Gelehrtenstreit: Kritik an "Ardis" Einordnung als Menschenvorfahr
In einer Aufsehen erregenden Studiensammlung präsentierten Forscher um Tim White von der University of California in Berkeley kürzlich eine umfassende Analyse von Ardipithecus ramidus. Das in Analogie zu "Lucy" liebevoll "Ardi" genannte und außergewöhnlich gut erhaltene Fossil stellten die Wissenschaftler in die direkte Ahnenreihe des Menschen – kurz nach der Aufspaltung der Mensch-Schimpansen-Linie und noch vor den späteren Australopithecinen. Gleich zwei Kommentare ziehen nun zentrale Punkte der damaligen Untersuchung in Zweifel.
In einer zeitglich mit Sarmientos Einwand veröffentlichten Entgegnung Whites weist dieser sämtliche Kritikpunkte zurück [2]. Sarmiento hatte unter anderem kritisiert, dass bestimmte, für White ganz wesentliche Gebissmerkmale nur unzuverlässig über Abstammungslinien Auskunft geben. White argumentiert nun, dass selbst in dieser Hinsicht Ardi in eine klar erkennbare zeitliche Entwicklung eingefügt werden könne und dass vor allem aus der Gesamtschau aller körperlichen Merkmale ein einheitliches Bild entstehe. Folge man hingegen Sarmientos ohnehin nur sehr spärlichen Alternativerklärungen, komme man nicht umhin, "gewundene und unökonomische Entwicklungswege" anzunehmen.
Darüber hinaus hatten die Autoren der ursprünglichen Studiensammlung Ardis Lebensumfeld umfassend charakterisiert. Ihre Schlussfolgerungen wurde nun ebenfalls stark kritisiert [3]. Beispielsweise sei der Lebensraum Ardis mitnichten so waldreich gewesen wie von White und Mitarbeitern behauptet, schreiben Thure Cerling von der University of Utah in Salt Lake City und Kollegen. Zu diesem Ergebnis kommen sie unter anderem auf Grund des Verhältnisses von C4- zu C3-Pflanzen in Bodenproben der Fundregion. Ihrer Meinung nach spricht der hohe Anteil von C4-Pflanzen, wie sie in offenen Graslandschaften auftauchen, dafür, dass Ardi und ihre Artgenossen in einer Art Savanne lebten, die von baumbestandenen Flussufern durchzogen war. White und Kollegen interpretierten ihre Daten damals als Hinweis auf eine stärker bewaldete Umwelt – eine Auffassung, der sie in ihrer Entgegnung immer noch treu bleiben [4]: Auch wenn savannenartige Landschaft dominiert habe, zeige der Fundplatz, dass Ardis bevorzugter Lebensraum die baumreichen Regionen beispielsweise in Flussnähe gewesen sei.
In welchem Umfeld A. ramidus lebte, gibt nicht nur Auskunft über seine Lebensweise, sondern auch über die Entwicklung des Menschen. Anhänger der so genannten Savannen-Hypothese vertreten beispielsweise die Auffassung, dass das Leben im offenen Gelände der Savanne zur Entstehung des aufrechten Gangs maßgeblich beigetragen habe. White und Kollegen meinten, auf Grund ihrer Ergebnisse dieser Theorie ein für allemal die empirische Grundlage nehmen zu können – schließlich hatte A. ramidus in einer waldreichen Gegend den Zweifüßergang erworben. Ob diese und andere Schlussfolgerungen des Teams um White tatsächlich so stichhaltig sind wie behauptet, ist angesichts der gerade erfolgten Doppelkritik also fraglich. (jd)
Esteban Sarmiento von der Human Evolution Foundation in East Brunswick sieht in Ardi eher einen gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse [1] – beziehungsweise hält die Frage für unentscheidbar, ob sie eher der menschlichen oder der Menschenaffenlinie zuzuschlagen wäre, sollte der Fund doch aus einer Zeit nach der Auftrennung stammen. Der Wissenschaftler verweist dazu auf Whites – seiner Meinung nach fehlerhafte – Rekonstruktion des "Letzten Gemeinsamen Vorfahren". Dessen angenommene Skelettmerkmale erlauben es, zu erkennen, wo A. ramidus moderne Eigenschaften aufweist, die sich sonst nur bei späteren Hominiden finden. In der ursprünglichen Publikation hatten White und Kollegen geschlussfolgert, dass sich bereits Ardi auf zwei Beinen fortbewegte. Sarmiento meint hingegen einen Körperbau zu erkennen, der eher der Lebensweise eines Gorillas entspricht.
In einer zeitglich mit Sarmientos Einwand veröffentlichten Entgegnung Whites weist dieser sämtliche Kritikpunkte zurück [2]. Sarmiento hatte unter anderem kritisiert, dass bestimmte, für White ganz wesentliche Gebissmerkmale nur unzuverlässig über Abstammungslinien Auskunft geben. White argumentiert nun, dass selbst in dieser Hinsicht Ardi in eine klar erkennbare zeitliche Entwicklung eingefügt werden könne und dass vor allem aus der Gesamtschau aller körperlichen Merkmale ein einheitliches Bild entstehe. Folge man hingegen Sarmientos ohnehin nur sehr spärlichen Alternativerklärungen, komme man nicht umhin, "gewundene und unökonomische Entwicklungswege" anzunehmen.
Darüber hinaus hatten die Autoren der ursprünglichen Studiensammlung Ardis Lebensumfeld umfassend charakterisiert. Ihre Schlussfolgerungen wurde nun ebenfalls stark kritisiert [3]. Beispielsweise sei der Lebensraum Ardis mitnichten so waldreich gewesen wie von White und Mitarbeitern behauptet, schreiben Thure Cerling von der University of Utah in Salt Lake City und Kollegen. Zu diesem Ergebnis kommen sie unter anderem auf Grund des Verhältnisses von C4- zu C3-Pflanzen in Bodenproben der Fundregion. Ihrer Meinung nach spricht der hohe Anteil von C4-Pflanzen, wie sie in offenen Graslandschaften auftauchen, dafür, dass Ardi und ihre Artgenossen in einer Art Savanne lebten, die von baumbestandenen Flussufern durchzogen war. White und Kollegen interpretierten ihre Daten damals als Hinweis auf eine stärker bewaldete Umwelt – eine Auffassung, der sie in ihrer Entgegnung immer noch treu bleiben [4]: Auch wenn savannenartige Landschaft dominiert habe, zeige der Fundplatz, dass Ardis bevorzugter Lebensraum die baumreichen Regionen beispielsweise in Flussnähe gewesen sei.
In welchem Umfeld A. ramidus lebte, gibt nicht nur Auskunft über seine Lebensweise, sondern auch über die Entwicklung des Menschen. Anhänger der so genannten Savannen-Hypothese vertreten beispielsweise die Auffassung, dass das Leben im offenen Gelände der Savanne zur Entstehung des aufrechten Gangs maßgeblich beigetragen habe. White und Kollegen meinten, auf Grund ihrer Ergebnisse dieser Theorie ein für allemal die empirische Grundlage nehmen zu können – schließlich hatte A. ramidus in einer waldreichen Gegend den Zweifüßergang erworben. Ob diese und andere Schlussfolgerungen des Teams um White tatsächlich so stichhaltig sind wie behauptet, ist angesichts der gerade erfolgten Doppelkritik also fraglich. (jd)
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