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Meereschemie: Korallen trotzen der Versauerung

Riff mit Falterfischen

Zu den größten Problem steigender Kohlendioxidgehalte in der Umwelt gehört neben der Erderwärmung auch die zunehmende Versauerung der Ozeane, in denen sich ein beträchtlicher Anteil des Treibhausgases löst. Sinkende pH-Werte, so mahnen viele Meeresbiologen, könnten Kalk bildende Tierarten wie Korallen gefährden, die eher basische Bedingungen benötigen. Doch die Befürchtung ist vielleicht etwas vorschnell, denn diese Organismen steigen bei zunehmender Kohlensäuremenge womöglich auf Hydrogenkarbonat aus dem Wasser um, schreiben Steve Comeau und seine Kollegen von der California State University in Northridge.

In den letzten Jahrzehnten sank der durchschnittliche pH-Wert der Meere weltweit um 0,1 Einheiten verglichen mit der Zeit vor der Industrialisierung – genug um das chemische Gleichgewicht der Ozeane zu verschieben und die Biomineralisation von Organismen mit Kalkalgen, Mollusken oder Korallen zu erschweren oder zu stören: Fragilere Kalkgehäuse beispielsweise bei Meeresschnecken wurden schon mehrfach dokumentiert, etwa jüngst im Südpolarmeer. Zumindest der Steinkorallenart Porites rus scheint es aber zu gelingen, diese Verschiebungen zu puffern, wie ein Versuch der Forscher belegt: Sie hatten die Koralle zusammen mit ihrer symbiontischen Alge Hydrolithon onkodes über 15 Tage hinweg einem saureren Milieu ausgesetzt, wie es durch die zunehmende Kohlendioxidkonzentration im Meerwasser künftig zu erwarten ist. Die Alge leistet einen eigenen Anteil am Aufbau von Riffen, indem sie lose Bestandteile im Korallenstock miteinander verkittet und so die Ansiedlung weiterer Polypen erleichtert.

Wie die Überwachung des Stoffwechsels und biochemische Tests belegten, nutzten Koralle wie Alge unter den saureren Bedingungen neben Karbonat- auch verstärkt Hydrogenkarbonationen, um ihr Kalkgerüst zu bilden – wenngleich mit deutlichen Unterschieden zwischen Tag und Nacht. So kann die Koralle rund um die Uhr Karbonationen und zusätzlich während der hellen Stunden auch Hydrogenkarbonat aus dem Wasser in Feststoffe umwandeln. Erschwerte Kalzifizierung wegen sinkender Karbonatgehalte im Meer können also zumindest tagsüber durch Hydrogenkarbonate kompensiert werden, sofern deren Konzentration zukünftig um mindestens 15 Prozent ansteigt – prognostiziert wird in Modellrechnungen momentan ein Zuwachs um ein Zehntel. Die Alge kann ebenfalls einen Teil ihres Kalkbedarfs über die Hydrogenkarbonate decken, doch ist bei ihr der Effekt weniger stark ausgeprägt.

Immerhin regt das Hydrogenkarbonat auch die Fotosynthese an, was wiederum die Kalkausfällung antreibt. Indirekt stimuliert es also ebenso die Kalzifizierung. Zusammengenommen können beide Effekte die Korrosion von Korallenriffen zumindest deutlich verlangsamen, fassen die Forscher zusammen. Langzeitbeobachtungen von Kaltwasserkorallen bestätigen zudem, dass erhöhte Säuregrade kurzfristig die Kalkausbildung stören können, langfristig gleichen die Tiere dies aber wieder aus – womöglich über den von Comeau und Co entdeckten Effekt.

  • Quellen
Proc R Soc B 10.1098/rspb.2012.2374, 2012

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