Biophysik: Kreisverkehr
Sie haben nur eine Aufgabe: So schnell wie möglich eine Eizelle zu finden und mit ihr neues Leben zu schaffen. Doch eingezwängt an einer Oberfläche zeigen Seeigelspermien ein merkwürdiges Verhalten: Sie schließen sich zu Grüppchen zusammen und schwimmen im Kreis.
Die Natur setzt auf funktionale Lösungen – für unnötigen Schnickschnack bleibt weder Zeit noch Raum. Ein Musterbeispiel dafür stellt die männliche Spermienzelle da, die schlicht, aber hoch effektiv aus drei Abschnitten zusammengesetzt ist: Kopf, Mittelstück und Schwanz. Im Kopf verbirgt sich die kostbare Fracht, das Erbgut, das an das weibliche Gegenstück abgeliefert werden soll. Im Mittelstück sitzt der Motor in Form dicht gepackter Mitochondrien, welche die für den Vortrieb nötige Energie bereitstellen. Und der Schwanz, die Geißel, ist der Propeller, der durch seine periodisch schlängelnden Bewegungen das Ganze vorwärts treibt.
Auch bei Seeigeln, die ihre Geschlechtszellen schlicht dem freien Wasser anvertrauen, hat sich dieser Aufbau bestens bewährt. Und so sollte die auf die große Reise geschickten Spermien eigentlich nichts vom Wege abbringen – außer natürlich das Ziel: die weibliche Eizelle. So lange sich jedoch diese nicht blicken lässt, kann es für die Suchenden nur eine Richtung geben: Immer geradeaus.
Um so erstaunter waren Ingmar Riedel und Jonathon Howard, als sie die Bewegungsfreiheit der Samenzellen von Strongylocentrotus droebachiensis und S. purpuratus ein wenig eingeschränkten: An einer flachen Oberfläche war es vorbei mit dem geradlinigen Kurs; die Spermazellen schwammen stattdessen im Kreis – und zwar immer im Uhrzeigersinn. Was steckt dahinter?
Flugs taten sich die beiden Biologen vom Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik mit dem Physiker Karsten Kruse vom benachbarten Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme zusammen, um das merkwürdige Schwimmverhalten des Seeigelspermas zu ergründen.
Um dieses koordinierte Verhalten zu steuern bedarf es keiner trickreichen Kommunikationssyteme, fanden die Dresdner Forscher heraus. Vielmehr liegt das Geheimnis in der Hydrodynamik: Sobald die Spermien zu dicht aufeinanderrücken und weder nach oben noch nach unten ausweichen können, beeinflussen die durch den Geißelschlag erzeugten Strömungen die Nachbarzelle, sodass diese vom Kurs abkommt. Durch den sich bildenden Kreisverkehr entsteht ein Wirbel, der wiederum die Gruppe aus kreisenden Zellen stabilisiert.
Alles nur reine Physik also. Steckt denn auch ein biologischer Sinn in der Kreiserei? Vermutlich nicht. Schließlich werden sich Seeigelspermien nur selten in der Verlegenheit befinden, an einer flachen Oberfläche ihre Schwimmversuche unternehmen zu müssen. Da bedarf es schon dem gezielten Eingriff neugieriger Forscher.
Und dennoch könnte sich hier mehr verbergen, betonen die Wissenschaftler. Offenbart sich doch hier ein kooperatives Verhalten, das vollkommen ohne chemische Signale auskommt. Und da nicht nur Spermien, sondern auch Einzeller und Bakterien sich begeißelt durchs Leben schlagen, liegt die Vermutung nahe, dass auch diese auf physikalische Getztmäßigkeiten zurückgreifen, um ihr Verhalten zu koordinieren. Denn die Natur setzt auf funktionale Lösungen.
Auch bei Seeigeln, die ihre Geschlechtszellen schlicht dem freien Wasser anvertrauen, hat sich dieser Aufbau bestens bewährt. Und so sollte die auf die große Reise geschickten Spermien eigentlich nichts vom Wege abbringen – außer natürlich das Ziel: die weibliche Eizelle. So lange sich jedoch diese nicht blicken lässt, kann es für die Suchenden nur eine Richtung geben: Immer geradeaus.
Um so erstaunter waren Ingmar Riedel und Jonathon Howard, als sie die Bewegungsfreiheit der Samenzellen von Strongylocentrotus droebachiensis und S. purpuratus ein wenig eingeschränkten: An einer flachen Oberfläche war es vorbei mit dem geradlinigen Kurs; die Spermazellen schwammen stattdessen im Kreis – und zwar immer im Uhrzeigersinn. Was steckt dahinter?
Flugs taten sich die beiden Biologen vom Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik mit dem Physiker Karsten Kruse vom benachbarten Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme zusammen, um das merkwürdige Schwimmverhalten des Seeigelspermas zu ergründen.
Zunächst stellte sich heraus, dass der Übergang vom Vorwärtskurs zum Kreisverkehr dichteabhängig ist: Ab einer Dichte von 6000 Zellen pro Quadratmillimeter ziehen sich die Samenfäden wie von Geisterhand an, formieren sich zu Grüppchen von jeweils zehn Zellen, synchronisieren ihren Geißelschlag und rotieren umeinander. Alle 0,7 Sekunden wird der Kreis mit einem Durchmesser von 26 Mikrometern durchmessen, was einer Geschwindigkeit von knapp einem halben Meter pro Stunde entspricht.
Um dieses koordinierte Verhalten zu steuern bedarf es keiner trickreichen Kommunikationssyteme, fanden die Dresdner Forscher heraus. Vielmehr liegt das Geheimnis in der Hydrodynamik: Sobald die Spermien zu dicht aufeinanderrücken und weder nach oben noch nach unten ausweichen können, beeinflussen die durch den Geißelschlag erzeugten Strömungen die Nachbarzelle, sodass diese vom Kurs abkommt. Durch den sich bildenden Kreisverkehr entsteht ein Wirbel, der wiederum die Gruppe aus kreisenden Zellen stabilisiert.
Alles nur reine Physik also. Steckt denn auch ein biologischer Sinn in der Kreiserei? Vermutlich nicht. Schließlich werden sich Seeigelspermien nur selten in der Verlegenheit befinden, an einer flachen Oberfläche ihre Schwimmversuche unternehmen zu müssen. Da bedarf es schon dem gezielten Eingriff neugieriger Forscher.
Und dennoch könnte sich hier mehr verbergen, betonen die Wissenschaftler. Offenbart sich doch hier ein kooperatives Verhalten, das vollkommen ohne chemische Signale auskommt. Und da nicht nur Spermien, sondern auch Einzeller und Bakterien sich begeißelt durchs Leben schlagen, liegt die Vermutung nahe, dass auch diese auf physikalische Getztmäßigkeiten zurückgreifen, um ihr Verhalten zu koordinieren. Denn die Natur setzt auf funktionale Lösungen.
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