativen Antrieben. Bis der Umstieg gelingt, ließe sich Einsparpotenzial an anderer Stelle realisieren.

Wer etwas online bestellt – Kleidung, eine Druckerpatrone oder Kaffeemaschine –, erhält die Ware inzwischen oft vom Zusteller in einem Elektroflitzer. Auf der »letzten Meile« erscheint die Lieferung damit recht umwelt- und klimafreundlich. Auf den Strecken davor sind jedoch meist dieselbetriebene Lkw im Einsatz: für Onlinekäufe genauso wie für die Versorgung mit Lebensmitteln und für die Industrie. Lange Lkw-Kolonnen auf Autobahnen machen das Problem sichtbar, das Fahrtaufkommen und somit die CO2-Emissionen der Branche sind hoch.

Während bei Pkw eine klimafreundliche Alternative in Form des Elektroautos bereits verfügbar ist, wird der Umstieg auf alternative Antriebe im Güterverkehr noch eine Weile auf sich warten lassen. Dennoch ist bereits heute einiges möglich, um auch mit dem herkömmlichen Dieselmotor den Ausstoß an Treibhausgasen zu verringern.

Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) macht der gesamte Verkehr ungefähr ein Fünftel der Treibhausgasemissionen Deutschlands aus, davon wiederum entfällt ein Drittel auf den Straßengüterverkehr. Zwar emittieren Laster heute dank technischer Verbesserungen acht Prozent weniger CO2 pro Kilometer als noch Mitte der 1990er Jahre, doch gleichzeitig wuchs das Transportaufkommen. Der Einspareffekt wurde dadurch vollständig zunichte gemacht. »Die absoluten CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs erhöhten sich zwischen 1995 und 2021 trotz technischer Verbesserungen um 21 Prozent«, schreibt das UBA auf seiner Website. Sie lagen zuletzt bei knapp über 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten.

Um etwas dagegen zu unternehmen, gibt es verschiedene Ansätze. Einer entspringt der Überlegung, dass mit steigender Geschwindigkeit der Verbrauch und folglich die Emissionen überproportional zunehmen. Eine Onlinepetition fordert, das bestehende Tempolimit für Lkw konsequenter durchzusetzen, als dies bislang der Fall ist. Laut Gesetz dürfen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht ab 7,5 Tonnen auf Autobahnen höchstens 80 Kilometer pro Stunde und auf Landstraßen nur 60 Kilometer pro Stunde fahren. In der Realität sind sie oft schneller. Die Einhaltung der Limits durchzusetzen, würde zum Klimaschutz beitragen, argumentieren die Unterstützer.

Was bringt ein Tempolimit?

Wie viel genau, ist schwer zu kalkulieren. Denn der Verbrauch hängt von vielen Faktoren ab: vom gesetzten Tempolimit und den realen Geschwindigkeiten über die Verkehrsdichte bis hin zum Bremsen und Beschleunigen, die in so genannten Fahrsituationen berücksichtigt werden. Das UBA hat auf »Spektrum«-Anfrage einige Daten für Lkw zusammengestellt, um die Wirkung trotzdem schätzen zu können. Erhellend ist zum Beispiel der Vergleich zwischen einem Tempolimit von 100 und von 80 Stundenkilometern: Bei einem Tempolimit von 100, so zeigen die realistischen Fahrsimulationen für flüssigen Verkehr, fahren Lkw auf der Autobahn im Schnitt 86,3 Kilometer pro Stunde. Setzt man Tempo 80 an, sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit laut den Simulationen auf 81,3 Kilometer pro Stunde. Das bedeutet, sie wären im Mittel mit fünf Kilometer pro Stunde weniger unterwegs, was den Verbrauch um 3,5 Prozent verringern würde.

Tempo 80 – aber wirklich? | Lkw mittels Tempolimit einzubremsen, könnte helfen, etwas Diesel einzusparen. Doch der Effekt wäre wohl kleiner als erhofft.

Auf Landstraßen nimmt die mittlere Geschwindigkeit bei strengeren Tempolimits deutlicher ab, die Kraftstoffeinsparungen bleiben aber etwa gleich – auch hier wieder nur im flüssigen Verkehr. Im dichten Verkehr kommt es laut Modellierung sogar zu einem Mehrverbrauch, was auf häufiges Bremsen und Beschleunigen zurückgeführt wird. »Die Verringerung von 80 auf 70 Kilometer pro Stunde Durchschnittsgeschwindigkeit sollte nicht mehr als acht Prozent Kraftstoffeinsparung bringen, wenn die Fahrdynamik sonst unverändert bleibt«, sagt Martin Lange, Leiter des UBA-Fachgebiets Schadstoffminderung und Energieeinsparung im Verkehr. Bei Geschwindigkeiten darunter schrumpft der Einsparungseffekt noch weiter.

»Herkömmliche Laster sind wie ein Backstein im Wind«Hubertus Ulmer, IAV

Die strikte Einhaltung der Tempolimits würde also auf Autobahnen eine überschaubare Dieseleinsparung bringen. Auf Landstraßen dürfte der Effekt größer sein, doch würde durch Tempo 70 oder gar 60 bei schweren Lkw der übrige Verkehr stärker behindert.

Der Spritverbrauch lässt sich auch mit technischen Maßnahmen senken. Entsprechende Entwicklungen haben vor allem wirtschaftliche Gründe. »Die Branche ist massiv kostengetrieben«, sagt Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugtechnik an der TU München. »Wo es bei Pkw oft um Fahrspaß und solche Dinge geht, ist für den Spediteur entscheidend, was der Transport kostet. Die Lkw-Hersteller versuchen daher ständig, die Effizienz weiter zu steigern.« Motoren, Radlager und Bremsen werden optimiert, ebenso Reifen, um den Rollwiderstand zu verringern. »Auf diesem evolutionären Weg gelingen etwa ein Prozent Kraftstoffeinsparung pro Jahr«, sagt Lienkamp.

Truck der (näheren) Zukunft | Das Konzept »Future Truck« von IAV setzt auf das Einsparpotenzial durch geringeren Luftwiderstand.

Sparsam beim Luftwiderstand

Weiteres Potenzial bietet die Aerodynamik. Schließlich ähnelt ein herkömmlicher Laster einem »Backstein im Wind«, wie Hubertus Ulmer sagt, Manager eMobility Commercial Vehicles beim Engineering-Unternehmen IAV. Das liegt an der gesetzlich festgelegten Längenbegrenzung der Fahrzeuge: Um möglichst viel Laderaum zu schaffen, werden sie kompakt gebaut. Mittlerweile darf für aerodynamische Maßnahmen zusätzlicher Platz beansprucht werden. Das ist in einer Designstudie der IAV zu sehen, die Ulmer auf den Bildschirm holt. Die Zugmaschinen haben eine Nase, die an US-Trucks erinnert. Große Rückspiegel gibt es auch keine mehr, stattdessen kleine luftwiderstandsfreundliche Kameras, die Livebilder auf Monitore in der Kabine schicken. Außerdem zeigt die Animation spezielle Verplankungen, die den Fahrtwind möglichst wirbelfrei nach hinten lenken.

Der Hänger mit stromlinienförmigen Anbauten mag manch einem bekannt vorkommen. In den vergangenen Jahren gab es diverse Projekte, um Verwirbelungen am Heck zu verringern. Die Forschungsteams gestalteten die Enden der Auflieger wahlweise in Boots- oder Tropfenform, teils wurden Klappen angebaut, die je nach Tempo in verschiedenen Winkeln angestellt wurden. Sogar eine Höhenverstellung für das Dach wurde entwickelt, um es der Lademenge anzupassen. Mit solchen Maßnahmen lässt sich der Spritverbrauch um mehrere Prozentpunkte reduzieren, wie etwa Forscher um David Cebon von der Universität Oxford im Journal »Transportation Research Part D: Transport and Environment« berichten.

»Mehr als jeder dritte Lkw auf der Autobahn dürfte leer sein«Ursula Neumann, Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen

Zu sehen bekommt man solche Fahrzeuge allerdings kaum. »Die meisten Spediteure wollen das nicht«, sagt Ulmer. Sie hätten Angst, dass die Anbauteile kaputtgehen oder aufwändig gewartet werden müssen. Auch seien viele nicht überzeugt, dass sich der Mehraufwand wirklich rechnet.

Was nicht überrascht, denn die Branche gilt als konservativ und begrenzt innovationsfreudig. Sie wird sich aber bewegen müssen, denn die EU will den CO2-Ausstoß von Lastern deutlich senken. Ab 2030 müssen Hersteller für neue schwere Nutzfahrzeuge im Flottendurchschnitt die Emissionen gegenüber 2019 um 45 Prozent reduzieren. Fünf bis zehn Prozentpunkte sind nach Einschätzung des IAV-Managers mit Verbesserungen bei Aerodynamik, Rollwiderstand und automatisierten Kolonnenfahrten, dem so genannten Platooning, zu schaffen. Für den großen Rests braucht es eine Wende im Antrieb.

Autobahnen voller leerer Laster

Ob sich dessen batterieelektrische Variante durchsetzen wird oder der Wasserstoff, lässt sich heute nicht sicher sagen. Wegen hoher Kosten sind nach Ansicht des TUM-Forschers Lienkamp zumindest E-Fuels und Oberleitungs-Lkw bereits aus dem Rennen. Er sieht in Europa den Akku-Truck im Vorteil: »Wir haben gute Stromnetze, um viele Lkw zu laden, und die Fahrtstrecken sind nicht allzu lang«, sagt er. »In den USA ist das anders, da könnte Wasserstoff die Lösung sein.« Vorausgesetzt, es gebe genug erneuerbaren Strom, um das Gas herzustellen.

Ulmer verweist auf die hohen Anschaffungskosten. Für eine Diesel-Zugmaschine seien gut 100 000 Euro zu veranschlagen, in der batterieelektrischen Ausführung steigen die Kosten auf das Zwei- bis Dreifache, für ein wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellenfahrzeug muss man gar den Faktor vier oder fünf einkalkulieren. »Die Hersteller entwickeln all diese Optionen weiter, weil sie nicht wissen, was am Ende das Rennen macht«, sagt er. Selbst einen wasserstoffbetriebenen Verbrenner hält er für möglich, da dort vorhandene Technik preiswert weitergenutzt werden könnte.

Außer all diesen technischen Veränderungen gibt es eine weitere Möglichkeit, den Verbrauch im Lkw-Verkehr zu verringern: Leerfahrten vermeiden. Wie viel CO2 im Jahr durch Fahrten freigesetzt wird, bei denen nur Luft von A nach B bewegt wird, lässt sich schwer beziffern. Doch die Dimension des Problems ist beträchtlich: Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts erfolgen 38 Prozent der Fahrten ohne Ladung. »Mehr als jeder dritte Lkw, den man auf der Autobahn sieht, dürfte leer sein«, sagt Ursula Neumann von der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Nürnberg. Bei solchen Leerfahrten befinden sich nicht einmal Paletten oder sonstige Transportbehälter im Hänger.

Voller Parkplatz, leerer Truck | Wegen ineffizienter Streckenplanung und mangelnder Digitalisierung fahren Laster heute reihenweise leer durch die Republik.

Wie kann das sein, wo doch die Branche auf jeden Cent schaut? Das habe ganz unterschiedliche Gründe, erklärt die Forscherin: Viele Logistiker seien vertraglich an tages- oder gar stundengenaue Lieferungen gebunden. »Dadurch gibt es weniger Flexibilität bei der Tourenplanung.« In manchen Landkreisen sei der Bedarf an Zulieferungen größer als an Ausfuhren – der Laster muss dann zwangsläufig leer in die Heimat zurück. Und selbst wenn es einmal Güter für den Rücktransport gibt, fehle es am schnellen Austausch der nötigen Informationen. Die Branche sei zu wenig digitalisiert, sagt Neumann. »Vor allem bei kleineren Speditionen wird die Tourenplanung oft von Hand ausgeführt, anstatt datenbasierte Optimierungen zu nutzen.«

Digitalisierung bringt Effizienzvorteil

In einem Forschungsprojekt namens KITE (Künstliche Intelligenz im Transport zur Emissionsreduktion) haben Neumann und ihr Team ermittelt, wie Fahrten besser organisiert werden können, um den Kraftstoffverbrauch und somit Emissionen zu reduzieren. Eine Option sind demnach Frachtbörsen, die Spediteure und potenzielle Kunden zusammenbringen, um statt einer Leerfahrt eine zusätzliche Tour zu übernehmen. Doch die Tücke steckt, wie oft, im Detail, berichtet die Wissenschaftlerin. »Manchmal sind die Ortsangaben zu ungenau, genannt wird beispielsweise nur die Postleitzahl statt der exakten geografischen Koordinaten, das erschwert die Optimierung.« Auch die Zeitfenster sind teils zu klein und unflexibel. Dabei könnte es anders gehen. »In unseren Gesprächen mit Transportkunden zeigte sich, dass diese durchaus bereit wären, bei den Service-Agreements nachzubessern, wenn so der CO2-Ausstoß reduziert werden kann.« Heißt: Etwas mehr zeitliche Flexibilität gegen eine sauberere Transportkette.

»Das Thema ist noch nicht wirklich bei allen angekommen«, sagt Neumann. Um das zu ändern, sieht sie auch die Branchenverbände in der Pflicht. »Wenn diese beispielsweise als neutrale Instanz nachweisen könnten, wie mit etwas mehr Flexibilität die Emissionen, aber auch die Frachtpreise reduziert werden können, hätte das eine andere Wirkung, als wenn das nur eine Spedition tut.«

Im Rahmen des KITE-Projekts haben Fachleute mit den Daten vergangener Aufträge eine Modellrechnung durchgeführt. Durch bessere Koordination der Fahrten hätte die Zahl der Leerkilometer um 2 bis 14 Prozent verringert werden können, berichtet Neumann. Sie warnt allerdings vor zu großer Euphorie. »Es gibt Akteure, die möchten möglichst wenig über ihre Transportkette preisgeben.« Diese für eine Transportbörse zu gewinnen, werde schwer. Und auch das Projekt selbst sei mit digitalisierungsaffinen Speditionen durchgeführt worden, von denen es aktuell nicht sonderlich viele gibt.

Mangelnde Innovationsfreude hat auch Maximilian Zähringer von der TU München beobachtet. Das müsse kein Nachteil sein, »die Unternehmer schauen sehr genau, ob sich eine Neuerung wirklich rechnet«, sagt Zähringer, der erforscht, mit welchen Ladestrategien es batteriebetriebene Lkw künftig schaffen können, ohne große Umwege, Wartezeiten und am besten noch zu möglichst günstigen Preisen ihre Akkus zu befüllen.

Digitale Systeme werden dafür unausweichlich sein, meint er. »Für die Routenplanung kommt es nicht nur auf die beste Strecke an, sondern zusätzlich darauf, wo freie Ladeplätze sind.« Auch gelte es zu bedenken, wo der Strom gerade besonders günstig ist, weil das Angebot hoch und die Nachfrage gering ist.

»Den Weg der Digitalisierung werden die Spediteure mitgehen müssen, um überhaupt im Geschäft zu bleiben«, meint Zähringer. Gut möglich also, dass die Elektrifizierung und Digitalisierung des Güterverkehrs nicht nur die Effizienz der Transporte erhöhen, sondern auch die Routenplanung verbessern. Für den Klimaschutz wäre das eine gute Nachricht.

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