Klimageschichte: Was mittelalterliche Mondfinsternisse über Vulkane verraten
Als sei der Mond völlig »verschwunden« – so kam es dem großen japanischen Dichter Fujiwara no Teika, als er während einer ungewöhnlich langen und dunklen Mondfinsternis an den Himmel starrte. In seinem Tagebuch hielt er seine Eindrücke von jener Nacht im Dezember 1229 fest. Jetzt haben Klimaforscher seine Beobachtung gemeinsam mit dutzenden anderen Aufzeichnungen mittelalterlicher Gelehrter analysiert. Ihr Ziel war es mit Hilfe der Mondfinsternisse auf Vulkanausbrüche in den Jahrhunderten zwischen 1100 und 1300 rückzuschließen. Die Forschungsergebnisse, die sie am 5. April im Fachmagazin »Nature« veröffentlichten, könnten den Wissenschaftlern helfen, die Vorgeschichte einer Kälteperiode zu verstehen, die als Kleine Eiszeit bekannt wurde.
Um vergangene Vulkanausbrüche zu untersuchen, »müssen wir Berichte aus historischen Archiven, sofern sie verfügbar sind, mit Eisbohrkernen und Baumringen kombinieren«, sagt Sébastien Guillet, Paläoklimatologe an der Universität Genf und Mitautor der Studie. »Keine dieser Methoden kann allein funktionieren.«
Sein Team identifizierte fast 400 Berichte von insgesamt 119 Mondfinsternissen. Davon enthielten 37 Angaben über die Färbung und die Helligkeit des Mondes; anhand beider Merkmale können die Forschenden feststellen, ob und in welchem Ausmaß ein Schleier vulkanischen Ursprungs vorhanden war. Das Team fand Berichte über sechs dunkle Mondfinsternisse. Diese deuten auf massive Eruptionen hin, bei denen vulkanische Aerosole weit in die Stratosphäre geschleudert wurden, die etwa zehn Kilometer über der Erdoberfläche beginnt. Indem sie diese Berichte mit Modellsimulationen, modernen Satellitenbeobachtungen und Baumringdaten kombinierten, schätzten sie, dass die Eruptionen 3 bis 20 Monate vor den Beobachtungen stattfanden. Daneben identifizierte das Team fünf weitere Finsternisse, bei denen der Mond durch seine rötliche Tönung auffiel. Dies deutet auf Aerosole in der Schicht unterhalb der Stratosphäre hin. Sie haben eine relativ geringe Auswirkung auf das Klima.
Die neugewonnenen Erkenntnisse stimmen mit früheren Analysen überein, die auf Staubschichten in Eisbohrkernen aus der Antarktis und Grönland beruhen [1,2]. Dass sich die Eiskernchronologie durch einen unabhängigen Datensatz bestätigt habe, sei sehr beruhigend, sagt Elsa Gautier, Glaziologin an der französischen Université Grenoble Alpes, die die Analyse der antarktischen Kerne mitverfasst hat. Die Studie könnte helfen, das Klima in den Jahren zwischen 1100 und 1300 besser zu verstehen und darauf aufbauend auch die anschließende außergewöhnliche Kälteperiode, die so genannte Kleine Eiszeit.
Womöglich schaffen Studien wie diese auch die Grundlagen, um die Auswirkungen des solaren Geoengineerings abschätzen zu können. Bei diesem – umstrittenen – Vorschlag sollen ebenfalls dauerhaft Partikel in der Stratosphäre freigesetzt werden, ganz wie einem mächtigen Vulkanausbruch. Sie würden das Sonnenlicht zurück ins All reflektieren und hätten einen kühlenden Effekt auf die Erde. So ließe sich nach Meinung einiger Fachleuten ein Gegengewicht zur menschengemachten Klimaerwärmung bilden. Laut Kevin Anchukaitis, Paläoklimatologe an der University of Arizona in Tucson, sind Vulkanausbrüche das einzige natürliche Phänomen, an dem sich die Auswirkungen eines solchen Eingriffs in die Atmosphäre untersuchen lassen.
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