Kosmologie: Das virtuelle Universum
Mehr als 8000 Prozessoren haben Monate lang gerechnet, herausgekommen ist die bisher detaillierteste Nacherzählung der Geschichte unseres Universums: Ein Forscherteam um Mark Vogelsberger vom Massachusetts Institute of Technology und Volker Springel vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien hat im Computer simuliert, wie sich in den vergangenen 13 Milliarden Jahren Staub, Sterne, Schwarze Löcher und Dunkle Materie in komplexen Filamenten aus Galaxien angeordnet haben. Die Ergebnisse der Simulation stimmen gut mit Bildern überein, wie sie etwa das Weltraumteleskop Hubble geschossen hat – für Kosmologen eine weitere Bestätigung, dass ihre Theorien vom frühen Kosmos die Wirklichkeit beschreiben.
Die Simulation namens "Illustris" beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem das Universum etwa zwölf Millionen Jahre alt ist. Weil sie enorme Rechenpower benötigen, konnten frühere Simulationen bisher entweder nur einen winzigen Ausschnitt der kosmischen Evolution behandeln. Oder sie mussten eine sehr grobe Auflösung wählen, wodurch sie physikalische Prozesse innerhalb der Galaxien vernachlässigten. Beides wird der Wirklichkeit nicht gerecht – in ihr spielt sowohl der Sog der Schwerkraft zwischen Galaxien eine Rolle als auch physikalische Prozesse innerhalb der Sterninseln.
Dem Forscherteam, das seine Ergebnisse in Nature veröffentlicht hat, ist es nun gelungen, große und kleine Skalen zu berücksichtigen: Einerseits bilden sie ab, wie sich 40 000 Galaxien im Lauf der Äonen in einer wabenartigen Struktur anordnen. Berücksichtigen konnten die Forscher aber auch die Strahlung von Sternentstehungsgebieten und Supernovae innerhalb der Galaxien, sowie das Wirken Schwarzer Löcher. Die Auflösung der Simulation ist fast zehnmal so hoch wie die früherer Simulationen. Mit einer Zellgröße von etwa 150 Lichtjahren ist das Raster aber immer noch viel zu grob, um einzelne Sterne berücksichtigen zu können. Auch betrachten die Wissenschaftler nach wie vor nur einen Ausschnitt des Universums: Dieser entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von etwa 350 Millionen Lichtjahren.
Mit Illustris konnten die Physiker dennoch erstmals zeigen, dass bei der Evolution des Universums all jene Typen von Galaxien entstehen, die Astronomen heute in den Tiefen des Weltalls ausmachen. Frühere Simulationen etwa hätten nicht erklären können, wie sich Sterninseln vom Typ unserer Milchstraße gebildet haben, schreiben die Autoren. Auch zeige ihre Simulation, dass sich chemische Elemente in just jenem Verhältnis in Galaxien sammeln, das Astronomen in separaten Messungen bestimmt haben. Insgesamt stütze ihre Arbeit das kosmologische Standardmodell, demzufolge ein signifikanter Teil des Universums aus schweren Teilchen der Dunklen Materie besteht. Möglich wurde ihre Arbeit durch die größere Leistungsfähigkeit von Supercomputern und genauere Algorithmen, schreiben die Wissenschaftler.
In einem Begleitkommentar lobt Michael Boylan-Kolchin von der Universität Maryland die Arbeit als wichtigen Fortschritt bei der Simulation des Kosmos. Allerdings seien viele der Prozesse innerhalb der Galaxien noch nicht wirklich verstanden, auch spielten sie sich auf noch kleineren Skalen ab, als sie Illustris abbilden könne. Das räumen auch die Autoren selbst ein: Bisher könne ihr Computerprogramm beispielsweise noch unzureichend beschreiben, wie sich kleinere Galaxien bildeten.
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