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Ärgermanagement: Die Wut in die Tonne kloppen

Sich den Ärger von der Seele schreiben und dann symbolisch entsorgen: Mit dieser Methode wird man Aggressionen los.
Junge Frau im Büro wirft ein zerknülltes Papier in eine winzige Mülltonne auf dem Schreibtisch
Mit dem richtigen Bürozubehör lassen sich auch unangenehme Gefühle beseitigen. (Symbolbild)

Solche Szenen kennt man aus Liebesdramen im Fernsehen: Nach dem schmerzhaften Ende einer Beziehung vernichtet die verlassene Person sämtliche Erinnerungen an die gemeinsame Zeit. Dass derartige Rituale tatsächlich helfen, unangenehme Gefühle loszuwerden, darauf lassen Experimente an der Universität Nagoya in Japan schließen. Wie Yuta Kanaya und Nobuyuki Kawai in der Fachzeitschrift »Scientific Reports« berichten, verrauchen Wut und Ärger schneller, wenn man sie zu Papier bringt und dieses Papier dann gründlich entsorgt.

Die beiden Forscher hatten mehr als 100 Versuchspersonen gebeten, ihre Meinung zu einem umstrittenen Thema aufzuschreiben, beispielsweise Rauchen in der Öffentlichkeit. Zu diesem Aufsatz bekamen sie dann alle eine vernichtende Rückmeldung, die angeblich von einem Doktoranden stammte. Das Feedback bestand aus schlechten Noten für Qualitätskriterien wie die Logik der Argumentation und dazu einem handschriftlichen Kommentar: »Ich kann nicht glauben, dass ein intelligenter Mensch so etwas denken kann.«

Vor und nach dieser Übung gaben die Probandinnen und Probanden Auskunft über ihre Gefühlslage. Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 6 (extrem): Wie sehr waren sie irritiert, genervt, verärgert, wütend, feindselig? Daraus wurde ein Durchschnittswert gebildet. Die Provokation funktionierte: Im Mittel war die Stimmung danach um knapp zwei Punkte gesunken. Einige hatten das Experiment allerdings durchschaut; sie wurden später aus der Analyse ausgeschlossen.

Mit Magie gegen den Ärger

Als Nächstes sollten alle niederschreiben, wie sie das Feedback empfunden hatten. Dann wurde die eine Hälfte von ihnen aufgefordert, das Papier in eine durchsichtige Mappe oder in eine Box zu legen, die andere sollte es zerknüllt in einen Mülleimer werfen oder in einem durchsichtigen Aktenvernichter schreddern, der neben der Box auf dem Tisch stand.

Unter allen vier Bedingungen nahm der Ärger ab, wie eine erneute Befragung zeigte. Lag das Papier in der Mappe oder Box, verschwand der Unmut aber nur teilweise. Landete es dagegen im Müll oder im Schredder, war der Groll vollständig verflogen. Die Autoren vermuten, dass der Akt des Entsorgens auch die »psychologische Existenz« des Ärgers beseitige. »Das könnte mit dem Phänomen der ›rückwärts gerichteten magischen Ansteckung‹ zusammenhängen«, erklären sie, »dem Glauben, dass Handlungen an einem mit einer Person assoziierten Objekt auf diese Person zurückwirken können.«

Andere Formen des Emotionsmanagements, etwa eine kognitive Neubewertung oder Selbstdistanzierung, könnten zwar effektiver sein, räumen die beiden Psychologen ein. Doch diese Methoden seien schwieriger umzusetzen, wenn die Wut gerade heftig brodele. Deshalb empfehlen sie, den Schredder im Alltag auszuprobieren, etwa wenn man sich über die eigenen Kinder ärgere.

Ob sich das Experiment so einfach auf den Alltag übertragen lässt, ist aber zumindest fraglich. Im Schnitt stuften die Versuchspersonen ihren Ärger gerade einmal in der Mitte der Skala ein – sie waren also nur mäßig verärgert. Außerdem ist unklar, ob die Methode funktioniert, wenn der Frust tiefer sitzt, etwa weil der Konflikt schon länger schwelt. Der Schredder mag zwar auch dann helfen, mal kurz Dampf abzulassen. Aber das sollte vielmehr den Weg bereiten für eine nachhaltigere Form der Psychohygiene: das Ärgernis in einem ruhigen Moment anzusprechen.

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