Weibliche Orientierung: Konzentrierte Frauen fliegen besser
Vieles kann eine durchschnittliche Frau besser als ein durchschnittlicher Mann - Orientierung soll allerdings nicht dazu zählen, wie jetzt auch noch wissenschaftlich angedeutet wird. Ist das nicht egal in Zeiten, in denen ohnehin niemand durchschnittlich sein will?
Da gibt es dieses Buch, das "Handbuch des nutzlosen Wissens". Darin sind, heißt es im Klappentext, allzu bekannte Fundamentsteinchen allzu vertrauter Erkenntnisse einfach durcheinander gemischt – schwups – und ganz neu kombiniert, bis sie – voilá – ein völlig anderes Mosaikmotiv mit erhellend unbekannten Zügen ergeben. Ein neuer Blick auf die Dinge, aus alten Teilwahrheiten evolviert. Was richtig ist oder falsch war, bleibt darin erfreulicherweise jedem Leser selbst überlassen.
Von diesem Buch soll hier nicht die Rede sein. Vielmehr geht es ums Gegenteil: Frisch ans Licht geförderte Wissenspuzzlesteine werden zu allzu altbekannten Wahrheiten neu zusammengeschustert. Etwa, dass Frauen den Männern in punkto Parklücken treffen nicht umsonst unterlegen sind, und zwar wegen den begrenzten anatomischen Eigenheiten ihrer Ohren. Dass sie aber durchaus dazulernen können, wenn man ihnen ein paar Tipps von der Seite einflüstert. Oder so ähnlich.
Zugegeben, das klingt jetzt auf den ersten Blick etwas wirr. Aber was soll man erwarten, von der verkürzt wiedergegebenen Zusammenfassung einer rund viermal unschuldig durch den Interpretations-Fleischwolf gedrehten Studie. Diese hatten ihre Verfasser von der Universität Toronto ganz harmlos-hoffnungsvoll – allerdings bereits vor langer, langer Zeit, im Sommer 2002 – zur Publikation eingereicht. Da aber war die Untersuchung möglicherweise etwas zu trocken. Wer weiß. Es ging eben um Dinge wie die Selbstorientierungs-Fähigkeit des Menschen im dreidimensionalen Raum, bei gegenüber der aufrechten Medianlage gewinkelten Körperhaltungen. Jedenfalls: Durchgefallen bei den Gutachtern. Zurück ins Labor, weitere Versuche sind fällig. Umschreiben.
Sowas kostet Zeit. Zweiter Akt erst im Wissenschaftssommer 2003: Diesmal fand die neue, offenbar dezent verhübschte Studie denn doch Gnade. Dauerte dann aber immerhin bis zum Frühjahr dieses Jahres, dann konnte der informiertere Teil aller bedürftiger Informationsjunkies online nachlesen, was gerade in dieser Woche nun endlich – quasi als jährlicher Sommerwiedergänger – nach zähem Publikationskampf auch einer breiteren Öffentlichkeit als gedruckte Veröffentlichung präsentiert wird. Und, Klappern gehört zum Handwerk, durch die Wissenschaftsnachrichten-Dealer ein wenig gepuscht wird. Man liest nun über Frauen in Fahrzeugen und über Ohren.
Zum Thema Nummer 1: Frauen. 13 von ihnen taten sich im Experiment deutlich schwerer als 11 Männer, einen Laserpointer gerade in Körperachsenrichtung zu halten, während sie selbst schräg aufgebahrt im völlig Dunkeln herumlagen. Präzise gesagt: Dass, was die weiblichen Versuchskaninchen aus zurückgelehnter Sessel-Lümmelposition für eine bodenparallele Laserprojektion hielten, tendierte meist um weniges in Fußbodenrichtung.
Der Grund dafür, so Studienleiter Luc Tremblay, sind wohl die beschränkten Innenohr-Kapazitäten des weiblichen Geschlechts (Thema 2: Ohren). Die dort eingekastelten, für die Wahrnehmung der Schwerkraftrichtung verantwortlichen Otolithen – winzige Steinchen im Innenohr, die lageabhängig Druck auf neuronale Sensillen ausüben – seien bei Frauen aus Platzgründen eben leichter. Und das ist wahrscheinlich ein Grund weiblicher Fehlleistungen, wagt der Autor vorsichtig zu formulieren.
Kann frau also nix für – und damit zum dritten Themenkomplex –, für die Sache mit der Orientierung. Tremblay liefert dazu gleich einen hübschen Vergleich aus dem luftigen Feld der Aeronautik: Pilotierende Frauen im Landeanflug flögen vorsichtiger. Liegt wohl daran, dass weibliche anatomische Details (man bedenke den schwächeren Ohrsteinchen-Druck) die vermutete Position der Pilotin unterhalb der eigentlich Zutreffenden verorten. Resultat: Man fliegt als Frau nach Gefühl eher etwas zu hoch.
Ganz nebenbei: Stimmt nachdenklich, dass Tremblay – seiner Aussage nach selbst Hobbypilot – hier vom Blindflug ohne visuelle Anhaltspunkte redet, ein im Nebel unverzichtbar hilfreiches automatisches Landesystem aber mit keinem Wort erwähnt. Immerhin vermeidet er das leicht abgenudelte Frauen-beim-Einparken-Thema. Denn ja, zugegeben: Das war in der wirren Zusammenfassung oben als Beispiel unzulässigerweise hereingeschummelt – im Gegensatz allerdings, Ehrenwort, zu der Sache mit der von der Seite eingeflüsterten Hilfestellung.
Die half nämlich den Frauen im Experiment tatsächlich dabei, angenommene Lageeinschätzung und reale Welt anzugleichen: In einem Versuchsdurchgang wurden die Kandidatinnen gebeten, sich nicht virtuell-gedanklich an den im Dunkeln unsichtbaren, also nur angenommenen äußeren Sichtfixpunkten zu orientieren, um ihren Horizont im Dunklen wirklich geradeaus zu laserpointen. Stattdessen gab der Experimentator ihnen ein, sie sollten ihre Lage anhand "von innen kommender Lagereize" anzugeben versuchen. Wirklich nach Gefühl also.
Und da waren die Frauen, so die Resultate der Studie, plötzlich ziemlich deutlich besser als zuvor, ganz im Gegensatz zu den Männern. Deren Lageeinschätzung blieb, auch nachdem sie den Tipp erhalten hatten, auf so etwas wie innere Stimmen zu lauschen, stets gleich gut. Und zwar, es muss an dieser Stelle gesagt werden: Sie blieb stets besser als die der Frauen, selbst jener durch weibliche Innenschau verbessert geleitete Probandinnen.
Was Sie beim nächsten Einparkversuch oder Landeanflug nun aus diesen Informationen machen möchten, bleibt jetzt ganz Ihnen überlassen. Jedenfalls hätten wir nun, dank der Hartnäckigkeit von Tremblay und seinem Team, eine ganze Reihe schöner, neuer, wissenschaftlich wasserdichter Wissenpuzzlestückchen. Ganz sicher können die irgendwo andernorts auch noch völlig anders zusammengebastelt werden. So etwas wie nutzloses Wissen gibt es eben nicht.
Von diesem Buch soll hier nicht die Rede sein. Vielmehr geht es ums Gegenteil: Frisch ans Licht geförderte Wissenspuzzlesteine werden zu allzu altbekannten Wahrheiten neu zusammengeschustert. Etwa, dass Frauen den Männern in punkto Parklücken treffen nicht umsonst unterlegen sind, und zwar wegen den begrenzten anatomischen Eigenheiten ihrer Ohren. Dass sie aber durchaus dazulernen können, wenn man ihnen ein paar Tipps von der Seite einflüstert. Oder so ähnlich.
Zugegeben, das klingt jetzt auf den ersten Blick etwas wirr. Aber was soll man erwarten, von der verkürzt wiedergegebenen Zusammenfassung einer rund viermal unschuldig durch den Interpretations-Fleischwolf gedrehten Studie. Diese hatten ihre Verfasser von der Universität Toronto ganz harmlos-hoffnungsvoll – allerdings bereits vor langer, langer Zeit, im Sommer 2002 – zur Publikation eingereicht. Da aber war die Untersuchung möglicherweise etwas zu trocken. Wer weiß. Es ging eben um Dinge wie die Selbstorientierungs-Fähigkeit des Menschen im dreidimensionalen Raum, bei gegenüber der aufrechten Medianlage gewinkelten Körperhaltungen. Jedenfalls: Durchgefallen bei den Gutachtern. Zurück ins Labor, weitere Versuche sind fällig. Umschreiben.
Sowas kostet Zeit. Zweiter Akt erst im Wissenschaftssommer 2003: Diesmal fand die neue, offenbar dezent verhübschte Studie denn doch Gnade. Dauerte dann aber immerhin bis zum Frühjahr dieses Jahres, dann konnte der informiertere Teil aller bedürftiger Informationsjunkies online nachlesen, was gerade in dieser Woche nun endlich – quasi als jährlicher Sommerwiedergänger – nach zähem Publikationskampf auch einer breiteren Öffentlichkeit als gedruckte Veröffentlichung präsentiert wird. Und, Klappern gehört zum Handwerk, durch die Wissenschaftsnachrichten-Dealer ein wenig gepuscht wird. Man liest nun über Frauen in Fahrzeugen und über Ohren.
Zum Thema Nummer 1: Frauen. 13 von ihnen taten sich im Experiment deutlich schwerer als 11 Männer, einen Laserpointer gerade in Körperachsenrichtung zu halten, während sie selbst schräg aufgebahrt im völlig Dunkeln herumlagen. Präzise gesagt: Dass, was die weiblichen Versuchskaninchen aus zurückgelehnter Sessel-Lümmelposition für eine bodenparallele Laserprojektion hielten, tendierte meist um weniges in Fußbodenrichtung.
Der Grund dafür, so Studienleiter Luc Tremblay, sind wohl die beschränkten Innenohr-Kapazitäten des weiblichen Geschlechts (Thema 2: Ohren). Die dort eingekastelten, für die Wahrnehmung der Schwerkraftrichtung verantwortlichen Otolithen – winzige Steinchen im Innenohr, die lageabhängig Druck auf neuronale Sensillen ausüben – seien bei Frauen aus Platzgründen eben leichter. Und das ist wahrscheinlich ein Grund weiblicher Fehlleistungen, wagt der Autor vorsichtig zu formulieren.
Kann frau also nix für – und damit zum dritten Themenkomplex –, für die Sache mit der Orientierung. Tremblay liefert dazu gleich einen hübschen Vergleich aus dem luftigen Feld der Aeronautik: Pilotierende Frauen im Landeanflug flögen vorsichtiger. Liegt wohl daran, dass weibliche anatomische Details (man bedenke den schwächeren Ohrsteinchen-Druck) die vermutete Position der Pilotin unterhalb der eigentlich Zutreffenden verorten. Resultat: Man fliegt als Frau nach Gefühl eher etwas zu hoch.
Ganz nebenbei: Stimmt nachdenklich, dass Tremblay – seiner Aussage nach selbst Hobbypilot – hier vom Blindflug ohne visuelle Anhaltspunkte redet, ein im Nebel unverzichtbar hilfreiches automatisches Landesystem aber mit keinem Wort erwähnt. Immerhin vermeidet er das leicht abgenudelte Frauen-beim-Einparken-Thema. Denn ja, zugegeben: Das war in der wirren Zusammenfassung oben als Beispiel unzulässigerweise hereingeschummelt – im Gegensatz allerdings, Ehrenwort, zu der Sache mit der von der Seite eingeflüsterten Hilfestellung.
Die half nämlich den Frauen im Experiment tatsächlich dabei, angenommene Lageeinschätzung und reale Welt anzugleichen: In einem Versuchsdurchgang wurden die Kandidatinnen gebeten, sich nicht virtuell-gedanklich an den im Dunkeln unsichtbaren, also nur angenommenen äußeren Sichtfixpunkten zu orientieren, um ihren Horizont im Dunklen wirklich geradeaus zu laserpointen. Stattdessen gab der Experimentator ihnen ein, sie sollten ihre Lage anhand "von innen kommender Lagereize" anzugeben versuchen. Wirklich nach Gefühl also.
Und da waren die Frauen, so die Resultate der Studie, plötzlich ziemlich deutlich besser als zuvor, ganz im Gegensatz zu den Männern. Deren Lageeinschätzung blieb, auch nachdem sie den Tipp erhalten hatten, auf so etwas wie innere Stimmen zu lauschen, stets gleich gut. Und zwar, es muss an dieser Stelle gesagt werden: Sie blieb stets besser als die der Frauen, selbst jener durch weibliche Innenschau verbessert geleitete Probandinnen.
Was Sie beim nächsten Einparkversuch oder Landeanflug nun aus diesen Informationen machen möchten, bleibt jetzt ganz Ihnen überlassen. Jedenfalls hätten wir nun, dank der Hartnäckigkeit von Tremblay und seinem Team, eine ganze Reihe schöner, neuer, wissenschaftlich wasserdichter Wissenpuzzlestückchen. Ganz sicher können die irgendwo andernorts auch noch völlig anders zusammengebastelt werden. So etwas wie nutzloses Wissen gibt es eben nicht.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.