Ultrakalte Chemie: Neuer Tieftemperaturrekord für große Moleküle
Atome mit Lasern auf ultratiefe Temperaturen von einigen Billionstel Kelvin herunterzukühlen, ist fast schon Routine. Für viele Experimente sind jedoch Moleküle aus mehreren Atomen viel interessanter – und die ultrakalt zu machen, ist ziemlich kompliziert. Die klassischen Kühlverfahren, die bei einzelnen Atomen bewährt sind, funktionieren bei komplexeren Verbindungen nur schlecht. Eine Arbeitsgruppe um Xin-Yu Luo vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat nun demonstriert, wie man das Problem umgehen kann. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift »Nature« berichten, kühlten sie zweiatomige Moleküle mit klassischen Methoden auf extrem tiefe Temperaturen und verbanden sie dann mit Hilfe eines Mikrowellenfeldes. Die so entstandenen Moleküle aus vier Atomen hatten nur rund ein Dreitausendstel der bisher tiefsten Temperatur bei vieratomigen Molekülen.
Ultratiefe Temperaturen von wenigen Nanokelvin über dem absoluten Nullpunkt erlauben Fachleuten, exotische Materiezustände wie Bose-Einstein-Kondensate herzustellen und die Quanteneigenschaften von Atomen und ihre Wechselwirkungen im Rahmen chemischer Reaktionen zu untersuchen. Außerdem bieten sie Ansätze für spezialisierte Anwendungen wie Quantencomputer. Allerdings sind Atome für viele Versuche zu simpel – komplexere Moleküle bieten eine reichhaltigere interne Struktur mit komplexeren Quantenzuständen. Diese innere Struktur macht es jedoch auch schwieriger, sie zu kühlen. Salopp gesagt bieten die verschiedenen Energie- und Bewegungszustände der Moleküle viel mehr mögliche Verstecke für überschüssige Wärme.
Bisher war es nur möglich, zweiatomige Moleküle in den Nanokelvin-Bereich abzukühlen. Das war auch der Startpunkt für die Arbeitsgruppe um Luo. Doch der Trick ist, gar nicht erst zu versuchen, große Moleküle so weit zu kühlen. Stattdessen brachte das Team ultrakalte zweiatomige Moleküle dazu, miteinander zu größeren Verbindungen zu reagieren. Es erzeugte zuerst ein Gas aus NaK-Mokelülen bei einer Temperatur von 50 Nanokelvin und richtete dann die polaren Moleküle mit Hilfe eines Mikrowellenfeldes aus. Anschließend veränderte es die Polarisierung der Mikrowellen.
Bei einem bestimmten Wert schließlich entsteht eine Resonanz zwischen dem Mikrowellenfeld und dem gebundenen vieratomigen Zustand, so dass dieser Zustand begünstigt ist. Bei der Reaktion wird Energie frei, aber nur relativ wenig. Die entstehenden (NaK)2-Moleküle hatten schließlich eine Temperatur von 134 Nanokelvin – das sei 3000-fach weniger als der bisherige Tieftemperaturrekord, schreibt die Arbeitsgruppe in der Veröffentlichung. Außerdem funktioniere der Ansatz, Moleküle mit Hilfe einer durch Mikrowellen erzeugten Resonanz zu verbinden, prinzipiell mit allen polaren Stoffen. Deswegen biete die Technik einen allgemeinen Weg, komplexere Chemikalien bei extrem tiefen Temperaturen herzustellen.
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