Direkt zum Inhalt

News: Künstliches menschliches Chromosom im Miniatur-Format

Künstliche Chromosomen gelten als vielversprechendes neues Werkzeug für die Gentherapie. Einmal in Zellen mit genetischen Defekten eingeschleust, werden sie bei jeder Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben. Forscher haben nun das bisher kleinste Exemplar eines künstlichen menschlichen Chromosoms hergestellt: Es ist nur ein Zehntel so groß wie seine natürlichen Verwandten im Durchschnitt.
Wissenschaftler sind fieberhaft auf der Suche nach neuen Transportvehikeln für die Gentherapie. Bisher setzen sie vor allem veränderte Viren ein, um die DNA in die Zellen zu schleusen. Doch diese Genfähren haben einen großen Nachteil: Für die langen Sequenzen mancher Gene ist ihre Hülle einfach zu klein, sie passen nicht hinein.

Ein anderer Ansatz ist, das gewünschte Erbmaterial in Form eines künstlichen Chromosoms in die Zellen einzubringen. Damit es dort jedoch nicht als Fremdkörper erkannt und direkt wieder abgebaut wird, muss es Telomere besitzen, die Schutzkappen der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung ein Stückchen kürzer werden. Außerdem benötigt es ein Centromer, damit es bei der Zellteilung korrekt auf die Tochterzellen verteilt werden kann, und eine Startsequenz für die Replikation.

Bisher haben Forscher vor allem zwei Methoden angewendet, um künstliche Chromosomen herzustellen: Entweder haben sie diese aus Bruchstücken zusammengesetzt, oder sie haben die Arme eines bestehenden Chromosoms gekürzt. Beide Verfahren haben jedoch ihre Nachteile. Die selbst zusammengebastelten Chromosomen sind meist sehr groß und komplex, was sie sehr unhandlich macht. Die beschnittenen Varianten sind hingegen oft instabil, was offenbar an der speziellen Struktur des Centromers liegt. Hier wiederholen sich kurze DNA-Abschnitte unzählige Male, was bei der Vervielfältigung einige Probleme bereitet, so dass die Chromosomen zerstört werden können. Außerdem ist es nahezu unmöglich, diese Sequenzen genau zu bestimmen, was für einen medizinischen Einsatz jedoch absolut notwendig wäre.

Andy Choo vom Murdoch Childrens Research Institute in Melbourne und seine Kollegen sind nun mit einer neuen Methode erfolgreich gewesen – und sie haben dabei auch noch eines der bisher kleinsten künstlichen Chromosomen herstellen können. Sie nutzten winzige Bruchstücke des Chromosoms 10, die sie lose in den Zellen eines kranken Mädchens vorfanden. Diese haben ein eigenes neues Centromer, ein so genanntes Neo-Centromer, ausgebildet und wurden daher bei jeder Teilung an alle Tochterzellen weitergegeben. Vorsichtig kürzten die Forscher die Bruchstücke nun soweit zusammen, bis eines sogar nur noch 0,7 Megabasen – und damit ein Zehntel der durchschnittlichen Länge eines normalen Chromosoms – aufwies. Und da das Neo-Centromer nicht die unzählig wiederholten kurzen DNA-Abschnitte enthält, ist es außerdem stabil.

Doch bis zum ersten Einsatz in der Gentherapie ist es noch lange hin. Denn unter anderem müssen die Wissenschaftler erst einmal einen Weg finden, die Mini-Chromosomen in Zellen einzuschleusen. Und dann bleibt noch abzuwarten, ob diese bei der nächsten Teilung überhaupt mit vervielfältigt werden. Doch wenn dem so ist, dann wäre das Savio Woo vom Gene Therapy Institute der Mt. Sinai School of Medicine in New York City "sehr, sehr aufregend".

  • Quellen

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.