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Klimawandel: Klimaprognose für 2018: Bewölkt mit Rekordhitze

Weltweit basteln Forscher an Simulationen, mit denen sich das Klima in den kommenden Jahren vorhersagen lässt. Doch Erfolge lassen bislang auf sich warten.
Gewitterwolken über Deutschland

Im August 2007 nahm Doug Smith das wohl größte Wagnis seiner beruflichen Laufbahn auf sich. Nach mehr als zehn Jahren der Arbeit mit anderen Modellierern am Met Office Hadley Centre in Exeter, Großbritannien, veröffentlichte Smith eine detaillierte Vorhersage darüber, wie sich das Klima über nahezu eine gesamte Dekade entwickeln würde [1]. Die globale Erwärmung werde kurz zum Stillstand kommen, prognostizierte sein Team, und dann an Fahrt gewinnen. Innerhalb weniger Jahre sollte der Planet alle bisherigen Rekorde brechen.

Wirklich präzise scheint die Hadley-Vorhersage nicht gerade zu sein. Denn auch sechs Jahre später warten wir noch darauf, dass die globalen Temperaturen wie vorhergesagt in die Höhe schießen. Trotz dieser wenig überzeugenden Ergebnisse finden solche kurzfristigen Prognosen durchaus Anklang bei vielen Klimamodellierern. Sie wollen herausfinden, wie sich die globalen Bedingungen in den kommenden Jahren und darüber hinaus entwickeln werden. Und so hofft man, der Menschheit schließlich Prognosen für das kommende Jahrzehnt liefern zu können – ähnlich wie Meteorologen uns jeden Morgen bei der Frage nach der richtigen Kleidung helfen.

Diese kurzfristigen Prognosen unterscheiden sich stark von den allgemeinen Vorhersagen, die Klimaforscher typischerweise machen: Diese blicken viele Jahrzehnte nach vorne und gehen nicht auf das gegenwärtige Klima ein. "Der Ansatz ist sehr neu für die Klimaforschung", sagt Francisco Doblas-Reyes vom katalanischen Institut für Klimaforschung in Barcelona. Der Wissenschaftler ist Erstautor eines Kapitels im kommenden Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), in dem es um Klimaprognosen gehen wird. "Wir entwickeln eine neue Methode, die uns viel mehr über die nahe Zukunft sagen kann."

Im Rahmen des künftigen IPCC-Berichts – der erste Teil erscheint im September – führten 16 Forschergruppen eine Reihe von Experimenten zu mittelfristigen Prognosen mit Klimamodellen durch. In den vergangenen zwei Jahren erschienen mehrere Artikel über diese Versuche. In der Regel ergeben sie eine geringere Klimaerwärmung als die Standardmodelle. Für die beteiligten Forscher sind die mittelfristigen Prognosen inzwischen den Kinderschuhen entwachsen. Doch viele prominente Wissenschaftler stellen sowohl die Ergebnisse als auch den Nutzen dieser offensichtlich teuren und zeitaufwendigen Experimente infrage.

"Obwohl ich nichts dagegen habe, das als wissenschaftliche Herausforderung zu betrachten, dienten diese Publikationen bisher größtenteils als Gegenbeweis der Machbarkeit", sagt Gavin Schmidt vom NASA Goddard Institute for Space Studies in New York. Der Klimaforscher lehnte es ab, an den Experimenten zu mittelfristigen Vorhersagen des IPCC teilzunehmen.

Erste Ideen

Für seine Klimaprognosen greift das Team um Smith zwar auf sein Standard-Klimamodell zurück, geht dabei aber neue Wege: Inspirieren ließen sich die Wissenschaftler von der Art und Weise, wie Meteorologen das Wetter der kommenden Woche abschätzen. Der Ausgangspunkt typischer Klimaprognosen liegt weit zurück in der Vergangenheit, oftmals noch vor der industriellen Ära. Auf diese Weise versucht man, das durchschnittliche Klima gut genug zu erfassen, um dann über einen großen Zeitraum ein grobes Muster vorhersagen zu können. Im Gegensatz dazu beginnen Wettervorhersagen für die kommende Woche in der Gegenwart. Die Prognosen basieren dabei auf etlichen Simulationen mit leicht unterschiedlichen meteorologischen Ausgangsbedingungen und liefern eine Reihe an Ergebnissen, die trotz der chaotischen Natur des Wetters eine statistische Aussagekraft besitzt.

Smith und sein Team verfolgten denselben Ansatz. Im Jahr 2005 sammelten sie innerhalb von zwanzig Tagen eine Menge Klimadaten – Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und -richtung, Luftdruck, Temperatur und Salzgehalt des Meeres. Für jede Vorhersage zogen sie als Ausgangsbedingungen des Hadley-Centre-Klimamodells jeweils die Daten eines einzelnen Tages heran. Dann ließen die Wissenschaftler das Modell in das zukünftige Jahrzehnt blicken, unter dem Einfluss von verschiedenen Faktoren wie etwa steigenden Treibhausgaskonzentrationen.

Smiths Gruppe hoffte, mit dem Modell genauere Klimaprognosen für die nahe Zukunft erstellen zu können, wenn sie in der Gegenwart mit den augenblicklichen Bedingungen starten. Anfangs sahen die Ergebnisse vielversprechend aus. Das Modell sagte verglichen mit konventionellen Klimaprognosen zunächst tiefere Temperaturen vorher – im Wesentlichen lagen die Forscher damit bis zum Jahr 2008 richtig. Doch dann wich die Vorhersage merklich von den Messdaten ab: Die nach 2008 erwartete dramatische Erwärmung blieb bislang aus. "Man muss sich wohl eingestehen, dass sich die reale Welt nicht so stark erwärmte, wie es unsere Prognose nahelegt", sagt Smith. "Momentan verstehen wir noch nicht wirklich, warum das so ist."

Klimaprognosen | Forscher am Hadley Centre in Großbritannien haben eine Methode entwickelt, mit der sich die nahe Zukunft des Klimas prognostizieren lässt. Nach Testläufen an zwei vergangenen Jahrzehnten machten sie eine Vorhersage bis 2015. Sie zeigte eine geringere Erwärmung als in gängigen Simulationen, doch die tatsächlichen Temperaturen waren sogar noch niedriger. In neuen Prognosen für 2011 bis 2020 folgt auf kühle Anfangsjahre eine heftige Erwärmung.

Die Antwort liegt vielleicht in den Ozeanen. Obwohl die Atmosphäre das Wettergeschehen von einem Tag zum nächsten weitgehend beherrscht, enthalten die sich langsam bewegenden Meere so viel mehr Energie und Wärme, dass sie bestimmen, wie sich das Klima von Jahr zu Jahr ändert. Forscher vermuten, dass ein Großteil dieser Variabilität mit wiederkehrenden Klimaanomalien zusammen hängt – wie beispielsweise im östlichen tropischen Pazifik dem El Niño, der zu Erwärmung führt, und dem La-Niña-Phänomen, das für Abkühlung sorgt. Theoretisch sollten sich die Ozeane sogar etwas einfacher modellieren lassen, weil Salzwasser langsamer zirkuliert als Luft.

2008 machte eine Gruppe um Noel Keenlyside, jetzt an der Universität Bergen in Norwegen, eine Vorhersage bis zum Jahr 2030, in der sie auch die Auswirkungen der Meeresoberflächentemperatur im Atlantik berücksichtigten [2]. Sie konzentrierten sich auf eines der dominanten Strömungsmuster des Atlantiks, die meridionale Umwälzzirkulation. Diese Meeresströmungen tragen von der Sonne erhitztes Wasser aus den Tropen in den Nordatlantik, wo es die Atmosphäre erwärmt, anschließend in die Tiefsee absinkt und wieder gen Süden reist. Diese Zirkulation würde sich dem Modell zufolge abschwächen und so dazu beitragen, die globalen Temperaturen in den kommenden Jahren zu stabilisieren oder sogar abzukühlen.

Diese Aussage sorgte für Furore: Einige Forscher stellten nicht nur die Analyse von Keenlyside und seinem Team infrage, sondern auch die Ausgangsbedingungen ihrer Simulation. Auch in den Medien griff man das Thema auf und debattierte darüber, ob die globale Erwärmung vielleicht eine Pause eingelegt hätte. Kurz nach dem Erscheinen der Studie focht eine Gruppe von Wissenschaftlern um Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Publikation öffentlich an. Sie wollten zwei Wetten – insgesamt um einen Geldbetrag von 5000 Euro – mit Keenlysides Team darüber abschließen, wie sich die Vorhersagen bewähren.

"Wir wollten publik machen, dass es sich hierbei nicht um die Klimawissenschaft als solche handelte, die hier eine kühlere Periode vorhersagte", sagt Rahmstorf. Keenlyside und sein Team ließen sich nicht auf die Wetten ein – eine kluge Wahl, wie sich herausstellen sollte. Die Zirkulation schwächte nicht ab und die Temperaturen fielen höher aus als erwartet, so Rahmstorf.

Keenlyside räumt zwar gewisse Unzulänglichkeiten des Modells ein. Gleichzeitig hebt er aber hervor, dass es immerhin anfangs die Entwicklung der globalen Temperaturen richtig wiedergab, die in den ersten Jahren des Vorhersagezeitraums nicht anstiegen. "Unser System war zwar sehr primitiv, aber wir konnten zeigen, dass die Initialisierung der Ozeane in diesen Modellen enorm wichtig ist", sagt er.

Ungeachtet der Defizite regte ihr Ansatz viele Modellierer zu neuen Ideen an, um ihre Berechnungen zu prüfen und zu verbessern. Die an den IPCC-Experimenten teilnehmenden Gruppen investierten einen erheblichen Teil ihrer Rechenzeit in die ersten systematischen Prognosen über das globale Klima in den kommenden Jahren. Ihre Modelle sagen kühlere Temperaturen vorher – durchschnittlich eine um 15 Prozent geringere Erwärmung in den nächsten Jahrzehnten verglichen mit gewöhnlichen Klimaprognosen [3].

Um festzustellen, wie verlässlich ihre Prognosen sind, griffen die Teams zu einem üblichen Test: Wie gut schlagen sich die Modelle, wenn man einen Rückvergleich anstellt, also damit die Vergangenheit vorhersagt? Die Forschergruppen steckten alle verfügbaren Beobachtungsdaten in ihre Modelle und erstellten mittelfristige Klimaprognosen, wenigstens alle fünf Jahre ab dem Jahr 1960. Die Ergebnisse verglichen sie dann mit dem tatsächlichen Klima sowie konventionellen Klimamodellen. Doblas-Reyes und seine Kollegen zeigen anhand einer solchen Analyse, dass ihr Modell die Verlangsamung der globalen Erwärmung bis zu fünf Jahre im Voraus erfasst [4]. Ihre Studie stützt ebenfalls die Theorie, dass die Tiefsee – insbesondere im tropischen Pazifik und Atlantik – die Erwärmung der Atmosphäre verzögert hatte. Denn sie absorbierte einen Großteil der Wärme, die sich durch die steigenden Treibhausgaskonzentrationen in der Luft staut.

Fehlerkorrektur

Skeptiker wie Rahmstorf muss dieses Fazit erst noch überzeugen. Der Ozeanograph bezweifelt, dass die Modelle die Schwankungen des Erdklimas präzise voraussagen. Viele andere Forscher finden hingegen, die neuen Modelle eigneten sich auf regionaler Ebene und speziell in den Ozeanen.

"Wir sehen, dass es einige Verbesserungen gibt", sagt Lisa Goddard von der Columbia University in New York. Die Klimaforscherin leitet eine systematische Analyse und einen Vergleich der Vorhersagen von IPCC-Modellen. Etliche Modelle beschreiben beispielsweise einen plötzlichen Anstieg der Meeresoberflächentemperaturen im Nordatlantik, der um 1995 einsetzte. "Sie alle sagen diese Entwicklung wunderbar voraus", sagt Goddard. "Nur leider haben verschiedene Modelle dafür offenbar unterschiedliche Gründe."

Falls dies zutrifft, könnte der Erfolg der Modelle trügerisch sein: Eine präzise Vorhersage des ersten Jahres oder der ersten beiden lässt sich vielleicht zum Teil darauf zurückführen, dass die Simulationen mit einem Schnappschuss des gegenwärtigen Klimas beginnen. Weil sich das Klima für gewöhnlich von einem Jahr zum nächsten nicht drastisch verändert, wird das Modell anfangs zwangsläufig Bedingungen prognostizieren, die nahe an die Realität herankommen. Wenn sich das reale Klima weiterentwickelt, lässt dieser Effekt allerdings schnell nach. Wenn die Genauigkeit der Modelle darin begründet liegt, schwindet ihr Nutzen bereits nach einigen Jahren.

Auch wenn diese Ansätze derzeit nur eine begrenzte Prognosefähigkeit zeigen, wollen Klimaforscher sie nutzen, um ihre Modelle zu verbessern. Eine zentrale Herausforderung stellt die Initialisierung ihrer Modelle dar. Will man eine Simulation starten, steckt man so viele Werte wie möglich in ein dreidimensionales Gitter der Ozeane und Atmosphäre. Dabei müssen die Wissenschaftler allerdings Annahmen für Regionen treffen, für die keine Daten vorliegen, darunter beispielsweise die Tiefsee.

Erschwerend kommt hinzu, dass jedes Modell über seinen eigenen Gleichgewichtszustand verfügt – überließe man es sich selbst, dann wäre jeweils ein anderes Klima das Ergebnis. Indem Wissenschaftler die vorliegenden Messwerte für Ozean und Atmosphäre eingeben, bewegen sie das Modell aus seinem Gleichgewichtszustand heraus. Schreitet das Modell in der Zeit voran, neigt es umgehend dazu, wieder zu seinem bevorzugten Klima zurückzukehren – das führt zu zusätzlichen Komplikationen.

"Was sind die Ursachen für dieses Verhalten?", fragt Doblas-Reyes. Durch den Vergleich der Simulationen mit konventionellen Klimavorhersagen hoffen die Wissenschaftler, das sonderbare Verhalten beheben zu können. Zudem wollen sie so Schwachstellen in den Modellen aufdecken, die sonst verborgen blieben. "Wenn diese Modelle den Klimamodellierern dabei helfen, systematische Fehler zu identifizieren, wird die gesamte Community davon profitieren", sagt Doblas-Reyes.

Schmidt hält diese Bestrebungen für "ein bisschen fehlgeleitet". Denn es sei schwierig, den Erfolg oder Misserfolg einem bestimmten Parameter zuzuordnen. Schließlich steckt die charakteristische Unberechenbarkeit von Wetter und Klima sowohl im System Erde als auch in den Modellen. "Der Ansatz bietet da keine Lösungen", so Schmidt.

Selbst Befürworter machen sich keine Illusionen über die Herausforderungen der Zukunft. Es dürfte ein Jahrzehnt oder länger dauern, berichtet Kevin Trenberth vom National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, bis diese Forschung sich auszahlt und die Modelle einer bessere Vorhersagekraft aufweisen. Und selbst dann könnten laut Trenberth die Wissenschaftler nur begrenzte Aussagen über die Zukunft treffen. Dabei wünschen sich sicherlich viele Leute einen Ausblick auf das künftige Klima. "Für einen Bauern in Illinois," sagt Trenberth, "könnte jeder Anhaltspunkt dazu enorm nützlich sein."

Smith zufolge hat sein Team am Hadley Centre die Auflösung seines Modells verdoppelt: Es zerlegt den Planeten nun in ein Gitter aus 150 mal 150 Kilometer messenden Zellen. In den kommenden Jahren hofft er, zu einem 60-Kilometer-Gitter übergehen zu können. Hierin sollten sich die Zusammenhänge zwischen Ozean und dem Wetter, an dem die Gesellschaft interessiert ist, leichter herausstellen lassen. Mit verbesserten Modellen, mehr Daten und besserer Statistik sieht er schon den Tag, an dem ihre Modelle eine wahrscheinlichkeitsbasierte Prognose von Temperaturen und vielleicht sogar von Niederschlägen für das kommende Jahrzehnt liefern.

In Vorbereitung für diesen Tag gründete er die Initiative "Decadal exchange", um jährlich die mittelfristigen Prognosen von verschiedenen Teams zu sammeln, zu analysieren und zu veröffentlichen. Neun Forschergruppen verwenden die neuesten Klimamodelle und erstellten eine ab 2011 gültige Zehn-Jahres-Prognose. Eine Analyse dieser Vorhersagen ergab ein ähnliches Muster wie das von Smiths Prognose aus dem Jahr 2007 [5]: Zunächst fallen die Temperaturen tief aus, steigen dann stark an und in den nächsten paar Jahren – ausgenommen es passiert etwas wie ein Vulkanausbruch – scheinen Rekordtemperaturen so gut wie unausweichlich.

"Ich würde momentan nicht darauf wetten", sagt Smith, "aber ich glaube, wir werden binnen einiger Jahre gute Fortschritte machen."

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