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News: Kristallographie ohne Kristall

Kristallographie, eine Technik bei der die atomare Struktur eines Moleküls mit Röntgenlicht untersucht wird, hat einen entscheidenden Nachteil: Wie der Name schon sagt, funktioniert sie am besten mit Kristallen. Denn hier sind viele Kopien des Moleküls regelmäßig aufgereiht. Doch vielleicht kann bald alles von einer kleinen Zelle bis hin zum Proteinmolekül mit Röntgenlicht untersucht werden. Ein Computeralgorithmus macht es eventuell möglich.
In der Röntgenstrukturanalyse wird ein Kristall mit hochenergetischem Röntgenlicht bestrahlt. Die einzelnen Strahlen werden von den Atomen abgelenkt und produzieren so auf einem Detektor ein Muster aus verschieden hellen Stellen. Aus diesem Beugungsbild können Wissenschaftler schließlich die Lage der Atome im beleuchteten Kristall berechnen. Die mathematische Rekonstruktion erfordert eine genaue Kenntnis der Intensitätsverteilung und der Phasenlage der einzelnen Strahlen zueinander. Diese Phasenlage ist der relative Zeitunterschied in den einzelnen Lichtschwingungen. Um sie zu ermitteln wird das Beugungsmuster des Kristalls mit einem Referenzgitter verglichen, in dem einige Atome durch Schwermetalle ersetzt wurden. Die Signale von den schweren Atome bilden dabei Bezugspunkte, zu denen die Phasenlage der anderen Röntgenstrahlen bestimmt werden können.

Bei nicht-kristallinen Proben erzeugen die Röntgenstrahlen jedoch kein scharfes Muster, sondern vielmehr eine Verteilung von verwaschenen Flecken. Die Intensität verändert sich hier langsam von einem Lichtfleck zum nächsten. Diese allmähliche Variation ist von der Phasenbeziehung der Strahlen abhängig, so daß es zwar schwierig, aber prinzipiell möglich ist, den Phasenunterschied hieraus zu bestimmen, wie Forscher bereist zu Beginn der achtziger Jahre vorschlugen. Dank immer leistungsfähigerer Computer konnte nun der Physiker Jianwei Miao von der State University of New York mit seinen Kollegen den ersten Algorithmus hierzu erstellen.

Das Programm kombiniert die Daten der Intensitätsverteilung im Fleckenmuster mit einer zufällig gewählten Phasenbeziehung, um ein angenähertes Bild der Probe anzufertigen. Das vorläufige Bild wird wieder in eine Phasenlage zurücktransformiert, die mit der gemessenen Intensitätsverteilung wieder ein neues Bild ergibt. Nach tausend Zyklen steht schließlich das Bild fest.

Mit dieser Technik ist es dem amerikanischen Team gelungen, eine Folge von kleinen Goldtupfen mit einer Auflösung von etwa fünfundsiebzig Nanometern aufzunehmen. Damit können sie die Auflösung gewöhnlicher Kristallographie lange nicht erreichen, die mehrere hundertmal feiner sein kann. Mit Hilfe des Algorithmus können dafür alle Stoffe dargestellt werden, ob mit oder ohne kristalline Struktur, besser als mit jedem optischen Mikroskop. Bleibt nur noch die Frage nach einem passenden Namen für die Kristallographie ohne Kristall.

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