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Knochenproben : Syphilis-ähnliche Krankheit bereits vor Kolumbus in Amerika

In 2000 Jahre alten Knochen aus Brasilien haben Forscher das Erbgut eines Syphilis-ähnlichen Erregers gefunden. Das stellt bisherige Theorien zur Verbreitung der Syphilis in Frage.
Eines der untersuchten Skelette von der Fundstelle in Jubuicabeira II in Brasilien
Eines der untersuchten Skelette von der Fundstelle in Jubuicabeira II in Brasilien

Bereits lange vor der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus sind dort »Menschen an Syphilis-ähnlichen Erkrankungen – so genannten Treponematosen – gestorben. Forschende hatten prähistorische Knochen aus Brasilien daraufhin untersucht. Die neuen Erkenntnisse werfen Fragen zu bisherigen Theorien über die Verbreitung von Syphilis durch die spanischen Eroberer auf.

Die Knochen stammten von Menschen, die vor rund 2000 Jahren an der Küstenregion Santa Catarina in Brasilien verstorben sind. Sie wiesen pathologische Veränderungen auf, die auf eine Syphilis-ähnliche Erkrankung hindeuteten, die wahrscheinlich zum Tod führte. Mit Hilfe feiner Bohrwerkzeuge extrahierte das Team um die Anthropologin Verena Schünemann von der Universität Basel Knochenproben und isolierte daraus die DNA von Treponema pallidum endemicum, dem Erreger der endemischen Syphilis (Bejel). Treponematosen sind eine Gruppe von Infektionskrankheiten, zu denen auch die sexuell übertragene Syphilis gehört. Während die Geschlechtskrankheit ein weltweites Gesundheitsrisiko darstellt, kommt die über Hautkontakt übertragene endemische Syphilis nur noch in sehr trockenen Gebieten Afrikas und Asiens vor.

Schon lange herrscht eine Debatte über den Ursprung der sexuell übertragbaren Syphilis. Zunächst gab es die These, dass Christoph Kolumbus und seine Mitfahrer die Krankheit 1493 aus Amerika nach Europa einschleppten, da sie sich ab Ende des 15. Jahrhunderts insbesondere in Hafenstädten Europas rasant ausbreitete. »Da wir in Südamerika keine sexuell übertragene Syphilis gefunden haben, erscheint die Theorie, dass Kolumbus Syphilis nach Europa gebracht hat, immer unwahrscheinlicher«, sagt Verena Schünemann. Vielmehr deuten frühere Funde ihrer Gruppe in Finnland und Polen darauf hin, dass es in Europa bereits zuvor Formen von Treponematosen gab. Der jetzige Nachweis legt nun nahe, dass die endemische Syphilis bereits vor zumindest 2000 Jahren in feuchten Zonen Brasiliens existierte. Menschen haben sich dort also sehr wahrscheinlich schon mehr als 1000 Jahre vor der Ankunft von Kolumbus über Hautkontakt mit dem Erreger angesteckt.

Und noch eine Entdeckung machte das internationale Forschungsteam: Viele Bakterienarten tauschen evolutionär nützliche Eigenschaften über den so genannten horizontalen Gentransfer oder Rekombination aus. Der Vergleich der prähistorischen DNA in den Knochen aus Brasilien mit heutigen Krankheitserregern zeigte, dass solche Rekombinationsereignisse stattgefunden haben. »Wir können zwar nicht genau sagen, wann dieser Austausch stattgefunden hat, aber er ist wahrscheinlich der treibende Mechanismus für die Entstehung der heutigen Unterarten der Erregerfamilie«, sagt Marta Pla-Díaz von der Universität Basel.

Der DNA-Vergleich erlaubte es auch, den Zeitpunkt der Entstehung der Treponema-pallidum-Familie zu datieren. Die Untersuchungen zeigen, dass diese Erreger im Zeitraum zwischen 12 000 und 550 v. Chr. entstanden sein müssen. Die Entstehungsgeschichte dieser Erreger reicht damit sehr viel weiter zurück als bisher angenommen.

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