Direkt zum Inhalt

News: Kosmische Seitensprünge

Seit beinahe 50 Jahren rätseln Forscher über die geheimnisvollen blauen Nachzüglersterne. Sie finden sich nur in Kugelsternhaufen und hätten eigentlich längst in Supernovae vergehen müssen. Irgendwie mussten diese Sterne es schaffen, ihre Wasserstoffvorräte wieder aufzufüllen.
47 Tucanae
Einige Milliarden Jahre nach dem Urknall, als die Dichte im Universum noch viel höher war als heute, entwickelten sich die Kugelsternhaufen - Regionen, in denen zig Tausend bis zig Millionen Sterne entstanden, und in denen es extrem eng zugeht. In ihren Zentren tummeln sich meist so viele Sterne, dass sie optisch gar nicht mehr aufzulösen sind. Kein Wunder also, dass Rangeleien an der Tagesordnung sind. Dabei kann es zu einfachen Kollisionen zweier Sterne kommen oder zur Bildung komplexer Mehrfachsysteme.

Wie häufig derlei Ereignisse sind, ist schwer zu sagen und letztlich nur mithilfe komplexer Computersimulationen möglich. Um den kosmischen Dimensionen und Zeiten gerecht zu werden, waren derlei Modelle bisher wegen zu geringer Rechnerleistungen begrenzt. Im Rahmen des GRAPE Project an der University of Tokyo wurden deshalb eigens für diese Fragestellung Computerchips hergestellt, von denen jeder einzelne in jeder Sekunde rund 30 Milliarden Rechenschritte auszuführen vermag.

Mithilfe dieser GRAPE-6-Chips gelang zwei Astronomen des American Museum of Natural History in New York nun die Simulation der Lebensläufe aller 20 000 Sterne eines virtuellen Kugelsternhaufens. Und dabei stellte sich heraus, dass es in 500 Fällen zur Bildung seltsamer Mehrfachsysteme bis hin zu einem Reigen mit fünf Sternen kommt.

Besonders eindrucksvoll waren dabei Doppelsterne, die immer wieder ihre Partner wechselten. Denn solche Systeme könnten eine geheimnisvolle Sternklasse erklären: die so genannten blue stragglers oder blauen Nachzüglersterne. Derlei Sterne finden sich nur in Kugelsternhaufen und zeichnen sich durch eine große Masse sowie ihre Helligkeit und eine bläuliche Färbung aus. Das Merkwürdige an diesen Sternen ist, dass seit ihrer Entdeckung vor rund 50 Jahren niemand richtig weiß, wie sie eigentlich entstanden.

Denn aufgrund ihrer großen Masse müssten sie längst ihren Wasserstoffvorrat verbrannt haben und zu weißen Zwergen geworden sein. Offenbar füllten die Sterne aber irgendwie ihre Brennstoffvorräte auf, Wasserstoff musste also von außen in die Kernzone der Sterne gelangen. Aufgrund der hohen Rotationsgeschwindigkeit vermuteten manche Forscher, sie seien das Ergebnis von Kollisionen.

Die Simulationen von Jarrod Hurley und Michael Shara lassen nun eher den Schluss zu, dass die blauen Nachzüglersterne in den meisten Fällen wohl weniger Folge einfacher Kollisionen sind, sondern das Ergebnis jenes Partnertausches von Doppelsternen. Demnach nehmen Sterne bei wiederholten und sehr engen Begegnungen immer wieder Materie von einem anderen auf und füllen auf diese Weise ihren Wasserstoffvorrat wieder auf. Die Folge ist, dass der Stern zwar weiterhin an Masse zulegt, die Supernova aber ausbleibt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.