Klimatologie: Extremwetter auf dem Vormarsch
Gewaltige Wirbelstürme, häufigere Überschwemmungen und Trockenperioden - ist der Klimawandel schuld? Erste Wissenschaftler beantworten diese Frage mit Ja.
Wenn das Wetter verrückt spielt, wie es heutzutage häufiger der Fall scheint, stellen Reporter, Politiker und die Öffentlichkeit unweigerlich die Frage: Spielt die globale Erwärmung eine Rolle?
Sie wurde im vergangenen Jahr nach den katastrophalen Überschwemmungen in Pakistan ebenso gestellt wie nach der Rekord-Hitzewelle in Russland. Sie kam dieses Jahr nach der verrückten Häufung von Tornados in den südöstlichen USA ebenso auf wie während der vernichtenden Dürre am Horn von Afrika. Und sie wurde erneut aufgebracht, als im August der Hurrikan "Irene" an der Ostküste der Vereinigten Staaten wütete.
Bislang haben die Klimaforscher es zumeist vermieden, darauf konkret zu antworten. Ihr Mantra war, dass die Wissenschaft nicht eine spezielle Dürre oder einen gewissen Hurrikan dem Klimawandel zuordnen kann. Die Klimaforschung könne bestenfalls abschätzen, wie die Häufigkeit von Extremwetterlagen sich durch die globale Erwärmung ändert, angetrieben durch Variationen von Faktoren wie Verdunstung über den Ozeanen, Wasserdampf und Wolkenbildung sowie der atmosphärischen Zirkulation.
Bald schon im Wetterbericht?
In jüngster Zeit beginnt sich diese zögerliche Haltung jedoch zu wandeln. "Mein Denken hat sich weiterentwickelt", sagt beispielsweise Gavin Schmidt, der Klimamodelle am Goddard Institute for Space Studies der NASA in New York rechnet. Fortschritte bei den statistischen Methoden, den Klimamodellen und der Computertechnik erlauben nun eine Zuordnung von Wetterextremen – "es ist zwar schwierig, aber nicht unmöglich", so der Forscher. Zwei vergangenen Februar in "Nature" veröffentlichte Untersuchungen belegen daher schon eine Verknüpfung zwischen Extremwetterlagen und dem Klimawandel: die eine die katastrophalen Überschwemmungen in Großbritannien im Jahr 2000, die andere die Zunahme starker Regenfälle auf der nördlichen Hemisphäre gegen Ende des 20. Jahrhunderts.
"Die Idee ist, dass wir uns etwa einmal im Monat die Veränderungen der meteorologischen Situation anschauen, wie sie sich aus den Klimaeinflüssen ergeben", erklärt Peter Scott, Klimaforscher am Hadley Centre des UK Met Office in Exeter, der Leiter der ACE-Gruppe. Scott schreibt an einem Weißbuch über Pläne und Anforderungen für ein nahezu in Echtzeit funktionierendes Zuordnungssystem, das er im Oktober auf der World Climate Research Programm Conference in Denver im US-Bundesstaat Colorado vorstellen will.
Furchtbarer Preis
Extreme Wetterereignisse gehören zu den zerstörerischsten Katastrophen, die es gibt – sowohl in Bezug auf die Zahl der Todesopfer als auch auf den wirtschaftlichen Schaden. Etwa 40 000 Menschen starben infolge der Rekordhitzewelle im Jahr 2003 in Europa. Der Wirbelsturm "Katrina" verursachte an der amerikanischen Golfküste Schäden in Höhe von über 80 Milliarden Dollar. Und die Häufigkeit von Wetterkatastrophen mit Schäden in Multi-Milliarden-Dollar-Höhe steigt, wie Zahlen des US National Climate Data Center in Asheville, North Carolina, zeigen.
Die Ursache dieser Katastrophen zu kennen, ist von zentralem Interesse für die Versicherungsunternehmen, die ihre Prämien festlegen müssen, für Bauingenieure, die über Schutzmaßnahmen wie eine Erhöhung von Dämmen zu entscheiden haben, für Städte, Regionen und Staaten, die damit kämpfen, sich an die langfristigen Folgen des Klimawandels anzupassen. Wenn die steigende Häufigkeit lediglich eine Folge natürlicher Zyklen ist, dann wird dieser Trend sich vielleicht schon bald abschwächen. Ist der Anstieg dagegen eine Folge der globalen Erwärmung, dann können Schäden und Verluste weiter stark steigen.
Eine verlässliche Zuordnung extremer Wetterereignisse ist zudem für das öffentliche Verständnis des Klimawandels wichtig – und für die Bereitschaft der Menschen, Maßnahmen zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes zu unterstützen. Im Gegensatz zu weit in der Zukunft liegenden Konsequenzen wie dem langsamen Anstieg des Meeresspiegels sind die Folgen lokaler Extremwetterereignisse unmittelbar zu spüren und bleiben lebhaft in Erinnerung. Umfragen deuten darauf hin, dass Menschen, die das Gefühl haben, persönlich Auswirkungen des Klimawandels erlebt zu haben, eher davon überzeugt sind, dass es sich dabei um ein reales Problem handelt – und um eines, für das eine Lösung nötig ist – als bislang nicht betroffene Personen.
Einen Kurs kartieren
Mit diesen Imperativen im Kopf ist die ACE-Gruppe aufgebrochen, systematisch die Verbindung zwischen Klima und Wetter zu erforschen. Dazu füttern die Forscher Daten des UK Met Office und des US National Center for Atmospheric Research NCAR in Boulder im US-Bundesstaat Colorado in jahreszeitliche Wettervorhersagen und langfristige Klimamodelle.
Die Zuordnung ist jedoch keine einfache Aufgabe: Ein bestimmtes Wetterereignis wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Schon geringste kurzfristige Änderungen können es in eine völlig andere Richtung schicken. Das Klima unterliegt hingegen langfristigen Trends, die auf relativ einfachen physikalischen Parametern basieren: So kann eine wärmere Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen, weshalb mehr Stürme entstehen können, die von Feuchtigkeit und Wärme angetrieben werden. Natürliche Zyklen wie etwa El Niño produzieren allerdings vergleichbare Zusammenhänge.
Die ACE-Gruppe zielt daher darauf ab, Extremwetterereignisse "teilweise" der Klimaänderung zuzuordnen. Die Forscher versuchen also abzuschätzen, wie stark ein Ereignis einerseits vom anthropogenen Treibhauseffekt und andererseits von natürlichen Zyklen beeinflusst ist. Die beiden Untersuchungen, die vergangenen Februar in "Nature" erschienen, enthalten bahnbrechende Beispiele dafür, wie man so etwas macht. In einem davon haben der Atmosphärenforscher Pardeep Pall von der University of Oxford und sein Team mehrere tausend Wettersimulationen für den Herbst 2000 in England und Wales durchgespielt. Einige der Simulationen berücksichtigten die beobachten Mengen an von Menschen freigesetzten Treibhausgasen, andere nicht. Die Forscher fütterten die Ergebnisse der Simulationen dann in ein Modell der Niederschläge und des Oberflächenabflusses, um zu sehen, ob Überschwemmungen auftreten und wie groß sie ausfallen. In zehn Prozent der Berechnungen beeinflussten die Treibhausgasemissionen des letzten Jahrhunderts das Überschwemmungsrisiko nicht. Doch bei zwei Dritteln der Fälle erhöhten sie die Gefahr für katastrophale Überschwemmungen um über 90 Prozent.
Eine ähnliche Methode verwendete auch eine andere Gruppe von Wissenschaftlern, geleitet von Klimaforscher Seung-Ki Min von der Climate Research Division of Environment Canada in Toronto. Inspiriert von der Beobachtung, dass schwere Regenfälle auf der nördlichen Hemisphäre ab 1950 zugenommen haben, verglich die Gruppe aktuelle Niederschlagsdaten mit Simulationen von sechs verschiedenen Klimamodellen mit und ohne Treibhauseffekt. Das Schema der extremen Niederschläge, so zeigt die Arbeit, gleicht in keiner Weise dem, was allein auf Basis natürlicher Zyklen zu erwarten wäre. Aber es hat große Ähnlichkeit mit Niederschlagsmustern, wie sie auf Grund der globalen Erwärmung zu erwarten sind.
Manchmal können solche Zuordnungsstudien aber auch den Klimawandel entlasten. Im März veröffentlichten Randall Dole und seine Kollegen von der National Oceanic and Atmospheric Administration in Boulder eine Untersuchung, die zeigt, dass die russische Hitzewelle von 2010 wahrscheinlich eine Folge natürlicher Zyklen war.
Im Allgemeinen, so der Forscher, gelingt dies bei Hitzewellen und anderen temperaturbezogenen Wetterlagen am einfachsten. Für niederschlagsabhängige Katastrophen wie Überschwemmungen und Dürren ist es dagegen wesentlich schwieriger, da die Modelle dann nicht nur die Regenmenge, sondern auch die Bodenbeschaffenheiten, die Landschaftsformen und das menschliche Management von Flüssen und Feuchtgebieten berücksichtigen müssen. Und manches lässt sich bislang gar nicht mit dem Klima verknüpfen. Die Häufigkeit von Tornados etwa hängt vom Gleichgewicht zwischen der Konvektion feuchter Luft, die ihre Entstehung begünstigt, und Scherwinden ab – Letztere können Tornados unterdrücken. Bislang können die Wissenschaftler jedoch nicht mit Sicherheit sagen, wie der Klimawandel diese Balance beeinflusst.
Ein weiteres Problem ist die begrenzte räumliche Auflösung der Klimamodelle. Gegenwärtig sind sie viel zu grob, um beispielsweise kleinräumige Konvektion wiederzugeben. Dabei handelt es sich um ein häufiges Phänomen, bei dem warme, feuchte Luft vom Erdboden aufsteigt und eine isolierte Gewitterwolke bildet. Diese Konvektion ist in Gebirgsregionen wie den Anden oder dem Himalaja besonders ausgeprägt – und dort noch schwieriger zu modellieren.
Auf Grund derartiger Mängel der Modelle bleiben viele Klimaforscher bezüglich der Zuordnungen daher noch skeptisch. Als "wissenschaftlich unseriös" bewertet Judith Curry, Klimatologin am Georgia Institute of Technology in Atlanta, die Untersuchungen. Selbst Konvertiten wie Schmidt sind vorsichtig. "Es gibt eine Menge Spielraum, um die Sache besser zu machen", so der Forscher.
Hinter dem Horizont
Die ACE-Gruppe plant, diese Schwächen nun in ihrem Weißbuch zu behandeln. Als ersten Schritt schlägt die Gruppe vor, dass die führenden Forschungszentren, wie etwa das NCAR und das Met Office, Abschätzungen zur teilweisen Zuordnung auffallender Wetterextreme der vergangenen 50 Jahre vornehmen. Dabei sollte eine große Zahl von gekoppelten Klimamodellen und alle verfügbaren Wetterdaten verwendet werden. Die aus diesen retrospektiven Untersuchungen gelernten Lektionen könnten Wissenschaftler dann in die Lage versetzen, routinemäßig eine Zuordnung des aktuellen Wettergeschehens vorzunehmen. Auch klimabasierte Vorhersagen extremer Wetterereignisse wären möglich.
Noch ist nicht klar, was die Umsetzung dieses Plans kosten oder wer dafür bezahlen soll. Kevin Trenberth, Klimaforscher der NCAR, schätzt, dass einige wenige Millionen Dollar ausreichen, um einen internationalen Service zu koordinieren, wenn bestehende Einrichtungen an seinem Institut, dem Met Office und anderswo genutzt würden. Geht man jedoch über ein solches Basisprogramm hinaus, indem man beispielsweise ein unabhängiges Zuordnungszentrum schafft, das monatliche, jahreszeitliche und jährliche Vorhersagekapazitäten besitzt, dann wäre es weitaus teurer.
Da die Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks ihre Budgets stark zusammenstreichen, sind die Aussichten, dass ein solches Programm tatsächlich zustande kommt, eher gering, gibt Trenberth zu. Doch weder das Wetter noch das Klima interessieren sich dafür, was die Politiker machen. Und wenn Ereignisse wie der Hurrikan "Irene" vermehrt die Wähler der Politiker treffen, dann könnte sich eines Tages ein derartiges Zentrum vielleicht doch als gute Investition erweisen.
Sie wurde im vergangenen Jahr nach den katastrophalen Überschwemmungen in Pakistan ebenso gestellt wie nach der Rekord-Hitzewelle in Russland. Sie kam dieses Jahr nach der verrückten Häufung von Tornados in den südöstlichen USA ebenso auf wie während der vernichtenden Dürre am Horn von Afrika. Und sie wurde erneut aufgebracht, als im August der Hurrikan "Irene" an der Ostküste der Vereinigten Staaten wütete.
Bislang haben die Klimaforscher es zumeist vermieden, darauf konkret zu antworten. Ihr Mantra war, dass die Wissenschaft nicht eine spezielle Dürre oder einen gewissen Hurrikan dem Klimawandel zuordnen kann. Die Klimaforschung könne bestenfalls abschätzen, wie die Häufigkeit von Extremwetterlagen sich durch die globale Erwärmung ändert, angetrieben durch Variationen von Faktoren wie Verdunstung über den Ozeanen, Wasserdampf und Wolkenbildung sowie der atmosphärischen Zirkulation.
Bald schon im Wetterbericht?
In jüngster Zeit beginnt sich diese zögerliche Haltung jedoch zu wandeln. "Mein Denken hat sich weiterentwickelt", sagt beispielsweise Gavin Schmidt, der Klimamodelle am Goddard Institute for Space Studies der NASA in New York rechnet. Fortschritte bei den statistischen Methoden, den Klimamodellen und der Computertechnik erlauben nun eine Zuordnung von Wetterextremen – "es ist zwar schwierig, aber nicht unmöglich", so der Forscher. Zwei vergangenen Februar in "Nature" veröffentlichte Untersuchungen belegen daher schon eine Verknüpfung zwischen Extremwetterlagen und dem Klimawandel: die eine die katastrophalen Überschwemmungen in Großbritannien im Jahr 2000, die andere die Zunahme starker Regenfälle auf der nördlichen Hemisphäre gegen Ende des 20. Jahrhunderts.
Ebenfalls im vergangenen Jahr haben Klimaforscher aus den USA und Großbritannien unter dem Namen "Attribution of Climate-related Events (ACE)" – auf Deutsch: Zuordnung klimabezogener Ereignisse – zu einer lockeren Koalition zusammengeschlossen. Die Wissenschaftler haben eine Reihe koordinierter Untersuchungen eingeleitet, die die Grundlage für ein systematisches Wetterzuordnungsprogramm legen sollen. Als Endziel hofft die Gruppe ein internationales System zu schaffen, das den Einfluss der Klimaänderung auf Wetterereignisse einschätzen kann – noch während sie geschehen oder möglichst sogar bevor sie eintreffen. Diese Einschätzungen könnten dann zu einem Bestandteil der abendlichen Wetterberichte werden.
"Die Idee ist, dass wir uns etwa einmal im Monat die Veränderungen der meteorologischen Situation anschauen, wie sie sich aus den Klimaeinflüssen ergeben", erklärt Peter Scott, Klimaforscher am Hadley Centre des UK Met Office in Exeter, der Leiter der ACE-Gruppe. Scott schreibt an einem Weißbuch über Pläne und Anforderungen für ein nahezu in Echtzeit funktionierendes Zuordnungssystem, das er im Oktober auf der World Climate Research Programm Conference in Denver im US-Bundesstaat Colorado vorstellen will.
Furchtbarer Preis
Extreme Wetterereignisse gehören zu den zerstörerischsten Katastrophen, die es gibt – sowohl in Bezug auf die Zahl der Todesopfer als auch auf den wirtschaftlichen Schaden. Etwa 40 000 Menschen starben infolge der Rekordhitzewelle im Jahr 2003 in Europa. Der Wirbelsturm "Katrina" verursachte an der amerikanischen Golfküste Schäden in Höhe von über 80 Milliarden Dollar. Und die Häufigkeit von Wetterkatastrophen mit Schäden in Multi-Milliarden-Dollar-Höhe steigt, wie Zahlen des US National Climate Data Center in Asheville, North Carolina, zeigen.
Die Ursache dieser Katastrophen zu kennen, ist von zentralem Interesse für die Versicherungsunternehmen, die ihre Prämien festlegen müssen, für Bauingenieure, die über Schutzmaßnahmen wie eine Erhöhung von Dämmen zu entscheiden haben, für Städte, Regionen und Staaten, die damit kämpfen, sich an die langfristigen Folgen des Klimawandels anzupassen. Wenn die steigende Häufigkeit lediglich eine Folge natürlicher Zyklen ist, dann wird dieser Trend sich vielleicht schon bald abschwächen. Ist der Anstieg dagegen eine Folge der globalen Erwärmung, dann können Schäden und Verluste weiter stark steigen.
Eine verlässliche Zuordnung extremer Wetterereignisse ist zudem für das öffentliche Verständnis des Klimawandels wichtig – und für die Bereitschaft der Menschen, Maßnahmen zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes zu unterstützen. Im Gegensatz zu weit in der Zukunft liegenden Konsequenzen wie dem langsamen Anstieg des Meeresspiegels sind die Folgen lokaler Extremwetterereignisse unmittelbar zu spüren und bleiben lebhaft in Erinnerung. Umfragen deuten darauf hin, dass Menschen, die das Gefühl haben, persönlich Auswirkungen des Klimawandels erlebt zu haben, eher davon überzeugt sind, dass es sich dabei um ein reales Problem handelt – und um eines, für das eine Lösung nötig ist – als bislang nicht betroffene Personen.
Einen Kurs kartieren
Mit diesen Imperativen im Kopf ist die ACE-Gruppe aufgebrochen, systematisch die Verbindung zwischen Klima und Wetter zu erforschen. Dazu füttern die Forscher Daten des UK Met Office und des US National Center for Atmospheric Research NCAR in Boulder im US-Bundesstaat Colorado in jahreszeitliche Wettervorhersagen und langfristige Klimamodelle.
Die Zuordnung ist jedoch keine einfache Aufgabe: Ein bestimmtes Wetterereignis wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Schon geringste kurzfristige Änderungen können es in eine völlig andere Richtung schicken. Das Klima unterliegt hingegen langfristigen Trends, die auf relativ einfachen physikalischen Parametern basieren: So kann eine wärmere Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen, weshalb mehr Stürme entstehen können, die von Feuchtigkeit und Wärme angetrieben werden. Natürliche Zyklen wie etwa El Niño produzieren allerdings vergleichbare Zusammenhänge.
Die ACE-Gruppe zielt daher darauf ab, Extremwetterereignisse "teilweise" der Klimaänderung zuzuordnen. Die Forscher versuchen also abzuschätzen, wie stark ein Ereignis einerseits vom anthropogenen Treibhauseffekt und andererseits von natürlichen Zyklen beeinflusst ist. Die beiden Untersuchungen, die vergangenen Februar in "Nature" erschienen, enthalten bahnbrechende Beispiele dafür, wie man so etwas macht. In einem davon haben der Atmosphärenforscher Pardeep Pall von der University of Oxford und sein Team mehrere tausend Wettersimulationen für den Herbst 2000 in England und Wales durchgespielt. Einige der Simulationen berücksichtigten die beobachten Mengen an von Menschen freigesetzten Treibhausgasen, andere nicht. Die Forscher fütterten die Ergebnisse der Simulationen dann in ein Modell der Niederschläge und des Oberflächenabflusses, um zu sehen, ob Überschwemmungen auftreten und wie groß sie ausfallen. In zehn Prozent der Berechnungen beeinflussten die Treibhausgasemissionen des letzten Jahrhunderts das Überschwemmungsrisiko nicht. Doch bei zwei Dritteln der Fälle erhöhten sie die Gefahr für katastrophale Überschwemmungen um über 90 Prozent.
Eine ähnliche Methode verwendete auch eine andere Gruppe von Wissenschaftlern, geleitet von Klimaforscher Seung-Ki Min von der Climate Research Division of Environment Canada in Toronto. Inspiriert von der Beobachtung, dass schwere Regenfälle auf der nördlichen Hemisphäre ab 1950 zugenommen haben, verglich die Gruppe aktuelle Niederschlagsdaten mit Simulationen von sechs verschiedenen Klimamodellen mit und ohne Treibhauseffekt. Das Schema der extremen Niederschläge, so zeigt die Arbeit, gleicht in keiner Weise dem, was allein auf Basis natürlicher Zyklen zu erwarten wäre. Aber es hat große Ähnlichkeit mit Niederschlagsmustern, wie sie auf Grund der globalen Erwärmung zu erwarten sind.
Manchmal können solche Zuordnungsstudien aber auch den Klimawandel entlasten. Im März veröffentlichten Randall Dole und seine Kollegen von der National Oceanic and Atmospheric Administration in Boulder eine Untersuchung, die zeigt, dass die russische Hitzewelle von 2010 wahrscheinlich eine Folge natürlicher Zyklen war.
Obwohl diese grundlegende Herangehensweise einleuchtend erscheint, ist die partielle Zuordnung doch nur so gut wie die Klimamodelle, die sie verwenden, betont Stott. "Wir müssen immer noch verstehen, welche Art von Wetterereignissen wir verlässlich zuordnen können – und für welche Ereignisse unsere Modelle noch nicht gut genug sind."
Im Allgemeinen, so der Forscher, gelingt dies bei Hitzewellen und anderen temperaturbezogenen Wetterlagen am einfachsten. Für niederschlagsabhängige Katastrophen wie Überschwemmungen und Dürren ist es dagegen wesentlich schwieriger, da die Modelle dann nicht nur die Regenmenge, sondern auch die Bodenbeschaffenheiten, die Landschaftsformen und das menschliche Management von Flüssen und Feuchtgebieten berücksichtigen müssen. Und manches lässt sich bislang gar nicht mit dem Klima verknüpfen. Die Häufigkeit von Tornados etwa hängt vom Gleichgewicht zwischen der Konvektion feuchter Luft, die ihre Entstehung begünstigt, und Scherwinden ab – Letztere können Tornados unterdrücken. Bislang können die Wissenschaftler jedoch nicht mit Sicherheit sagen, wie der Klimawandel diese Balance beeinflusst.
Ein weiteres Problem ist die begrenzte räumliche Auflösung der Klimamodelle. Gegenwärtig sind sie viel zu grob, um beispielsweise kleinräumige Konvektion wiederzugeben. Dabei handelt es sich um ein häufiges Phänomen, bei dem warme, feuchte Luft vom Erdboden aufsteigt und eine isolierte Gewitterwolke bildet. Diese Konvektion ist in Gebirgsregionen wie den Anden oder dem Himalaja besonders ausgeprägt – und dort noch schwieriger zu modellieren.
Auf Grund derartiger Mängel der Modelle bleiben viele Klimaforscher bezüglich der Zuordnungen daher noch skeptisch. Als "wissenschaftlich unseriös" bewertet Judith Curry, Klimatologin am Georgia Institute of Technology in Atlanta, die Untersuchungen. Selbst Konvertiten wie Schmidt sind vorsichtig. "Es gibt eine Menge Spielraum, um die Sache besser zu machen", so der Forscher.
Hinter dem Horizont
Die ACE-Gruppe plant, diese Schwächen nun in ihrem Weißbuch zu behandeln. Als ersten Schritt schlägt die Gruppe vor, dass die führenden Forschungszentren, wie etwa das NCAR und das Met Office, Abschätzungen zur teilweisen Zuordnung auffallender Wetterextreme der vergangenen 50 Jahre vornehmen. Dabei sollte eine große Zahl von gekoppelten Klimamodellen und alle verfügbaren Wetterdaten verwendet werden. Die aus diesen retrospektiven Untersuchungen gelernten Lektionen könnten Wissenschaftler dann in die Lage versetzen, routinemäßig eine Zuordnung des aktuellen Wettergeschehens vorzunehmen. Auch klimabasierte Vorhersagen extremer Wetterereignisse wären möglich.
Noch ist nicht klar, was die Umsetzung dieses Plans kosten oder wer dafür bezahlen soll. Kevin Trenberth, Klimaforscher der NCAR, schätzt, dass einige wenige Millionen Dollar ausreichen, um einen internationalen Service zu koordinieren, wenn bestehende Einrichtungen an seinem Institut, dem Met Office und anderswo genutzt würden. Geht man jedoch über ein solches Basisprogramm hinaus, indem man beispielsweise ein unabhängiges Zuordnungszentrum schafft, das monatliche, jahreszeitliche und jährliche Vorhersagekapazitäten besitzt, dann wäre es weitaus teurer.
Da die Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks ihre Budgets stark zusammenstreichen, sind die Aussichten, dass ein solches Programm tatsächlich zustande kommt, eher gering, gibt Trenberth zu. Doch weder das Wetter noch das Klima interessieren sich dafür, was die Politiker machen. Und wenn Ereignisse wie der Hurrikan "Irene" vermehrt die Wähler der Politiker treffen, dann könnte sich eines Tages ein derartiges Zentrum vielleicht doch als gute Investition erweisen.
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