Pariser Klimavertrag: Nahrungsmittelproduktion allein könnte Klimaziele zunichtemachen
Um nicht mehr als 1,5 Grad Celsius – beziehungsweise um deutlich weniger als 2 Grad – soll sich der Erde im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten maximal erwärmen, um die Folgen des Klimawandels für die Menschheit in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Das legt das Pariser Klimaabkommen fest, auf das sich die Weltgemeinschaft 2015 einigte und aus dem die USA zuletzt am 4. November 2020 wieder ausgetreten waren. Doch ob mit oder ohne Amerika: Das 1,5-Grad-Ziel ist ambitioniert. Im Vorbeigehen ist es nicht zu erreichen. Das verdeutlicht nun auch eine Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Michael Clark von der University of Oxford: Selbst wenn es gelänge, alle anderen menschengemachten Emissionen komplett zu vermeiden, würden allein die Treibhausgase, die bei der Produktion von Nahrungsmitteln entstehen, ausreichen, um das 1,5-Grad-Ziel in naher Zukunft zu verfehlen. Das rechnet das Team im Fachmagazin »Science« vor.
Fast ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen gehen auf die Nahrungsmittelproduktion zurück. Besonders viele Treibhausgase entstehen beispielsweise, wenn Wälder für Acker- und Weideflächen gerodet werden, sowie bei der Produktion und beim Einsatz von Düngemitteln. Aber auch der Transport von Lebensmitteln, für den jede Menge fossile Brennstoffe verbrannt werden müssen, leistet einen großen Beitrag. Zwischen 2012 und 2017 wurden im Zuge der Nahrungsmittelproduktion jährlich rund 16 Milliarden Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente ausgestoßen. Ebenso entstehen Methan und Lachgas in enormen Mengen durch die Viehhaltung und den Einsatz von Düngemitteln.
Für ihre Studie rechneten die Forscher hoch, wie sich diese Emissionen in den kommenden Jahrzehnten entwickeln werden, wenn man das Wachstum der Weltbevölkerung, die Entwicklung der Ernteerträge, veränderte Landnutzung, Verluste durch Lebensmittelverschwendung und Veränderungen in den Lebensgewohnheiten der Menschen mit einbezieht. Bleibt alles, wie es ist, dann betragen allein die kumulativen Kohlendioxidemissionen durch die Nahrungsmittelproduktion von 2020 bis 2100 voraussichtlich 1356 Gigatonnen – genug, um bereits zwischen 2051 und 2063 das Limit zu überschreiten, unter dem der Ausstoß bleiben müsste, um das 1,5-Grad-Ziel wahrscheinlich zu realisieren.
Clark und sein Team untersuchten außerdem fünf Strategien, mit denen sich der Treibhausgasausstoß verringern lässt. Am meisten ließe sich dabei einsparen, wenn alle Menschen auf eine pflanzenbasierte Ernährung umsteigen und nur moderat tierische Lebensmittel wie Milch oder Fleisch konsumieren würden. Aber auch eine effizientere Produktion durch eine veränderte Bewirtschaftung von Acker- und Weideflächen und der bedarfsgerechtere Einsatz von Düngemitteln und Futterzusätzen bei Nutztieren könnten sich auszahlen. In Kombination mit den anderen drei Maßnahmen, zu denen die Halbierung von Lebensmittelabfällen, die Anpassung der täglichen Kalorienaufnahme an das, was gesundheitlich empfehlenswert ist, sowie die Ertragssteigerung unter anderem mit Hilfe von Gentechnik zählen, ließe sich so eine fast klimaneutrale Nahrungsmittelproduktion erreichen, schreiben die Autoren.
»Die Studie verwendet solide Daten und liefert plausible Ergebnisse«, sagte Matin Qaim, Professor für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen, gegenüber dem Science Media Center (SMC). »Sehr deutlich wird auch, dass einzelne Maßnahmen – wie zum Beispiel weniger Fleisch zu essen oder Lebensmittelverschwendung zu reduzieren – zwar wichtig sind, aber allein nicht ausreichen.
Nur durch gleichzeitige Veränderungen sowohl im Konsum wie in der Produktion können die Klimaziele erreicht werden. Die EU-Agrarpolitik bietet leider nicht die richtigen Antworten auf die großen globalen Herausforderungen. Die Autoren der Studie behalten einen gewissen Optimismus, den ich prinzipiell wichtig finde. Denn Pessimismus auszustrahlen, hieße auch ein Stück weit Resignation. Aber es muss schon klar sein, dass die Klimaziele nicht ohne gravierende politische und gesellschaftliche Transformationen erreichbar sind.«
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