Mutualismus: Kloförmige Kannenpflanze goutiert Kot
In den Bergen Borneos wachsen zahlreiche Fleisch fressende Pflanzen, die wegen der Nährstoffarmut vor Ort auf die im Pflanzenreich eher unübliche tierische Kost ausweichen mussten. Nun haben Botaniker um Charles Clarke von der Monash University und Ulrike Bauer von der Cambridge University aber herausgefunden, dass eine der weltweit größten unter ihnen – die Kannenpflanze Nepenthes rajah – nicht lebende Tiere fängt und verdaut, sondern deren Kot bevorzugt [1]. Um ihn aufzufangen, hat sie entsprechend große Kannen entwickelt [2].
Wegen der Größe der Kannen hatten einzelne Experten vermutet, dass die Art sich nicht nur auf große Insekten beschränkt, sondern womöglich sogar ausgewachsene Spitzhörnchen und Nagetiere fängt und verzehrt. Immerhin wurden bereits einzelne Säuger auf dem Kannenrand sitzend beobachtet, die von nektarartigen Ausscheidungen des Kannendeckels angelockt worden waren. Doch bislang sprach außer Anekdoten wenig Greifbares für die These: Clarke konnte in den mehr als 20 Jahren, die er die Pflanze bereits erforscht, niemals einen handfesten Beweis in Form toter Säuger oder Skelette aus den Kannen ziehen.
Stattdessen beobachteten er und seine Kollegen, dass die Spitzhörnchen bisweilen ihren Kot in den Kannen hinterlassen – und das brachte sie auf die Idee: Könnten die Kannen tatsächlich so aufgebaut sein, dass sie wie eine natürliche Kloschüssel fungieren? Ein Verdacht, den die Vermessung der Pflanzengeometrie dann auch bestätigte. Der Durchmesser ausgewachsener Kannen ist genau so groß, dass die Säuger darauf sitzen können, wenn sie den Nektar vom Deckel abschlecken. Dabei defäkieren die Tiere häufig, um ihr Revier zu markieren – und verschaffen damit der Pflanze dringend benötigte Nährelemente wie Stickstoff.
Womöglich leben auch andere Kannenpflanzen in einer solcherart mutualistischen Beziehung: Besuche von Spitzhörnchen und Nagern sind auch von weiteren Arten bekannt. Eventuell ermöglicht dies den Gewächsen das Überleben im Hochgebirge, wo Insekten und andere Arthropoden wegen der kühlen Bedingungen rar sind. Im Tieflandregenwald von Borneo wurde aber auch mehrfach festgestellt, dass Fledermäuse in den Gefäßen von Nepenthes schlafen – auch dabei fällt häufig Kot als Nahrungsquelle ab. Unsere Sichtweise der gemeinhin als Fleisch fressend geltenden Kannenpflanzen könnte sich im Angesicht dieser Erkenntnisse nun wohl radikal ändern, meint Clarke abschließend. (dl)
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