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Seuchenzug: Kommt das Zika-Virus nach Europa?

Ob das Zika-Virus auch in Südeuropa Fuß fasst, hängt von der Asiatischen Tigermücke ab - sie ist hier zu Lande bislang der wichtigste potenzielle Überträger.
Europa unter der Lupe mit Fadenkreuz

Für das Zika-Virus ist Europa derzeit Endstation. Alle Infektionen seit dem ersten Import aus Thailand nach Deutschland im November 2013 erwiesen sich für den Erreger bisher als Sackgasse. Ob das in Zukunft so bleibt, hängt ganz entscheidend davon ab, ob es in Europa einen geeigneten Überträger gibt. Denn der aktuelle Fall wird nicht der letzte bleiben – vier von fünf Infizierten, schätzen Fachleute, bekommen ihre Erkrankung gar nicht mit. So wird das Virus immer wieder nach Europa gelangen und könnte theoretisch über geeignete Moskitos eine Ansteckungskette in Gang setzen.

Doch Zikas wichtigster Vektor, die Gelbfiebermücke, kommt auf dem europäischen Festland nicht vor. Stattdessen verbreitet sich von Italien aus eine verwandte Art entlang der Mittelmeerküsten: Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus). Ob A. albopictus den Erreger überträgt, ist eine der wichtigsten ungeklärten Fragen über die Zika-Epidemie: Es hätte drastische Auswirkungen auf die potenzielle Reichweite des Erregers, denn die Tigermücke gehört zu den bedeutendsten invasiven Arten des Planeten.

Zika: Von null auf Pandemie?

In Europa hat sich die Tigermücke in den letzten Jahren dramatisch ausgebreitet und taucht laut ECDC an der Mittelmeerküste sowie vereinzelt auch weiter im Norden auf. Am stärksten ist Italien betroffen, dort nahm ihr Vormarsch am Anfang der 1990er Jahre seinen Ausgang. Der Chikungunya-Ausbruch dort zeigt, dass man die Tigermücke als Vektor ernst nehmen muss. Wiederholt sich auch in Europa das Muster in der Karibik? Dann müssen wir damit rechnen, dass Zika in ein paar Jahren ebenfalls hier auftaucht – als weitere Eskalationsstufe eines bemerkenswerten Eroberungszugs.

Verbreitung von Aedes albopictus in Europa | Die Asiatische Tigermücke überträgt eine Reihe für Menschen und Tiere gefährliche Viren.

Eigentlich ist eine Zika-Infektion für gesunde Menschen kaum erwähnenswert: Nur etwa ein Fünftel der Infizierten wird überhaupt krank, und die Erkrankung verläuft mild. Allerdings zeigt sich während der aktuellen Epidemie ein auffälliges und Besorgnis erregendes Muster: Der Geburtsfehler Mikrozephalie und andere neurologische Spätfolgen sind in den betroffenen Regionen um ein Vielfaches angestiegen. Viel spricht für einen Zusammenhang.

Entsprechend warnt das US-amerikanische Center for Disease Control and Prevention schwangere Frauen inzwischen vor Reisen in Gebiete, in denen das Zika-Virus kursiert und entsprechend Ansteckungsgefahr besteht. Diese Liste allerdings wird derzeit fast wöchentlich verlängert.

Vor wenigen Jahren noch war das Zika-Virus nur Experten ein Begriff. Der Erreger ist, verglichen mit anderen durch Mücken übertragene Krankheiten wie Malaria oder Dengue, ein kleines Licht. In den 1940er Jahren erstmals entdeckt, ist Zika in einem schmalen Streifen um den Äquator in Zentral- und Westafrika sowie Südostasien heimisch und verursachte bei Menschen – abgesehen von einem Cluster mit sieben Erkrankungen 1981 in einem indonesischen Krankenhaus – lediglich vereinzelte Erkrankungen.

Bis 2007 jedenfalls: In jenem Jahr erkrankten auf der Insel Yap mehrere Dutzend Menschen. Seitdem verursachte der Erreger immer wieder Ausbrüche. Er wanderte dabei vom östlichen Ende seines Verbreitungsgebiets einmal um die Erdkugel, bis er jüngst auf den Kapverdischen Inseln im Westen seiner Heimat wieder ankam  – in nur acht Jahren einmal um die Welt. Was den neuen Expansionsdrang des Erregers ausgelöst hat, ist bisher ungeklärt. Nun rätselt nicht nur die Fachwelt, wie weit das Virus vordringt.

Fachleute sehen mehrere potenzielle Erklärungen, weshalb Zika gerade jetzt so explosiv auftritt. "Möglicherweise trat das Zika-Virus in den seit 2007 betroffenen Regionen sehr lange nicht auf – oder sogar noch nie –, so dass es keine Immunität in der Bevölkerung gab", erklärt zum Beispiel Christina Frank, Epidemiologin beim Robert Koch-Institut in Berlin. "Allerdings wissen wir das nicht genau, weil wir über Zika aus vielen Ländern keine serologischen Daten haben."

Was macht das Virus so erfolgreich?

Ein mögliches Indiz für diese Hypothese liefern andere, ebenfalls durch Moskitos übertragene Krankheiten wie Dengue und das Chikungunya-Fieber, die sich zum Teil ähnlich verhalten. Letzteres verursachte, genau wie Zika heute, ab Ende 2013 heftige Ausbrüche im karibischen Raum, erklärt Frank. Bei Dengue sei die Lage etwas anders, aber es gebe ebenfalls Parallelen: "Dengue selbst ist schon sehr lange dort verbreitet, aber es gibt verschiedene Serotypen, und wenn ein neuer Dengue-Serotyp in die Region kam, verursachte er ebenfalls Epidemien."

Eine andere Option ist, dass sich der Erreger verändert hat und jetzt Menschen oder Moskitos effektiver befällt. Auch darauf gibt es erste Hinweise aus der genetischen Analyse des aktuell in Südamerika umgehenden Virustyps: Demnach habe sich der genetische Kode des Virus so verändert, dass er in menschlichen Zellen einfacher und schneller ausgelesen wird – was nach Ansicht der beteiligten Fachleute einen deutlichen Selektionsvorteil bietet.

Aedes aegypti

Vermutlich wird sich Zika weiter ausbreiten, und die nächste Station auf seinem Weg nach Osten ist Europas Mittelmeerküste. Der Chikungunya-Erreger schaffte es mit Hilfe der Tigermücke bereits 2007 auf das europäische Festland und verursachte in Norditalien einen Krankheitsausbruch mit über 200 Erkrankten. Einzelne Untersuchungen deuten tatsächlich darauf hin, dass die Tigermücke auch das Zika-Virus weitergeben kann. Die Frage sei allerdings noch ungeklärt, schränkt Christina Frank ein: "Auf einzelne Studien, die das nahelegen, kann man noch nicht viel Gewicht legen, unter anderem weil das Klima einen großen Unterschied macht." Die Mücken auf unserem Kontinent bildeten eine eigene, an gemäßigte Temperaturen angepasste Population, die sich von tropischen Varianten unterscheide. "Was unter tropischen Bedingungen passiert, gilt nicht automatisch auch in Europa."

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