Klimakatastrophe: Ein Eisschelf weniger und ein bedrohlicher Trend
Das Conger-Schelfeis der Ostantarktis – eine schwimmende Plattform von der Größe des halben Saarlands – ist am 15. März 2022 vom Festland abgebrochen, wie auf Satellitenbildern zu sehen ist. Diese Entwicklung hatte sich schon länger angebahnt: Seit Beginn der Satellitenbeobachtungen in den 1970er Jahren löste sich die Spitze des Schelfs in Eisberge auf. Glaziologen bezeichnen solche Vorgänge als Kalben.
Das Conger-Schelfeis war so bereits auf einen 50 Kilometer langen und 20 Kilometer breiten Streifen reduziert, der am einen Ende mit dem riesigen kontinentalen Eisschild der Antarktis und am anderen Ende mit der eisbedeckten Bowman Island verbunden war. Durch zwei Kalbungsereignisse am 5. und 7. März verringerte sich das Schelfeis weiter, löste sich von Bowman Island und brach eine Woche später endgültig zusammen.
Die weltweit größten Schelfeisgebiete grenzen an die Antarktis und verlängern den Eisschild bis ins kalte Südpolarmeer. Kleinere Schelfeisflächen befinden sich dort, wo das Kontinentaleis in Grönland, Nordkanada und der russischen Arktis auf das Meer trifft. Wenn ein Schelfeis wie das Conger-Eisschelf zusammenbricht, fließt das auf dem Boden liegende Eis, das einst hinter dem Schelfeis zurückgehalten wurde, schneller ab. Wenn die bremsende Kraft des Schelfeises wegfällt, stürzt mehr Eis in den Ozean.
Was hat den Zusammenbruch verursacht?
Schelfeis wird manchmal als das »Sicherheitsband« der Antarktis bezeichnet, weil es das vom angrenzenden Eisschild herabfließende Eis abstützt. Nur ein kleiner Teil des antarktischen Eisschilds schmilzt an der Oberfläche, wo sich Schnee auftürmt. Stattdessen verliert der größte Teil des Kontinents Eis durch Kalben und Schmelzen an der Unterseite der schwimmenden Schelfeisflächen.
Das Abbrechen und Ablösen von Teilen des Schelfeises ist ein natürlicher Prozess: Schelfeis durchläuft in der Regel Zyklen langsamen Wachstums, die von vereinzelten Kalbungsereignissen unterbrochen werden. In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftler jedoch beobachtet, wie mehrere große Schelfeisplatten völlig zerfielen.
Entlang der Antarktischen Halbinsel gehören dazu das Prinz-Gustav-Schelfeis (von 1989 bis 1995), das Larsen-A (1995) und das Larsen B-Schelfeis (2002) sowie das Wilkins-Schelfeis (2008 bis 2009). In der Ostantarktis, wo sich einst Conger befand, ging das Cook-Schelfeis in den 1970er Jahren teilweise verloren. Insgesamt deutet diese Serie von Zusammenbrüchen darauf hin, dass sich einige zu Grunde liegenden Umweltbedingungen ändern, etwa die Temperaturen des Ozeans und der Atmosphäre.
Es ist noch zu früh, um zu sagen, was den Zusammenbruch des Conger-Schelfeises ausgelöst hat. Aber es scheint unwahrscheinlich, dass es durch Schmelzen an der Oberfläche verursacht wurde – es gibt beispielsweise keinerlei Anzeichen für Wasseransammlungen auf dem Schelfeis. Die jüngste Abfolge von Ereignissen begann auch vor den rekordverdächtig hohen Lufttemperaturen, die am 18. März 2022 in der Antarktis gemessen wurden.
Was die Zukunft bringt
Als Glaziologen sehen wir die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Antarktis in Form von zunehmendem Eisverlust. Und was in der Antarktis geschieht, bleibt nicht auf die Antarktis begrenzt. Die Folgen des Zusammenbruchs des Conger-Schelfeises werden zwar wahrscheinlich nicht von großräumiger Bedeutung sein, da das Gebiet, aus dem das Eis in das ehemalige Schelf einströmt, klein ist. Und wegen seiner Form war das Conger-Schelfeis höchstwahrscheinlich keine bedeutende Stütze für den Eisfluss im Landesinneren.
Doch durch die globale Erwärmung werden Ereignisse wie dieses immer wahrscheinlicher. Und wenn immer mehr Schelfeis um die Antarktis herum zusammenbricht, wird der Eisverlust zunehmen und damit auch der globale Meeresspiegel ansteigen. Das Eis des westantarktischen Eisschilds reicht aus, um den Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen zu lassen. Wenn die Ostantarktis beginnt, erhebliche Mengen an Eis zu verlieren, könnten die Auswirkungen auf den Meeresspiegel in Dutzenden von Metern gemessen werden.
Nicht alles, was in der Natur geschieht, ist allein auf die globale Erwärmung zurückzuführen. Die Antarktis verliert durch den Abfluss von Eisbergen und das Wachsen und Schwinden von Schelfeis im Rahmen eines natürlichen Zyklus an Masse. Was wir jetzt mit dem Zusammenbruch des Conger-Eisschelfs und anderer Schelfe erleben, ist allerdings die Fortsetzung eines Besorgnis erregenden Trends, bei dem ein antarktisches Schelfeis nach dem anderen flächendeckend zusammenbricht.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.