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Klimapolitik: Neuberechnung lässt CO2-Budget weiter schrumpfen

Eine aktualisierte Analyse verringert das CO2-Budget zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels auf die Hälfte. Das liegt auch an mangelnden Einsparungen in den zurückliegenden Jahren.
Braunkohlekraftwerk Neurath
Das Braunkohlekraftwerk Neurath bei Grevenbroich gilt als besonders CO2-intensiv.

Will die Menschheit die Erderwärmung auf 1,5 Grad beschränken, darf sie nur noch halb so viel CO2 ausstoßen wie im Bericht des Weltklimarats angegeben: 250 statt 500 Gigatonnen Kohlendioxid. Das ist das Ergebnis einer neuen Analyse, die aktuell im Fachblatt »Nature Climate Change« erscheint. Sollte das Treibhausgas in gleicher Menge ausgestoßen werden wie in den zurückliegenden Jahren, hätte die Menschheit dieses Budget in sechs Jahren aufgebraucht. Dann wird es auf der Erde mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit um anderthalb Grad wärmer als noch zu vorindustriellen Zeiten.

Auch für das realistischere 2-Grad-Ziel hat die Gruppe um Robin Lamboll vom Imperial College London eine solche Neuberechnung durchgeführt. Demnach bleiben nur noch 940 Gigatonnen, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Im IPCC-Bericht waren es noch 1150 Gigatonnen CO2.

»Die aktuelle Studie zeigt vor allem eines: Für das 1,5-Grad-Ziel wird es sehr, sehr knapp. Es ist fast irrelevant, ob das Budget bei gleich bleibenden Emissionen in sechs Jahren – wie in dieser Studie – oder in zehn Jahren – wie vorher gedacht – aufgebraucht ist«, sagt Niklas Höhne vom New Climate Institute und der Universität Wageningen auf Anfrage des Science Media Center. »Es ist in jedem Fall extrem eng. Und das ist keine neue Erkenntnis.«

Fährt die Menschheit jedoch ihre Emissionen kontinuierlich zurück, kann sie das Restbudget über viele Jahre und gar Jahrzehnte strecken: Um das 2-Grad-Ziel mit einer 90-prozentigen Chance zu erreichen, müsste »netto null« bis 2050 erreicht werden, für eine Chance von 67 Prozent immerhin erst 2070, ergab die Berechnung.

Allerdings lässt die aktuelle Klimapolitik der Weltgemeinschaft keine substanzielle Emissionsreduktion erkennen, von Ausreißern um die Corona-Pandemie herum einmal abgesehen. Das ist auch der Grund, warum Lamboll und Kollegen nun zu den abweichenden Budgetsummen kommen. Seit der Veröffentlichung des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC) hätten sich die Emissionsmengen nicht wie erwartet entwickelt. Beispielsweise hatten die Autorinnen und Autoren des Berichts angenommen, dass nach der Pandemie weniger CO2 ausgestoßen werden würde. Das war allerdings nicht der Fall, so dass Lamboll und Team nun ein Update für geboten hielten.

Kleines Budget mit großen Unsicherheiten

Beide Angaben zu den Restbudgets sind allerdings mit großen Unsicherheiten behaftet und dienen am ehesten als grobe Richtwerte bei der Beurteilung und Ausrichtung der internationalen Klimapolitik. Denn selbst wenn die Menschheit im Rahmen eines der beiden Budgets bleibt, ist es möglich, dass schwer wiegende Folgen eintreten oder dass eine unvorhergesehene Entwicklung die Temperatur doch noch über eine kritische Grenze treibt. Dies liegt an Unsicherheiten in den zu Grunde liegenden Modellen, erklären die Autoren der Studie. Die Vielzahl von weiteren Einflüssen, die die Klimaerwärmung vorantreiben, machten die Berechnungen sehr schwierig. Dazu gehört beispielsweise der Ausstoß von Methan und anderen Gasen außer Kohlendioxid, die eine Treibhauswirkung haben und berücksichtigt werden müssen.

Sich auf eine einzelne Zahl – das Restbudget – zu fokussieren, sei daher »problematisch«, sagt auch Carl-Friedrich Schleussner von der Berliner Humboldt-Universität. »Das ist jetzt insbesondere der Fall, wenn die Unsicherheiten größer werden als das verbleibende Budget. Der wahrscheinliche Bereich für das CO2-Budget für das 1,5-Grad-Ziel – mit einer Wahrscheinlichkeit von 17 bis 83 Prozent – wird in dieser aktuellen Studie mit minus 200 bis 830 Gigatonnen CO2 geschätzt.« Der Unsicherheitsbereich sei damit viermal größer als die aktuell beste Abschätzung von 250 Gigatonnen. In jedem Fall aber sei das Restbudget »sehr klein – egal welche Methode man heranzieht«.

Sollte sich die Durchschnittstemperatur um 1,5 oder 2 oder gar noch mehr Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau erhöhen, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sie jenseits dieses Werts auf Dauer bleiben muss. Durch »negative Emissionen« könnte die Temperatur theoretisch auch wieder gesenkt werden. Allerdings gilt: Je länger sie jenseits kritischer Schwellen verweilt, desto schwerwiegender die Schäden, die durch Umweltkatastrophen und Wetterextreme ausgelöst werden. Auch wächst so die Gefahr irreparabler Störungen beispielsweise durch Überschreiten von Kipppunkten.

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