Tierphysiologie: Koboldmakis sind ultraschrille Kommunikatoren
Die allermeisten Säugetiere können Ultraschalltöne nicht hören oder gar selbst ausstoßen – zu den Ausnahmen zählen Wale, Hauskatzen, einige Fledermäuse und Nagetiere. Einen bislang unterschätzen Meister der Ultraschallkommunikation präsentieren nun aber Nathaniel Dominy vom Dartmouth College in Newhaven und seine Kollegen: Koboldmakis, die kleinen, nachtaktiven Halbaffen Südostasiens, erzeugen und hören rekordverdächtige ultraschrille Töne.
Tatsächlich reicht das Hörvermögen der Tiere bis hinauf zu Tonhöhen von rund 91 Kilohertz, ermittelten die Forscher mit Hilfe von Ableitungen am Hörsensorium der Tiere, denen sie definierte Töne über einen Lautsprecher vorgespielt hatten. Dies übertrifft zum Beispiel das Hörvermögen des Menschen deutlich, der im Ultraschall über 20 Kilohertz nichts mehr wahrnimmt. Aufnahmen der Rufe von Tarsius syrichta, dem Philippinischen Koboldmaki, in freier Wildbahn belegten zudem, dass die Primaten hochfrequente Töne von mindestens 70 Kilohertz auch selbst ausstoßen und offenbar zur Kommunikation einsetzen.
Derart schrill schreien zu können, hat unbestreitbare Vorteile, meinen die Wissenschaftler: So dürfte kein Feind die private Ultraschallunterhaltung der Koboldmakis belauschen können. Zudem heben sich die Töne deutlich von dem üblichen niedrigfrequenten Soundteppich ab, der im Lebensraum der Tiere vorherrscht, und stechen so womöglich deutlich hervor. Dass sich hochfrequente Töne nicht so weit ausbreiten wie niedrige Frequenzen gleicher Energie, sei dagegen wohl vernachlässigbar.
Weil die im Lebensraum der Koboldmakis aufgezeichneten hochfrequenten Schreie vor allem in Gegenwart von Menschen ausgestoßen wurden, dürfte es sich bei ihnen um Warnrufe handeln, spekulieren Dominy und Kollegen. Womöglich sei aber nicht nur die Fähigkeit der Lautäußerung im Ultraschall nützlich, sondern vor allem das überragende Hörvermögen in diesem Bereich für den Nahrungserwerb der Tiere von unschätzbarem Wert: Koboldmakis ernähren sich räuberisch – gerne von Motten und Laubheuschrecken, die auch Ultraschalltöne von sich geben und dadurch geortet werden können. Die Makis könnten auf ihre eigentümlichen auditorischen Fähigkeiten besonders angewiesen sein, weil sie im Dunkeln schlechter als vergleichbare Halbaffen sehen: Zwar haben sie leistungsfähige, große Augen, als Vertreter der Trockennasenaffen fehlt ihnen aber zum Beispiel das so genannte Tapetum lucidum, eine reflektierende Schicht, die die Nachtsicht anderer Halbaffen verbessert.
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