Tumormedizin: Krebszellen sind sich unerfreulich unähnlich
Krebs ist nicht gleich Krebs: Schon die verschiedenen Ursachen für eine zelluläre Entartung sorgen für eine große Vielfalt unterschiedlicher Arten von Tumoren mit jeweils typischen Eigenheiten. Wie unterschiedlich aber sogar die einzelnen Zellen eines gut charakterisierten Tumors in Patienten sein können, lernen Mediziner gerade erst mit der Hilfe besserer Analysemethoden zu erkennen. Ihre Sorge: Je weniger uniform die Krebszellpopulation, desto schwerer dürfte es werden, sie mit einem auf bestimmte Tumorschwachstellen spezialisierten oder gar durch auf einen Patienten personalisierte Medikamente zu bekämpfen.
Die Vielfalt von metastasierenden, also bereits in den Kreislauf gelangten Ablegern eines festen Tumors haben dabei Stefanie Jeffrey von der Stanford University und ihre Kollegen untersucht [1]. Solche CTC (circulating tumour cells) sind schwer und nur in geringer Zahl aus dem Blut eines Patienten zu isolieren; sie verraten aber womöglich viel über die Veränderungen, die ein Primärtumor durchläuft, bevor er beginnt, im Körper zu streuen. Jeffrey und ihre Kollegen gelang es nun, mit immunomagnetischen Trennmethoden lebende CTC schonend aus dem Blutstrom von 50 Brustkrebspatientinnen zu isolieren und dann die Biomarker und genetische Zusammensetzung der Krebszellen mit der von Primärtumoren zu vergleichen.
Dabei ergaben sich unerwartet große Unterschiede sogar zwischen einzelnen CTC, fassen die Forscher zusammen: Je nachdem welche Genaktivitäten verglichen werden, sortieren sich die CTC in mindestens fünf Untergruppen, sehr wahrscheinlich sind es sogar erheblich mehr. Offenbar enthalten Tumoren verschiedene Arten von Zellen; mehrere davon dürften dann zu unterschiedlichen Zeiten in den Kreislauf gelangen. Das bedeutet, dass eine einfache Biopsie des Primärtumors kaum ausreicht, um die genetische Vielfalt der Krebszellen zu erfassen, so die Forscher besorgt.
Das könnte Folgen für die Behandlung von Patienten haben: Zum Beispiel entdeckten die Wissenschaftler in ihren Experimenten im Blut einer Patientin sowohl CTC mit dem Biomarker HER2 als auch solche ohne ihn. Nach HER2, einem Zielmolekül für bestimmte Krebsmedikamente, suchen Mediziner, um vor einer Behandlung einzuschätzen, ob der Krebs auf ein bestimmtes Medikament auch anspricht – tatsächlich legen die Ergebnisse nun nahe, dass dieser Test eine Behandlung angezeigt erscheinen lassen könnte, dann aber nicht alle Krebszellen auf das Medikament ansprechen. Zudem unterscheiden sich die CTC auch sehr von Krebszelllinien, die zur Medikamentenentwicklung eingesetzt werden: Wahrscheinlich eignen sich diese gar nicht gut dafür, die Wirkung neuer Wirkstoffe auf metastasierende Tumoren zu untersuchen.
In einer zweiten Studie ist ein vielköpfiges Team um Charles Swanton vom Cancer Research Institute in London zu ähnlichen Schlüssen gelangt. Sie hatten Biopsien an mehreren Stellen eines Nierenkarzinoms und seiner Sekundärtumoren vorgenommen und die Proben genetisch analysiert [2]. Dabei zeigte sich, dass auch das Tumorgewebe selbst aus sehr heterogenen Zellen besteht. So fanden sich zwar Mutationen in typischen Krebsgenen, diese lagen allerdings an unterschiedlichen Positionen; offenbar waren die Tumoren konvergent evolviert und nicht etwa Ableger aus einer entarteten Ursprungszelle.
Zudem erkannten die Forscher an unterschiedlichen Stellen verschiedenste Genexpressionsmarker: mal solche, die in der medizinischen Praxis als Marker für eine positive Entwicklung der Erkrankung im Patienten herangezogen werden, mal aber auch solche, die für eine zu erwartendende schlechte Prognose stehen. Die Heterogenität eines Tumors dürfe demnach nicht unterschätzt werden, meinen die Forscher – und es wäre sicher keine gute Idee, eine für den einzelnen Patienten personalisierte Medizin auf der Basis einer einzelnen Biopsie des Primärtumors zu entwickeln.
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