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Astrophysik: Kosmische Kollision schuf Rekordhalter-Neutrino

Wie entstand das berühmteste Geisterteilchen der Astronomiegeschichte? Nun gibt es eine neue Theorie - mit spektakulären Konsequenzen.
Blazar

Das Neutrino mit dem Namen 170922A schlug ein wie eine Bombe. Am 22. September 2017 traf es den IceCube-Detektor am Südpol – und die im Eis versenkte Elektronik registrierte es als eines der energiereichsten Ereignisse seit Beginn der Datenaufzeichnung. Noch größer war die Aufregung, als man die Quelle des Neutrinos orten konnte: Es stammte ganz offensichtlich aus dem Kern einer knapp vier Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie namens TXS 0506+056.

Damit hatten Astrophysiker erstmals den Ursprung eines Neutrinos von außerhalb unserer Galaxie aufgeklärt. Aber wie gelangte das Teilchen zu seiner Rekordenergie? Die Frage gilt auch deshalb als Rätsel, weil Astronomen noch andere Galaxienkerne wie TXS 0506+056 kennen, diese aber anscheinend nicht wild mit hochenergetischen Neutrinos um sich feuern.

Ein Team um Silke Britzen vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie hat nun eine mögliche Erklärung gefunden: Das Neutrino entstand in einer kosmischen Ausnahmesituation, in der die Teilchenauswürfe zweier aktiver Galaxienkerne überlappten. Bei der resultierenden Kollision würden enorm energiereiche Neutrinos entstehen, berichten die Forscher im Fachmagazin »Astronomy & Astrophysics«.

Neutrino aus TXS 0506+056 | Das Neutrino IceCube-170922A entstand vermutlich, als zwei Jets in der fernen Galaxie TXS 0506+056 ineinanderrasten (links). Aufgefangen hat das besondere Teilchen der IceCube-Detektor am Südpol (rechts).

Teilchenauswürfe, Experten sprechen von »Jets«, sind ein festes Merkmal aktiver Galaxienkerne. Sie beziehen ihre Energie vermutlich daher, dass Materie in das Schwarze Loch in der Mitte der Galaxien fällt. Im Fall von TXS 0506+056 scheint der Jet jedoch Teil einer komplizierteren Dynamik zu sein, wie Britzen und ihre Kollegen anhand von Daten des Radioteleskop-Netzwerks VLBA rekonstruiert haben.

Sollte die Interpretation der Forscher stimmen, würde das TXS 0506+056 zu etwas ganz Besonderem machen: Um zwei kollidierende Jets zu produzieren, bräuchte es zwei supermassereiche Schwarze Löcher. Berechnungen zufolge könnten diese gerade mal ein paar Lichtjahre voneinander entfernt sein, so die Astrophysiker. Damit wäre TXS 0506+056 erst die zweite bekannte Region im All, in der sich die dunklen Giganten im Kern von Galaxien derart nahe kommen.

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