Direkt zum Inhalt

News: Krebs durch defekte Mitochondrien

Mitochondrien als 'Kraftwerke' unserer Zellen sind für den geregelten Abbau von organischen Verbindungen zur Energiegewinnung zuständig. Schäden in diesen so wichtigen Zellorganellen können schlimme Konsequenzen nach sich ziehen. Ein amerikanisches Forscherteam konnte nun zum ersten Mal einen Defekt in einem Gen, dessen Produkt ein mitochondriales Protein ist, mit der Entwicklung eines Tumors in Verbindung bringen.
Da alle Bereiche des Körpers für ihren Energiestoffwechsel Sauerstoff benötigen, ist dessen Konzentration im Blut ein ganz entscheidender physiologischer Faktor. Demgemäß messen spezielle Sensoren regelmäßig den Sauerstoffgehalt, unter anderem auch die Carotisdrüse (Glomus caroticum), ein kleines Chemorezeptorenfeld, das sich in den Hauptschlagadern des Halses befindet. Entarten die Zellen dieses Paragangliengewebes, entsteht eine seltene erbliche Krebsform, das so genannte Paragangliom.

In Familien, deren Mitglieder an diesem Tumor erkranken, zeigt sich ein eigenartiges Vererbungsmuster, das sich nur durch genomische Prägung erklären lässt. Darnter versteht man einen genetischen Defekt, der sowohl durch die Mutter als auch durch den Vater übertragen werden kann, doch nur wenn die defekte Kopie des Gens vom Vater stammt, bricht die Krankheit auch wirklich aus. Wegen dieses besonderen Vererbungsmusters wählten Forscher unter der Leitung von Bora E. Baysal und Bernie Devlin vom Department of Psychiatry an der University of Pittsburgh an Paragangliom erkrankte Familien für ihre Studie aus (Science vom 3. Februar 2000).

Bei ihren Analysen stießen die Forscher auf ein Gen, das für das Enzym Succinat-Ubichinon-Oxidoreduktase (SDHD) codiert. Hierbei handelt es sich um ein Protein aus der inneren Membran von Mitochondrien – den Zellorganellen, in denen ein großer Teil des Abbaus organischer Substanzen zur Energiegewinnung stattfindet. Obwohl Mitochondrien eigene DNA besitzen, ist ein große Anzahl an Genen, die für mitochondriale Proteine codieren, im Laufe der Evolution in den Zellkern verlagert worden. So auch das SDHD-Gen, das sich auf dem langen Arm des Chromosom 11 befindet. Das Team um Baysal stellte fest, dass dieses Gen bei Patienten mit Paragangliomen mutiert ist.

Ihrer Ansicht nach stört vermutlich die Schädigung des mitochondriellen Enzyms die Sauerstoffmessung. Der Defekt könnte die Carotisdrüse stimulieren, einen vermeintlichen Sauerstoffmangel auszugleichen und zu vermehrter Zellteilung und somit zur Tumorbildung anregen, mutmaßen die Forscher. In die gleiche Richtung weist auch die Entwicklung von Paragangliomen bei Menschen die in extremen Höhenlagen leben. Deren Tumoren konnten kürzlich auf den chronischen, atmosphärisch bedingten Sauerstoffmangel zurückgeführt werden.

Diese Ergebnisse sind deshalb so wichtig, erklärt Baysal, weil zum ersten Mal ein erblicher Defekt, der Mitochondrien betrifft, mit der Entwicklung eines Tumors in Verbindung steht. Möglicherweise ist eine gestörte Sauerstoffmessung ein fundamentaler Prozess in der Entwicklung vieler verschiedener Krebstypen. Daher hofft Baysal, dass die Ergebnisse ihrer Studie helfen, nicht nur die Entwicklung von Paragangliomen, sondern von Krebs im Allgemeinen zu verstehen, um schließlich effektivere Behandlungsmöglichkeiten zu finden.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.