Zoologische Ingenieurskunst: Kragenechse prahlt durch Kiemenrecycling
Kragenechsen der Spezies Chlamydosaurus kingii leben in Nordaustralien und sind recht unscheinbar, bis jemand sie ärgert oder sie jemandem imponieren wollen. Dann klappt die höchstens meterlange Echse eine mit bis zu 30 Zentimetern imposante Hautfalte regenschirmartig auf und unterstreicht den optischen Eindruck mit gereiztem Fauchen. Die Anatomie der Tiere ist zu diesem Zweck auf im Tierreich sonst ziemlich einzigartige Weise verändert: Sie haben nicht nur die im Ruhezustand mehrfach gefalteten bunten Schreckhautlappen exklusiv, sondern vor allem auch das funktionale, aus knorpeligen Rippenstäben bestehende Klappgestell und die Muskulatur, die den Apparat im Ernstfall sicher ausfährt. Dem bisher unbekannten Ursprung der anatomischen Einzelteile sind nun Forscher der Universität Genf um Michel Milinkovitch auf den Grund gegangen: Sie zeigen im Magazin »eLife«, wann der Kragen der Kragenechsen in der Embryonalentwicklung entsteht – und welche Rolle das Baumaterial in der Evolutionsvergangenheit bei verwandten Tieren noch gespielt hat.
Zunächst enthüllte ein Blick auf die Embryonalentwicklung der Tiere, dass die Evolution bei den Kragenechsen einen ehemaligen Kiemenbogen als Spielmasse beim Bau des Kragens genutzt hat. Kiemenbögen entstehen bei heranwachsenden Wirbeltieren als Abzweigungen von Muskel-, Gefäß- sowie Bindegewebe und werden dann in allerlei verschiedene Dinge umgebaut – oder verschwinden. Bei Kragenechsen baut sich dabei der zweite Kiemenbogen, der Zungenbein- oder Hyoidbogen, um, aus dem beim Menschen unter anderem ein Gehörknöchelchen wird. Die Untersuchungen zeigen, dass Teile des Zungenbeinbogens nicht wie in der Verwandtschaft der Echsen üblich bald mit den hinteren Bögen verschmelzen, sondern stattdessen irgendwie mechanisch zurückgehalten werden: Offenbar bleibt der Bogen an einem Punkt fixiert, was dann für Zugkräfte sorgt, weil die Bögen in eine bestimmte Richtung driften.
Dieser mechanische Zug im frühen Wachstumsprozess scheint jedenfalls entscheidend zu sein, um die Halskrause wachsen zu lassen – und sie während des ganzen Prozesses mehrfach Platz sparend umzuklappen, wie eine 3-D-Computermodellsimulation des Forscherteams nahelegt. Ein genetisches Programm steuert den Prozess dagegen nicht: Ausschlaggebend ist der beim Wachstum entstehende Zug der am fixierten Zungenbein hängenden »Ceratobranchialen«, wie die knorpeligen, in die Kragenhaut eingewickelten Stäbe des Kragens genannt werden.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.