Trockene Böden: Kommt der nächste Dürresommer?
Da ist sie wieder, die Dürre. Seit Wochen hat es kaum geregnet, viele Böden sind knochentrocken – und am Dienstag fegte sogar ein kleiner Sandsturm über Nord- und Ostdeutschland. Dazu brennen wieder Wälder, vor allem in Brandenburg, aber auch in Niedersachsen, Thüringen, Franken und Hessen wurden tausende Quadratmeter Wald vernichtet. Im ganzen Land herrscht hohe Waldbrandgefahr, im Osten wurde verbreitet die höchste Warnstufe 5 ausgerufen. Und das sommerlich trockene Wetter bleibt noch bis mindestens Freitag erhalten.
Am Dienstag hat sich der Deutsche Wetterdienst (DWD) besorgt zu Wort gemeldet. »Hält die Trockenheit an, droht der nächste Dürresommer in Deutschland«, schreibt der DWD in einer Pressemitteilung. Zum Start der Vegetationsperiode sei es in vielen Regionen Deutschlands viel trockener als im langjährigen Durchschnitt, teilt Agrarmeteorologe Udo Busch mit. Die Situation sei noch ernster als im Dürrejahr 2018. Der Grund: Die Böden sind derzeit deutlich trockener als zum gleichen Zeitraum vor einem Jahr. Fällt in den kommenden Wochen und Monaten nicht genügend Regen, rechnen die Experten sogar mit einer noch schlimmeren Dürre als im Jahr 2018.
Nun weiß bislang kein Mensch, wie der kommende Sommer wird, nicht einmal die Experten beim Wetterdienst. Aber allein die Tatsache, dass der sonst so besonnene Wetterdienst zu diesem frühen Zeitpunkt eine solche Pressemitteilung herausgibt, zeigt, dass die Lage ernst ist. Allerdings warnt er keinesfalls vor einem neuen Dürresommer, er teilt nur mit, dass Deutschland auf einen neuerlichen zusteuert, falls die Trockenheit anhält.
Die aktuellen Wetterdaten sprechen jedenfalls eine eindeutige Sprache: Im gesamten Osten ist es viel zu trocken. Rund um Berlin hat es im April bislang noch fast gar nicht geregnet, in Neuruppin kamen nur 0,4 Liter pro Quadratmeter zusammen. Dazu schien die Sonne bereits jetzt um ein Drittel länger als im April üblich. Ähnlich trocken ist es in Franken: In Hof summierten sich die Regenmengen auf 0,6 Liter pro Quadratmeter, und auch in Würzburg (3,9 Liter) und Nürnberg (4,5 Liter) kam fast nichts vom Himmel.
Schaut man sich die Regenmengen des bisherigen Jahres an, muss man sich fragen, ob die Dürre von 2018 überhaupt endete. Zumindest im Osten herrscht ein großes Regendefizit. »Örtlich sind in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen nur 70 Liter Regen gefallen«, sagt Agrarmeteorologe Andreas Brömser vom DWD. Und auch für das gesamte Winterhalbjahr von Oktober bis März sieht die Bilanz nicht besser aus: »Die Wasserspeicher konnten nicht wieder aufgefüllt werden«, sagt er. Die Reserven sind aufgebraucht.
Obst und Wein in Gefahr
Dabei ist Dürre nicht gleich Dürre. Für Meteorologen reicht es, die Regenmengen eines Zeitraums zu messen und mit langjährigen Durchschnittswerten zu vergleichen. Fällt längere Zeit weniger Regen als im Schnitt, herrscht Dürre. Landwirte und Bodenkundler hingegen definieren Dürre über die Bodenfeuchte. Ihnen ist wichtig, wie viel des gefallenen Regens auch in den Boden sickert und nicht von Bächen und Flüssen weggeschwemmt wird. Tiefe Bodenschichten reagieren dabei auf Regenfälle deutlich langsamer als die Krume. Es dauert dort oft Monate, bis sich eine Regenperiode bemerkbar macht. Sie reagieren so träge, dass Klimaforscher des Deutschen Wetterdienstes vom kommenden Jahr an Langfristprognosen ermöglichen wollen. Sie möchten an der Bodenfeuchte ablesen, wie trocken oder nass es in ein paar Wochen oder Monaten wird.
Für das aktuelle Jahr kommt die Vorhersage zwar zu spät, teilt Pressesprecher Andreas Friedrich mit. Doch man muss nur in die Vergangenheit blicken, um die verzwickte Lage zu begreifen. Das Problem des Jahres 2019 ist das Jahr 2018: Die Startbedingungen waren schlecht, denn die Wasserspeicher im Unterboden sind wegen der Dürre im Jahr zuvor ziemlich leer. Agrarmeteorologe Andreas Brömser beschreibt die derzeitige Lage im Boden mit einem Sandwich. Oben und unten ist die Erde sehr trocken – und nur dazwischen feucht, weil der März ziemlich nass ausfiel. »Wenn es weiterhin trocken bleibt, drohen Schäden bei Tiefwurzlern«, sagt Brömser. Obstbäume und Reben bekämen dann Probleme, eine ähnliche Dürre wie im vergangenen Jahr würden viele Pflanzen nicht überleben.
Ob die Dürre mit dem Klimawandel zusammenhängt, lässt sich nicht so einfach beantworten. Fakt ist, dass sich der April so stark verändert hat wie kein anderer Monat im Jahr: Statt launisch kühl präsentiert er sich seit geraumer Zeit immer häufiger trocken und warm. Klassisches Aprilwetter tritt jedenfalls seltener auf, seit einem Vierteljahrhundert zeigt sich der April eher sommerlich. »Außergewöhnlich intensive Wärmephasen im Frühjahr haben in den letzten 25 Jahren deutlich zugenommen«, stellte das Klimabüro des Deutschen Wetterdienstes bereits 2018 fest. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 hat sich der Frühlingsmonat um 1,7 Grad erwärmt, in Deutschland ist es seither um 1,4 Grad wärmer geworden. 2007, 2009, 2011 und 2014 brachten trockenwarme Aprilmonate, der letzte wirklich unterkühlte April liegt mittlerweile 23 Jahre zurück. In den Siebzigern war er sogar eher ein Wintermonat.
Einen neuen Temperaturrekord stellte hingegen das Jahr 2018 auf, mit verbreitet vier Grad über den Normalwerten. Die Eisheiligen Mitte Mai sind längst Folklore. Und auch in diesem Jahr ist zu erwarten, dass der April zwei Grad zu warm abschneidet. Dass allerdings das vorsommerliche Wetter in die Verlängerung geht, ist eher unwahrscheinlich. Die Wetterlage stellt sich derzeit über Nordeuropa um. Statt eines kräftigen Hochs übernimmt nun ein Tief, das einen kühlen und wechselhaften Abschnitt einleitet. Ob damit der ersehnte Regen kommt, ist jedoch fraglich. Der Osten scheint wieder einmal leer auszugehen.
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