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Vorbild Natur: Krebs-Nachbau schießt mit heißem Plasma

Sie sehen aus wie Aliens und schießen mit Plasma: Pistolenkrebse haben eine der kurioseren Waffen im Tierreich. Nun haben zwei Forscher sie nachgebaut.
Fangschreckenkrebs

Zwei Ingenieurwissenschaftler haben eine der bemerkenswertesten Erfindungen der Tierwelt nachgebaut: die Schallwaffe der Pistolenkrebse. Diese Tiere haben eine vergrößerte Schere, die beim Zuschnappen mit einem scharfen Wasserstrahl ein über 4000 Grad heißes Plasma samt extremer Stoßwelle entstehen lässt. Xin Tang und David Staack von der Texas A&M University vermaßen eine bei der Häutung abgeworfene Schere eines Krebses, um den Mechanismus präzise im 3-D-Drucker nachzubilden. Wie sie in »Science Advances« berichten, erzeugten sie auf diese Weise erfolgreich ein Plasma. Dabei entstanden ein Lichtblitz, ein Wasserstrahl und jene brutale Stoßwelle, mit der das Tier seine Beute betäubt und sogar Tunnel in Korallenriffe schießt.

Hinter der erstaunlichen Fähigkeit der Tiere steckt ein Phänomen namens Kavitation. Wenn die beiden Teile der Schere mit hoher Geschwindigkeit aufeinander treffen, bildet sich ein Wasserstrahl, der vor der Scherenspitze für einen kurzen Moment Gasblasen produziert, die sofort wieder in sich zusammenfallen. Bei diesem Kollaps heizt sich das Gas in den Blasen extrem auf und wird zu einem Plasma, das eine energiereiche Stoßwelle im Wasser erzeugt. Diese Schüsse der Krebse sind mit bis zu 210 Dezibel weit lauter als Pistolenschüsse und können unter Umständen sogar das Sonar von Schiffen stören.

Fachleute probieren seit Jahren, das täuschend einfache Prinzip technisch nachzuahmen, doch bisherige Versuche gelangen nur teilweise. 2013 konstruierte eine Gruppe um David Hess von der Bergakademie Freiberg einen vergrößerten, transparenten Nachbau des Schussapparats und belegte, dass sich beim Schließen des Apparats eine Art Mündungsöffnung mit einem Wirbel darin bildet. Aus dem Zentrum dieses Wirbels, so die Schlussfolgerung, schießt ein konzentrierter Wasserstrahl und bildet das Plasma, was im Experiment aber nicht gelang. Ein Jahr später erzeugte ein Team von der University of Massachusetts mit einem anderen Nachbau tatsächlich Kavitation, allerdings an mehreren Stellen des Apparats und nicht nur im Kanal selbst.

Tang und Staak gelang nun eine Nachbildung mit ähnlichen Eigenschaften wie beim Original – und dem Vorteil, dass sich der Vorgang an dem Modell präzise untersuchen lässt. Allerdings zeigten sich dabei auch Unterschiede: Die lebenden Tiere produzieren einen wesentlich stärkeren Lichtblitz. Um den Blitz des Nachbaus mit der Kamera aufzuzeichnen, mussten sie das Plasma mit Argon »dotieren«, das stärkere Emissionen erzeugt. Dabei stellte sich heraus, dass das Plasma etwa eine Millisekunde nach dem Zuschnappen der nachgebauten Schere entsteht und zwei getrennte Blitze entstehen lässt – sie zeigen zwei aufeinanderfolgende Kollapse der Kavitationsblase an. Nach dem zweiten Zusammenbruch war die zurückfedernde Blase schon zu klein, um bei ihrem Kollaps die nötigen Temperaturen zu erreichen.

Die beiden Forscher sehen ihre Konstruktion als Möglichkeit, den Mechanismus hinter der Plasmabildung genauer zu verstehen, der anscheinend stark von der Geometrie von Scheren und Schusskanal abhängt. Die Krebsschere erzeuge Plasma in Flüssigkeiten deutlich effektiver als Verfahren mit Lasern, Elektrizität oder verschiedenen mechanischen Geräten. Für so eine Plasmawaffe gibt es verschiedene Einsatzbereiche; sie könnte Löcher in Gestein schießen oder sogar verschmutztes Wasser reinigen. Um sie technisch anzuwenden, muss allerdings erst einmal eine größere Version des Mechanismus konstruiert werden, dann aber könne man den auf Kavitation basierenden Mechanismus auch in anderen, nicht wässrigen Flüssigkeiten nutzen. Ob sich technische Geräte mit Hilfe der so gewonnenen Erkenntnisse deutlich verbessern lassen im Vergleich mit dem Krebs, ist aber unklar – die Forscher verweisen darauf, dass die Geometrie der Schere im Zuge der Evolution über Äonen optimiert worden sei.

Hinweis: Der Artikel wurde geändert, nachdem ein Leser darauf hingewiesen hatte, dass die Bezeichnung des Tieres falsch aus dem Englischen übersetzt wurde.

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