Sexualität: Kuckuckskinder sind eine Ausnahme
Schwangere Frauen müssen fast nie lügen, wenn man sie nach dem Vater ihres Kindes fragt – denn "Kuckuckskinder", die bei einem Seitensprung vom heimlichen Geliebten gezeugt und dem Partner dann untergeschoben werden, sind wohl viel seltener als häufig kolportiert. Und dies ist nicht etwa eine Begleiterscheinung moderner Verhütungsmittel, die das Fremdgehen in puncto Nachwuchs folgenlos machen: Denn auch vor 400 Jahren waren Frauen ähnlich treu wie heute, ermittelte ein belgisches Forscherteam [1].
Die Wissenschaftler um Maarten Larmuseau von der Universität Leuven waren einer seit Langem umstrittenen Behauptung nachgegangen: Auf der Grundlage eher spärlicher Daten und Verhaltensstudien kann man spekulieren, dass womöglich zwischen 8 bis 30 Prozent aller Kinder nicht von dem Vater sind, den sie zu haben glauben. Diese hohe Zahl wird aber verschiedentlich als haltlos angezweifelt [2]. Larmuseaus Team überprüfte daher nun die tatsächliche genetische Verwandtschaft von 60 Belgiern, deren angebliche väterliche Ahnenreihe in Familienstammbäumen lückenlos über einige Generationen dokumentiert war.
Die Verwandtschaftsdaten stammten dabei aus einem flandrischen Genealogie-Portal: Als Teilnehmer wurden zunächst 1071 männliche Freiwillige rekrutiert, die darin ihre Ahnengenerationen bis mindestens ins Jahr 1800 zurück nachvollziehen konnten. Am Ende gruppierten die Forscher daraus 60 Paare, die laut Stammbaum vor mindestens sechs Generationen einen gemeinsamen männlichen Vorfahren gehabt haben. Die beiden Männer dieser Tandems müssen daher identische Y-Chromosom-Sequenzen haben: Diese werden vom Vater auf den Sohn vererbt und verändern sich erst nach vielen Generationen merklich. Am Ende ergab der Vergleich der Y-Chromosomen, dass 52 Paare tatsächlich einen gemeinsamen Urahnen hatten. Und daraus ergibt sich wiederum, dass rechnerisch nur 0,91 Prozent aller Kinder in einer Generation Folgen eines Seitensprungs waren.
Das Forscherteam sicherte sein Ergebnis parallel durch einen weiteren Analyseansatz ab. Dafür definierten die Forscher anhand genetischer Marker sowie typischer Vor- und Nachnamen zwei deutlich unterscheidbare Subpopulationen heutiger Belgier mit jeweils gruppenspezifischer "Haplotypenverteilung": eine flämische Gruppe und eine Gruppe mit nordfranzösischen Wurzeln. Die Vorfahren der französischstämmigen Belgier sind gegen Ende des 16. Jahrhunderts zugezogen. Mit einem komplexen statistischen Modell errechneten die Forscher dann, dass einerseits die Häufigkeit einer Namensänderung von flämisch zu französisch oder umgekehrt sowie die Veränderungen im Genpool der Gruppen tatsächlich zueinander passen. Wäre das nicht der Fall gewesen, so hätte dies durch Kuckuckskinder erklärt werden können. Tatsächlich aber deutet auch dieses Ergebnis darauf hin, dass nur höchstens zwei Prozent aller Kinder von fremden Vätern gezeugt wurden.
Die Forscher betonen, dass ihre Ergebnisse für Zeiten lange vor der Erfindung moderner Verhütungsmittel Gültigkeit haben, in denen Fremdgehen viel häufiger auch zu unerwünschtem Nachwuchs geführt haben dürfte. Wahrscheinlich waren Seitensprünge also heute wie in der Historie insgesamt seltener als bisher postuliert.
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