Direkt zum Inhalt

Kreuzimmunität: Erkältungs-Antikörper deuten auf leichtere Verläufe hin

Wer mit einem der endemischen Coronaviren infiziert war, wird wohl seltener schwer krank. Ein Antikörpertest könnte deswegen zeigen, wer vermutlich beatmet werden muss.
Eine Frau liegt, in eine Wolldecke gewickelt, auf ihrem Sofa. Aber sie schneuzt in ein Taschentuch, das heißt, sie ist erkältet und nicht einfach nur seit einem Jahr im Home Office.

Antikörper gegen das humane Coronavirus OC43 zeigen mutmaßlich ein geringeres Risiko schwerer Verläufe von Covid-19 an. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung an 296 Patientinnen und Patienten in vier französischen und deutschen Kliniken. Eine Arbeitsgruppe um Martin Dugas von der Universität Münster untersuchte das Blut der Patientinnen und Patienten auf Antikörper gegen das Nukleokapsidprotein des Erkältungsvirus und wertete anschließend deren Krankheitsverläufe aus. Demnach hatten die zuvor mit OC43 infizierten Personen mutmaßlich dank der Kreuzimmunität ein um nahezu zwei Drittel reduziertes Risiko, wegen eines sehr schweren Verlaufs beatmet werden zu müssen, berichtet das Team im »Journal of Clinical Virology«. Solche Antikörpertests sollten deswegen herangezogen werden, um das Risiko eines schweren Verlaufs zu bewerten, schreibt das Team.

Erwirbt man durch eine überstandene Infektion oder eine Impfung einen Immunschutz gegen ein Virus, dann ist man oft auch zum Teil vor verwandten Erregern geschützt. Dieses Phänomen bezeichnet man als Kreuzimmunität. Während das meist nicht vor der Ansteckung bewahrt, kann die Kreuzimmunität die Verbreitung des Virus im Körper verlangsamen und die Krankheit milder verlaufen lassen. Kann – aber sicher ist das nicht. Inzwischen mehren sich jedoch die Anzeichen, dass eine vorherige Infektion zumindest mit bestimmten Coronaviren einen Schutz vor schweren Verläufen bietet.

Neben der aktuellen Studie und einer früheren Untersuchung des Teams um Dugas kam zum Beispiel im September 2020 eine Arbeitsgruppe aus Boston zu dem gleichen Ergebnis. Ein Team um For Yue Tso von der University of Nebraska-Lincoln schlug im Januar 2021 auf der Basis von Antikörperdaten sogar vor, dass die geringere Sterblichkeit im subsaharischen Afrika mit Kreuzimmunität zu tun haben könnte. Einige Fachleute mutmaßen, dass Menschen, die häufiger Kontakt zu kleinen Kindern haben, deswegen womöglich ein geringeres Risiko haben, schwer zu erkranken – denn unter Kindern kursieren solche Erkältungserreger besonders reichlich.

Allerdings scheinen möglicherweise nicht alle Vorinfektionen einen derartigen Schutz zu bieten. So war in der aktuellen Studie nur der Effekt der Antikörper gegen OC43 signifikant, obwohl die Arbeitsgruppe auch drei weitere endemische Coronaviren in die Analyse mit einbezog. Tatsächlich gab es schon Studien, die überhaupt keinen Schutzeffekt durch solche vorherigen Infektionen aufspürten. Die Gründe für den Unterschied sind unklar. Deswegen kann man auch keineswegs davon ausgehen, einen Schutz zu haben, nur weil man in den Monaten vorher erkältet war. Zumal nur ein kleiner Teil der saisonalen Atemwegsinfektionen überhaupt von Coronaviren verursacht wird.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.