News: Kristallographie ohne Kristall
Bei nicht-kristallinen Proben erzeugen die Röntgenstrahlen jedoch kein scharfes Muster, sondern vielmehr eine Verteilung von verwaschenen Flecken. Die Intensität verändert sich hier langsam von einem Lichtfleck zum nächsten. Diese allmähliche Variation ist von der Phasenbeziehung der Strahlen abhängig, so daß es zwar schwierig, aber prinzipiell möglich ist, den Phasenunterschied hieraus zu bestimmen, wie Forscher bereist zu Beginn der achtziger Jahre vorschlugen. Dank immer leistungsfähigerer Computer konnte nun der Physiker Jianwei Miao von der State University of New York mit seinen Kollegen den ersten Algorithmus hierzu erstellen.
Das Programm kombiniert die Daten der Intensitätsverteilung im Fleckenmuster mit einer zufällig gewählten Phasenbeziehung, um ein angenähertes Bild der Probe anzufertigen. Das vorläufige Bild wird wieder in eine Phasenlage zurücktransformiert, die mit der gemessenen Intensitätsverteilung wieder ein neues Bild ergibt. Nach tausend Zyklen steht schließlich das Bild fest.
Mit dieser Technik ist es dem amerikanischen Team gelungen, eine Folge von kleinen Goldtupfen mit einer Auflösung von etwa fünfundsiebzig Nanometern aufzunehmen. Damit können sie die Auflösung gewöhnlicher Kristallographie lange nicht erreichen, die mehrere hundertmal feiner sein kann. Mit Hilfe des Algorithmus können dafür alle Stoffe dargestellt werden, ob mit oder ohne kristalline Struktur, besser als mit jedem optischen Mikroskop. Bleibt nur noch die Frage nach einem passenden Namen für die Kristallographie ohne Kristall.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 16.7.1999
"Wie Du mir, so ich Dir"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 5.5.1998
"Kristallstruktur des neuronalen Fusionskomplexes aufgeklärt"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 1/93, Seite 74
"Biomoleküle zum Anschauen"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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