Klimawandel: Ozeanen droht Massenaussterben
Der Klimawandel ist längst in den Ozeanen angekommen: Auch wenn die Erwärmung langsamer als an Land voranschreitet, so heizt sich das Wasser doch ebenfalls allmählich auf, und wärmetolerante Arten breiten sich auf Kosten Kälte liebender Meeresbewohner aus, die in Richtung der Polargebiete oder in tieferes Wasser abwandern. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahrzehnten noch verschärfen und könnte im Extremfall zu einem gravierenden Massenaussterben in den Ozeanen führen, legt ein Modell nahe, das Justin Penn und Curtis Deutsch von der Washington University in Seattle in »Science« vorstellen.
Für die Arten wird dabei nicht nur die reine Erwärmung sowie die zunehmende Versauerung durch aufgenommenes Kohlendioxid zum Problem, sondern auch der mit der Aufheizung verbundene Sauerstoffmangel. Bereits heute verfügen die Meere über etwa zwei Prozent weniger Sauerstoff als vor einem halben Jahrhundert, da dessen Löslichkeit mit steigenden Temperaturen abnimmt. Deutsch und Penn haben deshalb simuliert, wann Arten aussterben könnten, weil sie keinen geeigneten Lebensraum mehr finden – etwa wenn der Sauerstoffgehalt unter bestimmte kritische Schwellenwerte sinkt.
Ihr Modell kalibrierten sie mit Daten vergangener Massenaussterben wie etwa am Ende des Perms. Damals vor 250 Millionen Jahren starben bis zu 96 Prozent aller Meeresorganismen aus, als der marine Kohlenstoffkreislauf außer Takt geriet. Unberücksichtigt blieben dagegen weitere negative Einflussfaktoren wie Überfischung, zerstörte Riffe durch Korallenbleichen oder Umweltverschmutzung. Letztere könnte den Sauerstoffmangel durch regelmäßige Algenblüten sogar noch verstärken.
Schon bei zwei Grad Celsius Erwärmung verschwinden laut dem Modell mindestens vier Prozent aller Arten allein durch den Sauerstoffmangel. Unter extremeren Szenarien wie sechs Grad Celsius verliert die Erde mehr als ein Zehntel der Meerestiere, wobei sich der Verlust mit zunehmender Aufheizung beschleunigt. Pessimistische Prognosen zum Klimawandel gehen momentan von bis zu rund fünf Grad Celsius Aufheizung bis 2100 aus.
Ein Unsicherheitsfaktor in ihrer Modellierung ist nach Angaben der beiden Wissenschaftler, wie rasch sich die Arten anpassen können. Gelingt ihnen beispielsweise die Abwanderung in kühlere Habitate schneller als in dem angenommenen Medianbereich, bleibt die Aussterberate kleiner. Allerdings gibt es bedeutende regionale Unterschiede. Stärker betroffen sein werden die höheren Breiten, während tropische Arten eher überleben können, da sie mit wärmeren Bedingungen besser zurechtkommen. Für Kältespezialisten ist irgendwann jedoch eine globale Grenze erreicht.
Schlechte Nachrichten bedeutet das vor allem für heute noch sehr produktive Ökosysteme, die sich durch hohen Sauerstoffreichtum auszeichnen. Die Menschheit gewinnt fast ein Fünftel ihrer Proteine aus diesen Regionen. »Die Dimension des Aussterbens, die wir berechnet haben, hängt stark von unserem zukünftigen Kohlendioxidausstoß ab«, sagt Deutsch. Begrenzen wir die Erwärmung auf maximal zwei Grad Celsius, verringert dies das Ausmaß des Aussterbens um mehr als 70 Prozent. »Schnelle Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen sind entscheidend, um ein Massenaussterben im Ozean zu verhindern.«
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