Paläoanthropologie: Konservatives Erbe
Seit jeher liefert der aufrechte Gang des Menschen Grund für anhaltende Diskussionen. Wann genau entstand er - und warum? Bislang vermutete man, dass ein früher Klimawandel die Hominiden auf die Erde zwang, wo sie sich zwecks besserer Sicht immer weiter aufrichteten. Beobachtungen an Orang-Utans könnten diese Theorie nun in Frage stellen.
Schaukelnd hängt ein rotbraunes Orang-Utan-Weibchen in einer Baumkrone in den schwülen Wäldern Indonesiens, irgendwo im Dickicht des Gunung-Leuser-Nationalparks. Seine Hinterbeine hat der Menschenaffe breit gespreizt, mit einer Hand klammert er sich fest an einen überhängenden Ast: Das Tier steht aufrecht. Für die bodenscheuen Primaten, die bevorzugt in den Wipfeln der Bäume hausen, ist das nichts Ungewöhnliches. Mithilfe ihrer langen Arme hangeln sie sich so auf der Suche nach leckeren Früchten von Ast zu Ast und erklimmen durch die Gewichtsverlagerung auch Zweige, die für vierfüßige Kletteraktionen zu schmal wären.
Nach der so genannten Savannen-Hypothese waren unsere Vorfahren vor etwa 2,5 Millionen Jahren angesichts eines langsamen Klimawandels und immer karger werdender Baumbestände gezwungen, die luftigen Höhen gegen staubige Erde einzutauschen. Ein gefährliches Unterfangen, lebten dort doch auch vermutlich zahlreiche ihrer Fressfeinde. Die Vorsicht also sollte unsere bepelzten Vorfahren dazu animiert haben, sich immer weiter aufzurichten: Erst in den Knöchelgang, den Gorillas und Schimpansen noch heute nutzen, und schließlich in die Zweibeinigkeit, die unter anderem den Homo von den Menschenaffen trennte.
Doch wirklich stimmig ist diese Hypothese nicht. Zum einen bezweifeln Forscher immer stärker, dass wirklich ein so kontinuierlicher Klimawandel stattfand, wie ihn die Savannen-Hypothese voraussetzt. Und zum anderen wurden Ansätze zum aufrechten Gang auch bei Hominiden gefunden, die noch in dichter Waldlandschaft lebten. Zudem behielten unsere frühen Vorfahren auffallend lange ihre ungewöhnlich langen Vorderarme bei – ein Indiz, dass das Klettern nach wie vor von Bedeutung blieb. Thorpe und ihre Kollegen glauben nun, in den Wäldern Indonesiens eine Erklärung hierfür gefunden zu haben – in den unterschiedlichen Bewegungsarten von Orang-Utans sowie Schimpansen und Gorillas.
Die Zweibeinigkeit bietet den Orang-Utans Stabilität in wackeligen Höhen. Auch das Gleichgewicht, entdeckten die Biologen, lässt sich so besser halten, als wenn sich alle Viere an nur einen Ast klammerten. Da auch die Früchte meist eher oben zu finden sind, wo Luft und Äste dünner werden, wäre der aufrechte Gang hier also ein wahrer Überlebensvorteil.
Könnte diese Hypothese bestätigt werden, dann wäre der aufrechte Gang nichts weiter als ein altes Erbe eines gemeinsamen Vorfahren von Affe und Mensch – und die afrikanischen Affen die eigentlich innovative Gruppe. Zumindest, was die frühe Fortbewegung anging.
Was für die Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii) Alltag ist, könnte für die Paläoanthropologen jedoch durchaus Zündstoff bedeuten, glauben die Primatenforscherin Susannah Thorpe von der Universität Birmingham und ihre Kollegen. Denn die äffische Fähigkeit der so genannten Bipedie ist möglicherweise ein Indiz dafür, dass die Entstehung des aufrechten Ganges doch anders vonstatten ging als die Forschung bislang vermutete.
Nach der so genannten Savannen-Hypothese waren unsere Vorfahren vor etwa 2,5 Millionen Jahren angesichts eines langsamen Klimawandels und immer karger werdender Baumbestände gezwungen, die luftigen Höhen gegen staubige Erde einzutauschen. Ein gefährliches Unterfangen, lebten dort doch auch vermutlich zahlreiche ihrer Fressfeinde. Die Vorsicht also sollte unsere bepelzten Vorfahren dazu animiert haben, sich immer weiter aufzurichten: Erst in den Knöchelgang, den Gorillas und Schimpansen noch heute nutzen, und schließlich in die Zweibeinigkeit, die unter anderem den Homo von den Menschenaffen trennte.
Doch wirklich stimmig ist diese Hypothese nicht. Zum einen bezweifeln Forscher immer stärker, dass wirklich ein so kontinuierlicher Klimawandel stattfand, wie ihn die Savannen-Hypothese voraussetzt. Und zum anderen wurden Ansätze zum aufrechten Gang auch bei Hominiden gefunden, die noch in dichter Waldlandschaft lebten. Zudem behielten unsere frühen Vorfahren auffallend lange ihre ungewöhnlich langen Vorderarme bei – ein Indiz, dass das Klettern nach wie vor von Bedeutung blieb. Thorpe und ihre Kollegen glauben nun, in den Wäldern Indonesiens eine Erklärung hierfür gefunden zu haben – in den unterschiedlichen Bewegungsarten von Orang-Utans sowie Schimpansen und Gorillas.
Die Orang-Utans gleichen bei ihren aufrechten Bewegungen in den Baumkronen auffällig denen heutiger Menschen: Sie strecken die Hinterbeine durch und schieben ihr Becken vor. Wenn Schimpansen und Gorillas jedoch ihre Hände gebrauchen, stehen sie mit auffallend eingeknickten Hinterbeinen herum. Das verschafft ihnen im Gegensatz zu den Orang-Utans ein unvorteilhaftes Ungleichgewicht. Entsprechend üben sie sich in solchen Körperhaltungen nur auf sicherem Terrain – dicken Ästen etwa oder gleich auf dem Boden. Den Orang-Utans jedoch erlaubt ihre Fähigkeit, auch sehr schmale Äste zu erklimmen – so gut wie immer abgesichert durch eine oder zwei Hände in anderen Zweigen, wie Thorpe in einer einjährigen Beobachtungsstudie feststellte.
Die Zweibeinigkeit bietet den Orang-Utans Stabilität in wackeligen Höhen. Auch das Gleichgewicht, entdeckten die Biologen, lässt sich so besser halten, als wenn sich alle Viere an nur einen Ast klammerten. Da auch die Früchte meist eher oben zu finden sind, wo Luft und Äste dünner werden, wäre der aufrechte Gang hier also ein wahrer Überlebensvorteil.
Doch warum blieben ausgerechnet Gorillas und Schimpansen so unbeholfen? Thorpe vermutet den Grund in den unterschiedlichen Lebensräumen: Während das tropische Klima in Indonesien dichte Baumbestände begünstigte, verursachte die Trockenheit in Afrika eine zunehmende Vereinzelung der Waldstücke. Die dort lebenden Vorfahren von Schimpanse, Gorilla und Mensch waren genötigt, zunehmend über den Boden von Baum zu Baum zu eilen. Dabei, so die neue These, könnten sie unterschiedliche Methoden entwickelt haben, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden: Die Ahnen von Schimpanse und Gorilla entwickelten den Knöchelgang, die Hominiden hingegen blieben bei den schon bekannten aufrechten Schritten und verfeinerten nur nach und nach ihre Haltung.
Könnte diese Hypothese bestätigt werden, dann wäre der aufrechte Gang nichts weiter als ein altes Erbe eines gemeinsamen Vorfahren von Affe und Mensch – und die afrikanischen Affen die eigentlich innovative Gruppe. Zumindest, was die frühe Fortbewegung anging.
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