Hightech-Kühlkissen: Ein implantierbares Coolpack gegen Schmerzen
»Eis drauf!«: So lautet oft der Ratschlag, um Schmerzen schnell zu lindern. Je nach Verletzung ist allerdings recht viel Eis nötig, das auf die Haut gelegt zudem ungenau kühlt. Im Magazin »Science« hat ein Team der Northwestern University in den USA eine Alternative präsentiert: einen winzigen Eisbeutel, der sich implantieren und direkt auf einen einzelnen Nerv legen lässt. Die Schmerzen von Ratten konnte man auf diese Weise lindern, was darauf hindeutet, dass es auch für die Schmerzbehandlung bei Menschen geeignet sei, heißt es.
Das neue Gadget ist auf Grund seiner Größe und Beschaffenheit interessant. Es besteht aus einem weichen, dehnbaren, nervenähnlichen Material namens Polyoctandiolcitrat, kurz POC, das nach und nach im Körper schmilzt. »Lokale Kühlung ist ein wirksames Mittel, um Schmerzen zu stillen«, sagt Theanne Griffith, Neurowissenschaftlerin an der University of California in Davis, die nicht an der Studie beteiligt war. »Das Konzept zeigt, wie sich dieses seit Langem vorhandene Wissen innovativ anwenden lässt.«
Die Methode beruht auf winzigen, schlangenförmigen Röhren, durch die Flüssigkeit fließt, und einer elektronischen Schnittstelle, die Temperatur sowie Nervenaktivität misst und steuert. Die Kühlung erfolgt mit Hilfe der in den Röhrchen enthaltenen Chemikalie Perfluorpentan (PFP), die in den USA bereits als Kontrastmittel für Ultraschall zugelassen ist.
Eine weitere Kammer enthält trockenen Stickstoff. Kommen die beiden Chemikalien in Kontakt, erzeugen sie die gewünschte Kälte. Das nur wenige Millimeter lange Gerät umwickelt einen winzigen Abschnitt eines einzelnen Nervs wie eine Manschette und kühlt ihn direkt.
Zum Test hat die Gruppe das Gerät um den Ischiasnerv von Ratten eingepflanzt. Es kühlte sich schnell auf fünf Grad Celsius ab, was die Signale des Nervs stoppte. Nach der Kühlung funktionierte alles wie zuvor. Anschließend testeten die Forscherinnen und Forscher das Gerät in einem Tiermodell für chronische Schmerzen, bei dem ein Nerv geschädigt, aber nicht getötet wird. Drei Wochen nach der Operation zeigten zwei Kontrollratten eine höhere Empfindlichkeit bei einem Stich in die Pfote. Bei drei Ratten, die das Kühlmanschetten-Implantat erhalten hatten, wurde der geschädigte Nerv mit einer Kühlung auf zehn Grad Celsius behandelt. In der Folge stieg die Schmerzempfindlichkeitsschwelle um das Siebenfache und erreichte wieder das Niveau vor der Operation.
»Die Methode ist cool«
Das Studienteam schlägt vor, Menschen das Gerät während eines chirurgischen Eingriffs zu implantieren, bei dem bereits ein bestimmter Nerv betroffen ist. Zum Beispiel bei einer Amputation, die oft zu einem quälenden Zustand führt, der als Phantomschmerz bezeichnet wird.
Die Studienautoren weisen selbst darauf hin, dass noch einige Fragen bezüglich möglicher Nebenwirkungen bei Menschen zu klären sind.
»Die Methode ist cool – kein Wortspiel beabsichtigt«, sagt Allan Basbaum, ein Schmerzforscher an der University of California in San Francisco, der nicht an der Studie beteiligt war. »Sie ist provokativ, sie ist interessant. Aber es gibt noch viele Fragen bezüglich des Nutzens in einem klinischen Kontext.« Die Technologie müsse noch weiterentwickelt werden, um mögliche Nebenwirkungen zu untersuchen. Eine zu niedrige Temperatur könnte beispielsweise mit der Zeit zu Nervenschäden führen oder Taubheitsgefühle verursachen. »Wir sind noch nicht so weit«, sagt er. »Das ist kein Ersatz für Morphium.«
Das klassische Coolpack hat also längst nicht ausgedient. Wer darauf setzt, möge beachten: Man sollte möglichst sofort nach einer Verletzung zu kühlen beginnen. Akutes Kühlen ist allerdings lediglich für 15 bis 20 Minuten empfohlen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.