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News: Kosmisches Billard

Neutronensterne und Weiße Zwerge drehen sich, weil der Stern, aus dem sie hervorgegangen sind, sich gedreht hat. Diese Erklärung erscheint einleuchtend, trifft aber leider nicht zu. Der Drehimpuls ist nämlich nicht ererbt, sondern wird erst bei einer Art 'kosmischen Billards' erworben.
Henk Spruit vom Max Planck Institut für Astrophysik und Sterl Phinney vom Californian Institute of Technology stellen in zwei Veröffentlichungen Berechnungen vor, wonach die Rotation der Sternüberreste komplizierter zu erklären ist als bisher angenommen wurde (Astronomy and Astrophysics, im Druck; Nature vom 14. Mai 1998).

Neutronensterne werden dadurch erkannt, daß sie rotieren und als Pulsare Radiowellen aussenden. Viele drehen sich etwa einmal in der Sekunde, nur wenige sind deutlich schneller. Neutronensterne sind das Endprodukt einer Reihe von Umformungsprozessen, die im Innern eines anfänglich normalen Sterns ablaufen. Der letzte Schritt in der Reihe ist die Explosion einer Supernova. Da alle Sterne rotieren, hat sich niemand über die Drehung der Pulsare gewundert. Sie wurde als Erbschaft der inneren Rotation des Vorläufersterns betrachtet.

Spruit und Phinney haben jedoch gezeigt, daß nicht viel von der Drehung des Sterns übrigbleibt, bis der Pulsar entstanden ist. Allenfalls eine Drehung in 100 Sekunden wäre so zu erklären. Sie begründen das damit, daß die Vorläufersterne – wie alle Sterne – eine Phase als Riese durchlaufen, in denen sich ihre Hülle aufbläht. Während dieser Zeit dreht sich der Stern nur sehr langsam, einmal in zehn bis 100 Jahren. In dieser Phase findet auch die Supernova statt. Dabei kollabiert der Kern des Sterns – etwa die 1,7fache Sonnenmasse – zu einer Kugel aus Neutronen, die von der Gravitation zusammengepreßt werden. Der Durchmesser der Kugel beträgt nur einige zehn Kilometer, die Masse beläuft sich aber auf rund 1,4 Sonnenmassen. Die übrige Masse wird gemäß der berühmten Formel E=mc2 in Energie umgewandelt und wird in einem Ausbruch von einer Sekunde Dauer von Neutrinos davongetragen. Obwohl sich der Kern im Laufe der Ereignisse schneller dreht (so wie ein Eiskunstläufer, der bei einer Pirouette die Arme anlegt), reicht der Schwung nicht aus, um einen vernünftigen Pulsar zu ergeben.

Diese Berechnungen gehen davon aus, daß der Kern vor der Explosion genauso schnell rotiert wie die Gashülle des aufgeblähten Sterns. Da wir jedoch nicht in das Innere schauen können, ist es schwer zu sagen, ob der Kern sich nicht vielleicht doch schneller dreht und so zu flinkeren Pulsaren führen könnte. Schließlich sind Sterne keine festen Körper, und im Prinzip sind viele Arten von differentieller Rotation denkbar. Eine bemerkenswerte Entwicklung der letzten Jahre läßt diese Gedanken aber unwahrscheinlich wirken. Die Technik der Helioseismologie ermöglichte es, die Drehung des Sonnenkerns mit bemerkenswerter Präzision zu messen. Es stellte sich heraus, daß er recht gleichförmig mit der gleichen Durchschnittsgeschwindigkeit wie die Oberfläche rotierte. Es gibt folglich einen effektiv wirksamen Mechanismus, der die Sonne als ein Ganzes rotieren läßt. Die Wissenschaftler vermuten, das Magnetfeld der Sonne ist dafür verantwortlich. Schon Felder, die sehr viel kleiner sind als jene, die bei Sternen gemessen wurden, reichen aus, um einen Stern im Stück rotieren zu lassen.

Vor diesem Hintergrund haben Spruit und Phinney den Effekt des plötzlichen Ausbruchs von Neutrinos während der Supernova berechnet. Sie stellten fest, daß damit Rotationszeiten von 0,01 bis zu einer Sekunde erklärt werden können. Die Neutrinos tragen 0,3 Sonnenmassen in Form von Energie und geben dem Neutronenstern einen gewaltigen Stoß. Der größte Teil davon bleibt ohne Auswirkungen, da die Teilchen in alle Raumrichtungen wegfliegen und die Stöße sich daher gegenseitig aufheben. Aber ein kleiner Teil von etwa einem Prozent wirkt asymmetrisch wie ein Queue, der eine Billardkugel trifft. Dadurch wird auch verständlich, daß Pulsare mit Geschwindigkeiten um 300 km/s durch die Galaxis rasen, viel schneller als normale Sterne. Wie eine Billardkugel, die nicht genau im Zentrum getroffen wird, bewegen sich die Neutronensterne drehend durch das Weltall.

Dieses Modell bringt weitere Konsequenzen mit sich. Die meisten aufgeblähten Sterne durchlaufen keine Supernova. Sie werfen ihre Hülle auf subtilere Weise ab, und ihr Kern bleibt als Weißer Zwerg zurück. Deren Rotationszeiten sind nicht so genau bekannt, liegen aber vermutlich bei etwa einem Tag. Nach der früheren Vorstellung dürften sie sich nur einmal in mehr als zehn Jahren drehen. Spruit erklärt das analog zu den Neutronensternen: Kleine Asymmetrien beim Abwerfen der Gashülle übertragen Rotationsenergie auf den Kern. Die beobachteten Unregelmäßigkeiten dieses Vorgangs reichen tatsächlich aus, um die Drehgeschwindigkeiten der Weißen Zwerge zu erklären.

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