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News: Kontaktverlust wirft Hautzellen aus der Bahn

Mit 1,5 bis 2 Quadratmeter und 16 Prozent unseres Körpergewichts ist die Haut das größte menschliche Organ. Wie eine Barriere schützt sie den Körper vor fremden Eindringlingen und hält uns zusammen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich die einzelnen Hautzellen zu einem geordneten, festen Verband zusammenschließen können. Besondere Zellkontakte knüpfen sie wie mit Druckknöpfen aneinander und andere sorgen für schnelle Informationsübertragung. Manchmal wird dieses feine Zusammenspiel allerdings gestört, und die Anhänglichen können sich nicht mehr nahe kommen. Dann scheint eine fehlgeleitete Reaktion einzutreten: Die Hautzellen vermehren sich unkontrolliert und entwickeln sich zu Krebszellen.
Mehr als eine Million Erkrankte leiden allein in den Vereinigten Staaten an einer als schuppiges Hautkarzinom bekannten Form des Hautkrebses. Normalerweise bilden Hautzellen einen nur wenige Zellschichten dicken, streng geordneten Verband. Die Organisation der Epidermis beruht hierbei auf Zell-Zell-Verbindungen, die durch zwei Typen von interzellulären Strukturen gebildet werden: den Desmosomen und den Verschlusskontakten. Während Desmosomen wie Nieten arbeiten und von ihnen aus Keratinfasern ins Zellinnere ragen, um Informationen weiterzuleiten, stellt die zweite Form direkten Zellkontakt zwischen benachbarten Zellen her. Hierbei sorgt ein spezielles Enzym, alpha-Catenin, für die Informationsleitung nach innen an die dynamische Struktur des Aktin-Cytoskelets.

Genetiker und Zellbiologen der University of Chicago haben nun eine Genveränderung als Auslöser des weit verbreiteten Hautkrebses bestimmt. Tritt in dem Gen für alpha-Catenin eine Mutation auf, so sind die Zellkontakte gestört und somit auch der Informationsfluss ins Zellinnere und letztlich in den Zellkern. Bisher vermuteten die Forscher, dass die Mutation eine Folgeerscheinung der mangelnden Zellnähe wäre, doch nun scheint es genau umgekehrt zu sein. Die Mutation ist eine unerwartet früh auftretende Erscheinung und spielt eine wichtige Rolle in der Krebsentwicklung.

Um ihre Theorie zu bestätigen, züchteten die Genetiker so genannte Knock-out-Mäuse, bei denen das zu untersuchende alpha-Catenin-Gen ausgeschaltet war. Hierauf bildeten die Tiere kein entsprechendes Enzym und zeigten bei der Entwicklung der Hautzellen auffällige Veränderungen. Die Zellen konnten keine Verschlusskontakte untereinander herstellen. Denn das als Anker benötigte alpha-Catenin fehlte. Die Hautveränderungen der Mäuse waren dramatisch. Statt weniger Lagen dünn, bildete sich nun eine dicke ungeordnete Epidermis aus, wobei die sonst charakteristischen Zellformen verschwammen. Die Zellen zeigten ein für Krebszellen typisches Wachstum, da sie sich ungehemmt vermehrten und in mehreren Lagen übereinander wuchsen. Gesunde Zellen hindert eine Kontakthemmung an diesem ungezügeltem Verhalten.

Viele Defekte in der Haut dieser Mäuse schienen allerdings nicht lediglich eine Folge der fehlenden Zellverbindung zu sein. Zusätzlich ist ein Signalweg übermäßig aktiv. Der als Ras-MAPK bekannte Weg bringt Informationen in den Zellkern und steuert hier die Teilung der Zelle. Durch den permanenten Auftrag sich zu teilen entwickelt sich die Hautzelle zu einer unkontrollierbar sich vermehrenden Krebszelle. Alpha-Catenin wirkt hierbei wie ein Schalter: Die fehlende Zellverbindung leitet die Zelle in die Irre. Wie bei einer Hautwunde denkt sie, dass neue Zellen gebildet werden müssen, um die Lücke im Zellverband zu schließen. Und so teilt sie sich immer weiter. Doch erfolglos und Unheil bringend.

  • Quellen
University of Chicago
Cell 104(4): 605–617 (2001)

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