Materialwissenschaften: Kraft aus Gel
Aus einem Gel und Silizium-Nadeln haben deutsche und amerikanische Forscher einen Werkstoff entwickelt, der wie ein Muskel oder nanometergroße Greifarme arbeitet. Er beruht auf der einfachen Fähigkeit von Gelen, Wasser aufzunehmen und abzugeben und dabei mechanische Arbeit zu verrichten - ganz so, wie es auch Pflanzen können.
Manche Blüten öffnen sich bei Tag scheinbar wie von selbst und schließen sich, sobald es wieder dunkel wird. Es scheint, als hätten sie Muskeln. Tatsächlich bewegen aber gelartige Substanzen die Blütenblätter, indem sie abhängig von der Luftfeuchtigkeit schwellen oder schrumpfen. In der Natur bedienen sich nicht nur Blüten dieses hydraulischen Mechanismus, sondern auch Tannenzapfen oder der fleischfressende Sonnentau.
Bei HAIRS-1 sind die Silizium-Nadeln im Gel verteilt und parallel ausgerichtet. Schrumpft das Gel zusammen, zieht es an den Nadeln und kippt sie zur Seite. Das Material verhält sich wie ein künstlicher Muskel. Während bei HAIRS-1 die Siliziumnadeln nur in das Gel eingebettet sind, haben die Forscher die Nadeln bei HAIRS-2 zusätzlich fest auf einer Silizium-Oberfläche verankert. "Im Gegensatz zu HAIRS-1 können die Silizium-Nadeln bei HAIRS-2 nicht kippen, wenn das Gel schrumpft", erläutert Fratzl.
Um die Hybridwerkstoffe herzustellen, ätzten die Wissenschaftler zuerst einen Wald aus Silizium-Stämmen in eine Silizium-Scheibe. Die aufrechten Nadeln aus Silizium sind anschließend nur hundert bis dreihundert Nanometer dick und gerade mal fünf bis acht Mikrometer lang. Sie bedecken die Fläche der Silizium-Scheibe in einem regelmäßigen Abstand von wenigen Mikrometern. Anschließend füllten die Wissenschaftler diese kammartige Struktur mit einem Gel, das sich chemisch fest an die Siliziumnadeln bindet. Für HAIRS-1 brechen die Wissenschaftler die Siliziumnadeln schließlich noch von ihrem Substrat ab – die Nadeln besitzen dann zwar eine geordnete Struktur, werden aber nur durch das Gel fixiert.
Das mechanische Prinzip, nach dem HAIRS-1 arbeitet, erkannte bereits der Ingenieur und Architekt Richard Buckminster-Fuller (1895-1983), der Gebäude aus steifen Stangen mit elastischen Bändern konstruierte. Solche Strukturen sind flexibel und trotzdem stabil: Sie halten Wind und großen Schneelasten stand. Er führte für dieses Prinzip den Begriff Tensegrität (aus tension für Spannung und integrity für Unversehrtheit oder Festigkeit) ein. Biologen erkannten später, dass auch das mechanische Verhalten von Zellen dem Prinzip der Tensegrität folgt. Der neue Hybridwerkstoff ist aber der erste aktive Werkstoff, der diese der Natur abgeschaute Methode nutzt. "Wir haben uns von der Biologie zu diesem aktiven Werkstoff inspirieren lassen", sagt Fratzl: "Er könnte für Mikroaktuatoren oder in der Mikrofluidik eine Anwendung finden."
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und der Bell Laboratories nutzten diesen Mechanismus nun für neuartige Werkstoffe, genannt HAIRS (hydrogel high-aspect-ratio rigid structures) – Hybridsysteme aus nanometergroßen Silizium-Nadeln und einem Hydrogel. "Das Besondere des Hybridwerkstoffs ist die Kombination steifer und unflexibler Körper, der Silizium-Nadeln, mit elastischen und weichen Verbindungselementen, dem Gel", erklärt Peter Fratzl, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Dadurch entsteht ein aktiver Werkstoff, also ein Stoff, der Arbeit verrichten kann. Je nach Luftfeuchtigkeit verändert das Gel nämlich seine Oberfläche – es schrumpft oder es schwillt an und verändert dadurch die Orientierung der Silizium-Madeln. Mit diesem einfachen Prinzip stellten die Wissenschaftler zwei unterschiedliche Werkstoffe her: HAIRS-1 und HAIRS-2.
Bei HAIRS-1 sind die Silizium-Nadeln im Gel verteilt und parallel ausgerichtet. Schrumpft das Gel zusammen, zieht es an den Nadeln und kippt sie zur Seite. Das Material verhält sich wie ein künstlicher Muskel. Während bei HAIRS-1 die Siliziumnadeln nur in das Gel eingebettet sind, haben die Forscher die Nadeln bei HAIRS-2 zusätzlich fest auf einer Silizium-Oberfläche verankert. "Im Gegensatz zu HAIRS-1 können die Silizium-Nadeln bei HAIRS-2 nicht kippen, wenn das Gel schrumpft", erläutert Fratzl.
Beim Schrumpfen des Gels treten Kapillarkräfte auf, denn es verhält sich wie Wasser auf einer Oberfläche – es strebt danach, seine Oberflächenspannung zu verringern. Deshalb sitzt jeweils ein Geltröpfchen zwischen vier Nadeln, die sozusagen die Eckpfeiler bilden. Schrumpft das Gel nun, zieht es die Nadeln an den Ecken nach innen, und es entsteht der vierarmige Greifer. Die Greifbewegung der Nadeln ist komplett reversibel – wird das Gel wieder feucht, dehnt es sich aus, und die Nadeln bewegen sich in ihre aufrechte Position zurück.
Um die Hybridwerkstoffe herzustellen, ätzten die Wissenschaftler zuerst einen Wald aus Silizium-Stämmen in eine Silizium-Scheibe. Die aufrechten Nadeln aus Silizium sind anschließend nur hundert bis dreihundert Nanometer dick und gerade mal fünf bis acht Mikrometer lang. Sie bedecken die Fläche der Silizium-Scheibe in einem regelmäßigen Abstand von wenigen Mikrometern. Anschließend füllten die Wissenschaftler diese kammartige Struktur mit einem Gel, das sich chemisch fest an die Siliziumnadeln bindet. Für HAIRS-1 brechen die Wissenschaftler die Siliziumnadeln schließlich noch von ihrem Substrat ab – die Nadeln besitzen dann zwar eine geordnete Struktur, werden aber nur durch das Gel fixiert.
Das mechanische Prinzip, nach dem HAIRS-1 arbeitet, erkannte bereits der Ingenieur und Architekt Richard Buckminster-Fuller (1895-1983), der Gebäude aus steifen Stangen mit elastischen Bändern konstruierte. Solche Strukturen sind flexibel und trotzdem stabil: Sie halten Wind und großen Schneelasten stand. Er führte für dieses Prinzip den Begriff Tensegrität (aus tension für Spannung und integrity für Unversehrtheit oder Festigkeit) ein. Biologen erkannten später, dass auch das mechanische Verhalten von Zellen dem Prinzip der Tensegrität folgt. Der neue Hybridwerkstoff ist aber der erste aktive Werkstoff, der diese der Natur abgeschaute Methode nutzt. "Wir haben uns von der Biologie zu diesem aktiven Werkstoff inspirieren lassen", sagt Fratzl: "Er könnte für Mikroaktuatoren oder in der Mikrofluidik eine Anwendung finden."
© Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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