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News: Kosmische Strahlung hilft bei Erdbebenfrüherkennung

Amerikanische Forscher haben eine neue Methode zur präziseren Datierung vergangener Erdbeben und zur genaueren Vorhersage von zukünftigen Erdbeben entdeckt. Ihr Verfahren basiert auf der Veränderung der chemischen Zusammensetzung des Grundgesteins durch Erdbeben.
Jay S. Noller, Geologe an der Vanderbilt University, Nashville, Tennessee, und sein Forschungspartner Marek Zreda, Geochemiker an der University of Arizona, Tucson, entdeckten während ihrer Untersuchungen an der Hebgen-Lake-Verwerfung in Montana Veränderungen der chemischen Zusammensetzung des Grundgesteins aufgrund von Erdbeben. Nach genaueren Betrachtungen konnten sie feststellen, wann sich einzelne Beben ereigneten, wie oft Beben in dem betreffenden Gebiet vorkamen und wie wahrscheinlich weitere Beben sind. In Science vom 6. November 1998 beschreiben sie ihre Forschungsergebnisse.

Während eines größeren Erdbebens verschiebt sich die Erdkruste, und es werden Gesteinsschichten an die Erdoberfläche geschoben, die zuvor tief im Erdinneren waren. Nach Tausenden von Jahren und vielen Erdbeben wird immer mehr der Erde freigegeben, wodurch sich Schichten verschiedener Farben bilden. Die Schichten zuoberst sind am ältesten. Diese Gesteine enthalten Elemente wie Kalium und Calcium, die sich zu Chlor umwandeln, wenn sie kosmischer Strahlung ausgesetzt werden. Besonders wichtig für die beiden Wissenschaftler ist hierbei das Chlor-Isotop 36Cl. Dieses Isotop kommt in den meisten Gesteinen nur in sehr geringen Mengen vor. Hingegen befinden sich große Mengen von 36Cl in seismisch verändertem Grundgestein, da es kosmischer Strahlung ausgesetzt war. Je länger ein Stück Gestein kosmischer Strahlung ausgesetzt war, desto mehr 36Cl ist zu finden. "Die kosmische Strahlung, der das Gestein ausgesetzt war, ist direkt proportional zur Größe des Erdbebens, und die Methode gibt uns die exakte Zeit des Bebens an."

Die neue Datierungsmethode geht direkt von den Einwirkungen auf das Gestein während eines Erdbebens aus. Bisher studierte man die Ereignisse vor und nach einem Beben. So betrachtete man beispielsweise Flüsse, die über einer Verwerfungslinie verlaufen, ihre Ablagerungen und das mitgeführte Schwemmmaterial. Flußablagerungen überdauern aber gerade mal ein paar Tausend Jahre. Sie werden wieder begraben oder verschwinden durch Erosion. Zu Tage getretenes Grundgestein dagegen bleibt Zehntausende von Jahren erhalten. Es enthält eine längere Aufzeichnung der erdgeschichtlichen Vorkommnisse in diesem Gebiet. Somit hat man mehr Daten, die zu genaueren Aussagen führen. Allerdings darf das Gestein noch nicht allzu erodiert sein, sonst leidet auch hier die Aussagekraft.

Die neue Methode ist aber nicht allgemein anwendbar: Über den San Andreas Graben, der sich bevorzugt horizontal bewegt – und nicht vertikal, wie die erforschten Verwerfungen – kann damit keine Aussage gemacht werden. Doch immerhin ist es jetzt möglich, für Gebiete mit wenig Flußablagerungen aber vielen Grundgesteinsverwerfungen – wie im Osten der Vereinigten Staaten – Aussagen über die seismische Aktivität zu machen, was mit der bisherigen Methode unmöglich war.

Die Verwerfung am Hebgen Lake wurde übrigens als Forschungsbasis ausgewählt, weil sie im Jahre 1959 Schauplatz eines katastrophalen Bebens der Stärke 7,5 war. Der Erdboden wurde um knapp sieben Meter angehoben – der größte Wert, der je auf unserem Planeten aufgezeichnet wurde.

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