Kosmologie: Extremer Strahlungsausbruch in unserer Nachbarschaft
In »nur« vier Lichtjahren Entfernung von der Erde kreisen mindestens zwei Exoplaneten um ihren roten Zwergstern Proxima Centauri. Sollte es der Menschheit dereinst gelingen, interstellare Missionen auf den Weg zu bringen, könnten diese Himmelskörper unser erstes Ziel sein. Doch Proxima Centauri ist – für Rote Zwerge typisch – alles andere als ein ruhiges Zentralgestirn, wie Meredith MacGregor von der University of Colorado in Boulder und ihr Team in den »Astrophysical Journal Letters« beschreiben. Unter anderem mit den Weltraumteleskopen Hubble und TESS sowie den Radioantennen des Atacama Large Millimeter Array (ALMA) beobachteten die Astronominnen und Astronomen das System und vermerkten im Mai 2019 einen kurzen, aber sehr starken Strahlungsausbruch, einen Flare.
Innerhalb weniger Sekunden setzte er nach den Angaben der Gruppe enorme Energiemengen frei, die im Radio- und Millimeterbereich sogar dem stärksten Ausbruch von Proxima Centauri entsprachen, der bislang nachgewiesen wurde. Am 1. Mai 2019 stieg die Helligkeit des Sterns um das 14-Fache im ultravioletten Bereich an, im Radio- und Millimeterbereich betrug der Anstieg das 1000-Fache. »Zuvor war uns nicht bekannt, dass Sterne bei ihren Ausbrüchen ebenso im Millimeterbereich strahlen«, sagt MacGregor. Es sei das erste Mal, dass ein derartiger Flare in einer so ausgedehnten spektralen Bandbreite beobachtet wurde. »Wenn man Glück hat, kann man für gewöhnlich nur mit zwei Instrumenten messen«, sagt die Wissenschaftlerin, die auf neun Teleskope zurückgreifen konnte.
Für den in der potenziell habitablen Zone kreisenden Exoplaneten Proxima Centauri b ist dieser Ausbruch jedoch keine gute Nachricht. Flares und Teilchenstürme beeinträchtigen die Atmosphäre und reißen sie auf Dauer sogar ins All fort. Die energiereiche Strahlung kann die Entstehung von Leben verhindern oder schwer beeinträchtigen. »Sollte es dort Leben geben, sähe es vollkommen anders aus als auf der Erde. Menschen hätten dort sicher keine gute Zeit«, sagt MacGregor.
Da das Proxima-Centauri-System wohl ähnlich alt wie unser Sonnensystem ist, beeinträchtigen Strahlungsausbrüche seine Planeten vermutlich auch schon seit Milliarden Jahren. Der nachgewiesene Flare wies zudem besondere Merkmale auf, die man zuvor noch nicht bei Roten Zwergen beobachtet hatte. Im sichtbaren Licht stieg die Helligkeit beispielsweise nur um 0,9 Prozent an. Und der Strahlungspuls in diesem Bereich erreichte erst mit einer Minute Verspätung sein Maximum. Der eigentliche Ausbruch dauerte sogar nur sieben Sekunden. Die Wissenschafter gehen daher davon aus, dass sie eine neue Art von Flare entdeckt haben könnten. Bisherige Ereignisse fanden statt, wenn sich die Magnetfeldlinien an der Oberfläche des Sterns abrupt neu ausrichten. Die verspätet auftretende Helligkeitszunahme im sichtbaren Licht ging dagegen wohl auf erhitztes Plasma am Grund der Magnetschleifen zurück, schreiben MacGregor und Co.
Insgesamt war der Flare 100-mal stärker als alle, die bislang auf der Sonne beobachtet wurden. Zusätzlich zu diesem Monster erfasste die Gruppe zahlreiche weitere, kleinere Flares während der 40 Stunden, in denen sie die Teleskope auf das System richten durfte.
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