Kühlsysteme: Die Suche nach der klimafreundlichen Klimaanlage
Juli 2023 war weltweit der heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die extremen Hitzewellen stellten bisherige Temperaturrekorde ein und versetzten sogar Chile und Argentinien in Sommermodus, obwohl auf der Südhalbkugel gerade Winter herrscht. Die Wetterlagen verursachen allerdings mehr als nur schweißtreibendes Unbehagen. Allein in den USA sterben jedes Jahr mehr Menschen auf Grund von extremer Hitze als infolge von Überschwemmungen, Tornados und Hurrikans zusammen.
Größere Hitze und mehr heiße Tage haben auch zur Folge, dass gekühlte Wohnhäuser und Büros stark an Bedeutung gewonnen haben. Viel mehr noch: Eine klimatisierte Umgebung ist zu einem Grundbedürfnis für die Gesundheit geworden, womöglich gar ein grundlegendes Menschenrecht.
Und herkömmliche Klimaanlagen werden das weltweite Problem nicht lösen. Sie halten uns eher in einer Schleife negativer Rückkopplung gefangen: Denn je heißer es ist, desto mehr drehen die Menschen die Klimaanlage auf – und desto mehr Energie wird verbraucht. Das heißt, es werden auch mehr Treibhausgase ausgestoßen. »Wir befinden uns in einem Teufelskreis«, sagt die Ingenieurin Nicole Miranda, die an der University of Oxford über nachhaltige Kühlsysteme forscht. Und »es ist ein Teufelskreis, der sich beschleunigt«. Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) aus dem Jahr 2018 zeigen: Kühlsysteme fressen immer mehr Energie. Innerhalb von Gebäuden wächst ihr Verbrauch von allen Anlagen am schnellsten.
Sollten die Treibhausgasemissionen auf der Welt nicht entscheidend verringert werden, wird sich der jährliche Energiebedarf für Klimaanlagen bis 2050 weltweit mehr als verdreifachen, berechnete die IEA. Das ist ein Anstieg um mehr als 4000 Terawattstunden – so viel, wie in den USA pro Jahr an Energie verbraucht wird.
Damit ist klar: Die Menschheit kann mit derselben Klimatisierungstechnik, die sie seit fast einem Jahrhundert nutzt, in Zeiten des Klimawandels nicht weitermachen. Neue Technologien sind nötig, die die Umwelt deutlich weniger belasten.
Entweichende Kältemittel setzen schädliche Treibhausgase frei
Ein bekanntes Problem bergen die chemischen Kältemittel: Sie enthalten klimaschädliche Stoffe, die freigesetzt werden, wenn die Kältemittel etwa aus Lecks entweichen. Daher zielen einige Forschungsprojekte darauf ab, diese Substanzen mit weniger schädlichen Chemikalien zu ersetzen. Abgesehen davon sind die Kältemittel jedoch nur für einen Bruchteil der Negativbilanz verantwortlich. Etwa 80 Prozent der Emissionen, die eine Standard-Klimaanlage ausstößt und die zur globalen Erwärmung beitragen, stammen derzeit aus der Energie, die für ihren Betrieb benötigt wird, sagt Nihar Shah, Direktor des Global Cooling Efficiency Program am Lawrence Berkeley National Laboratory. Daher versuchen Fachleute, die Energieeffizienz der Kompressoren und Wärmetauscher zu verbessern – beide Bauteile stecken in so ziemlich jeder Klimaanlage.
Herkömmliche Klimaanlagen kühlen nicht nur, sondern sie entfeuchten auch die Luft – durch einen eher ineffizienten Mechanismus: Um Wasser aus der Luft zu kondensieren, erklärt Shah, kühlen die Geräte sie stärker ab als eigentlich nötig, auf eine geradezu unangenehme Temperatur. Neue Baumodelle trennen daher den Entfeuchtungs- und den Kühlungsprozess, damit es erst gar nicht übermäßig kalt wird. Sie entziehen der Luft Feuchtigkeit mit Hilfe von Trocknungsmitteln – so ähnlich wie Silikagel, das in kleinen Beutelchen verpackt neu gekauften Elektrogeräten oder Schuhen beiliegt. In einem solchen Entfeuchtungsprozess wird die Luft auf eine angemessenere Temperatur gedrosselt. Allerdings könnte dann wieder der Energieverbrauch steigen, weil das Trocknungsmittel durch Wärme wieder »aufgeladen« werden muss. Ein Start-up namens Transaera in Somerville, Massachusetts, will daher Klimaanlagen konstruieren, bei denen die Abwärme zum Aufladen des Trocknungsmittels genutzt wird. Transaera gibt an, dass ihr System deshalb 35 Prozent weniger Energie verbrauchen würde als ein Standard-Kühlgerät.
Klimaanlagen liefen aber bereits deutlich energiesparender, wenn die Lufttrocknung mit einer so genannten evaporativen Kühlung kombiniert wäre. Dadurch würde im Kühlprozess ein Abschnitt entfallen, der besonders viel Energie benötigt – nämlich die Kompression.
Im Grunde funktionieren alle herkömmlichen Klimaanlagen auf dieselbe Weise: Das Kältemittel durchläuft einen Kreislauf. Zunächst wird es komprimiert, wobei es Wärme abgibt. Anschließend wird es in den Teil der Anlage geleitet, der sich im Innenraum befindet. Dort kann sich das Kältemittel ausdehnen – und kühlt so die Luft ab. Zugleich nimmt es die Wärme aus dem Innenraum auf und setzt sie draußen wieder frei. Nun beginnt der Kreislauf von vorn.
»Es gibt nicht die eine Strategie oder Antwort.« Vielmehr müssen mehrere Lösungen kombiniert werdenSneha Sachar, Expertin für Energieeffizienz bei ClimateWorks
Im Gegensatz dazu läuft die evaporative Kühlung oder Verdunstungskühlung einfacher ab. Sie funktioniert im Grunde so, wie Schweiß unsere Haut kühlt – also wenn Wasser von einem flüssigen Aggregatzustand in einen gasförmigen übergeht und dabei Wärme aufnimmt. So genannte »swamp cooler« funktionieren auf diese Weise, das sind teils selbst gebaute Kühlgeräte, bei denen ein Ventilator Luft über eine feuchte Membran bläst.
In klimatisch trockenen Regionen nutzen Menschen seit Jahrtausenden dieses Verfahren. Etwa im Iran: Dort errichtete man Yach-tschāls – große, kuppelförmige Lehmbauten, in denen Luft zirkuliert und Wasser verdunstet. Auf diese Weise sinken im Inneren die Temperaturen – tief genug, um im Winter eingelagertes Eis darin bis zum Sommer zu erhalten.
Allerdings erhöht sich bei diesem Prozess die Luftfeuchtigkeit. In Ländern mit heißen und trockenen Sommern ist das kein Nachteil, in einem klimatisierten Raum hingegen schon. Zu viel Feuchtigkeit in der Luft kann nämlich ab einem gewissen Punkt den Komfortgewinn durch die niedrigere Temperatur zunichtemachen. Um dieses Problem zu lösen, haben Forschungsgruppen, darunter das cSNAP-Team der Harvard University, Klimageräte entwickelt, in denen eine Wasser abweisende Schranke steckt. Sie erzeugt Verdunstungskälte und hält zugleich die Luftfeuchtigkeit zurück. Das gesamte System kommt ohne Kältemittel aus. »Wir gehen davon aus, dass wir so eine Klimaanlage bauen können, die um 75 Prozent energieeffizienter arbeitet«, sagt Jonathan Grinham, Architekturprofessor in Harvard und Designer von cSNAP.
Derweil erprobt das in Florida ansässige Unternehmen Blue Frontier ein Klimatisierungssystem, das ein Trocknungsmittel enthält (in diesem Fall eine flüssige Salzlösung) und den Prozess der Verdunstungskühlung nutzt. Dazu wird die Luft getrocknet und dann in zwei nebeneinanderliegende Ströme aufgeteilt, wie Geschäftsführer Daniel Betts erklärt. Der eine Luftstrom wird durch Verdunstung gekühlt, wohingegen in den anderen Luftstrom keine Feuchtigkeit eingeführt wird. Jener gleitet aber über eine dünne Wand aus Aluminium, die vom ersten Luftstrom gekühlt wurde. Auf diese Weise sinkt die Lufttemperatur. Das Trocknungsmittel wird dann mit Hilfe einer Wärmepumpe wieder »aufgeladen«, die nachts arbeitet, wenn das Stromnetz am wenigsten ausgelastet ist. Bisherige Versuche hätten gezeigt, so Betts, dass »wir den Energieverbrauch um 50 bis 90 Prozent senken könnten«.
Effiziente Klimaanlagen allein sind auch keine Lösung
Blue Frontier, cSNAP und Transaera befinden sich bisher allerdings in der Testphase. Bis zur Markteinführung wird es bei allen dreien noch ein paar Jahre dauern. Und selbst dann ist nicht zu erwarten, dass die neuen Systeme flächendeckend herkömmliche Klimaanlagen ersetzen werden. Zum einen, weil die Herstellungs- und Installationskosten relativ hoch sind, und zum anderen, weil die Branche recht träge reagiert. Zudem schafft sie oftmals lieber Kaufanreize für billige Geräte als für effizientere.
Doch selbst wenn sich der Klimawandel bestmöglich bremsen ließe, reichen die neuen Technologien nicht aus, um den steigenden Energieverbrauch für die Raumkühlung auszugleichen. Die IEA geht davon aus, dass durch die steigende Nachfrage in den kommenden 25 Jahren die Klimatisierung weltweit zirka 50 Prozent mehr Energie benötigen wird als heute, sagt Shah. Daher müssten parallel andere Ideen umgesetzt werden. Etwa im Bereich der Stadtplanung und in der Architektur von Gebäuden, so dass Räume erst gar nicht künstlich gekühlt werden müssen. Hilfreich wären deutlich mehr Grünflächen und Gewässer in Städten, ebenso Fenster, die sich gut von der Sonne abschirmen lassen, sowie an Stellen errichtete Gebäude, die effektiv natürliche Windregime ausnutzen. Überdies müssten Bauten besser isoliert werden. Und vielleicht wären sogar Gebäude eine Lösung, die bedeckt mit reflektierenden Materialien die Wärme ins All ableiten können – davon sind sowohl Shah als auch Oxford-Forscherin Miranda überzeugt.
»Die Klimatisierung ist eine multiple Problematik«, sagt auch Sneha Sachar, Expertin für Energieeffizienz bei der gemeinnützigen Organisation ClimateWorks. »Es gibt nicht die eine Strategie oder Antwort.« Vielmehr müssen mehrere Lösungen kombiniert werden.
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