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Biologisches Wettrüsten : Knoten in RNA macht Viren gefährlicher

Zellen schützen sich gegen Viren, indem sie das zerbrechliche Erbgut der Erreger unter Beschuss nehmen. Einige Viren antworten mit einer bisher unbekannten Gegenmaßnahme: Sie verknoten ihre RNA und machen sie fast unzerstörbar.
Nukleinsäure

Viren wappnen sich gegen sie gerichtete Attacken mit verschiedenen Abwehrmaßnahmen: Sie verstecken sich vor dem Immunsystem, indem sie sich ruhig verhalten oder tarnen, und kennen Mittel und Wege, sich gegen Bakterienwaffen wie die Genschere CRISPR-Cas zu verteidigen. Im Lauf des Evolutionsrüstungswettlaufs »Virus gegen alle« haben Viren zudem Schwachstellen im eigenen Design schwerer angreifbar gemacht. Zum Beispiel ihr Erbgutmolekül: Bei Zika-Viren enthält es eigens geknüpfte ungewöhnliche Knoten, die den Abbau durch feindliche Enzyme bremsen.

Diesen Trick beschreiben Meng Zhao und Michael Woodside von der University of Alberta im Fachmagazin »Nature Chemical Biology«. Sie hatten Viren mit RNA als Erbgutspeicher untersucht, die sich auf unbekannte Weise besonders gut gegen RNA abbauende Enzyme schützen können. Solche Erreger verfügen über so genannte virale exoribonukleaseresistente RNA oder xrRNA, die dafür sorgt, dass die Viren trotz der Enzyme, die das RNA-Erbgutmolekül abbauen, ihre Zielzellen infizieren können. Die Infektiosität und Pathogenität solcher xrRNA produzierenden Erreger – zu denen etwa das Zika-Virus zählt – ist daher höher als bei ähnlichen Virentypen.

Die xrRNAs sind gerade erst beschrieben worden und noch wenig untersucht. Es wurde vermutet, dass die auffälligen Knoten im Molekül die Ribonuklease-Abbauenzyme lange beschäftigen, indem sie dafür sorgen, dass das Erbgutmolekül sich nicht einfach aus der Knäuelstruktur auffalten lässt – was den ersten Schritt vor dem Abbau der RNA darstellt. Allerdings war das nur eine Theorie, und unklar war, wie die Knoten sich bilden, warum die Ribonukleasen sie nicht aufbekommen und ob sie dem Aufdröseln überhaupt eine mechanische Wirkung entgegensetzen.

Zhao und Woodside haben daher die Struktur der ungewöhnlichen RNA-Moleküle nun experimentell untersucht. Dazu fixierten sie die Enden von xrRNA aus Zika-Viren mit optischen Pinzetten und maßen, welche Kraft zum Lösen der Knötchen zusätzlich nötig wird. Die Knoten stellten sich als sehr fest heraus, sie erschweren das Auffalten durch Ribonukleasen eindeutig: xrRNAs des Zika-Virus sind tatsächlich sogar die mechanisch stabilsten RNA-Moleküle, an denen man bisher im Labor überhaupt herumgezupft hat.

Schließlich haben die Forscher herauszufinden versucht, wie die Knoten in die RNA-Moleküle hineinkommen. Der Prozess läuft streng kontrolliert ab: Es bildet sich zunächst immer eine helixartige Schleife aus drei übereinandergelegten RNA-Strängen, um die dann ein weiter Ring gelegt wird, wodurch ein Pseudoknoten entsteht. Dort hinein fädelt sich dann der RNA-Faden, stets mit dem Fünfer-Ende zuerst. Dieses komplexe Knüpfschema muss vollständig absolviert werden, damit die RNA am Ende stabil und ribonuklaeseresistent wird, wie die Versuche der Forscher zeigen. Offenbar sorgt nur dies dafür, dass das Konstrukt höchstens durch starke mechanische Gewalt wieder gelöst werden kann, vermutlich weil Reibungs- und Abstoßungskräfte der RNA-Moleküle und ihrer Bestandteile das Entknüpfen behindern. Der Pseudoknoten ist zudem wohl so eng, dass die Ribonuklease-Scheren schon aus Platzmangel nicht durch ihn hindurch oder an ihm vorbei an das Erbgutmaterial gelangen können. Topologisch handelt es sich um einen Pseudo-, keinen echten, festgezurrten Knoten. Andere Enzyme können das Erbgut noch bearbeiten – so etwa Polymerasen, die zum Vervielfältigen und Ablesen von Informationen nötig sind.

Allerdings bilden Zika-Viren nicht immer die gegen Abbau stabilste Form der RNA: Ob und welche Pseudoknoten in der RNA entstehen, hängt offenbar von den Umständen ab und ändert sich mit dem Faltprozess, der die räumliche Struktur einer entstehenden RNA beeinflusst. Deswegen können Zika-Viren und generell Flaviviren ihr Erbgut wohl in unterschiedlichen stabilen Formen bauen, die möglicherweise unterschiedliche Funktionen im Infektionsprozess besser oder schlechter unterstützen. Vielleicht kann das neue Wissen um die Strukturen der xrRNA auch bei der Bekämpfung der Viren helfen, hoffen die Forscher: Womöglich lässt sich herausfinden und steuern, wann die Viren auf weniger stabile RNA setzen, wodurch Mediziner den Viren dann ihren Vorteil nehmen könnten.

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