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Große Magellansche Wolke: Kugelsternhaufen blieb nach galaktischer Einverleibung übrig

Größere Galaxien wachsen, indem sie mit kleinen Galaxien verschmelzen. Dass auch kleine Galaxien wachsen, indem sie noch kleinere Galaxien schlucken, zeigt das Beispiel des Kugelsternhaufens NGC 2005 in der Großen Magellanschen Wolke.
Die Aufnahme der ESA zeigt die Große Magellansche Wolke. Sie ist eine Satellitengalaxie des Milchstraßensystems.

Das »hierarchische Modell der Galaxienentstehung« beschreibt, etwas weniger fachsprachlich ausgedrückt, das Prinzip »Groß frisst klein«: Große Galaxien wachsen, indem sie mit kleineren Galaxien verschmelzen. Ob das Prinzip »Groß frisst klein« auch für »Klein frisst kleiner« gilt, haben Forschende um Alessio Mucciarelli von der Universität Bologna nun anhand der Großen Magellanschen Wolke, einer Satellitengalaxie unseres eigenen Milchstraßensystems, überprüft. Ihr Fazit: Ja, auch zunächst kleinere Galaxien wie die Große Magellansche Wolke wachsen, indem sie sich die eine oder andere Zwerggalaxie einverleiben. Die Studie erscheint im Fachmagazin »Nature Astronomy«.

Die Große Magellansche Wolke ist eher den Bewohnern der Südhalbkugel bekannt, die sie mit bloßem Auge zwischen den Sternbildern Schwertfisch und Tafelberg erkennen. Rund 163 000 Lichtjahre ist sie von uns entfernt. Zu einiger astronomischer Prominenz gelangte sie, als in ihr im Jahr 1987 eine Supernova explodierte, die bis dato nächste Supernovaexplosion, die in modernen Zeiten beobachtet wurde.

Ob eine Galaxie einst mit einer anderen verschmolzen ist, können Astronomen im Nachhinein mit verschiedenen Methoden nachvollziehen. Indizien liefern zum Beispiel Sternströme, also eine Gruppe oder eher lose Ansammlung von Sternen, die sich mit ähnlichen Geschwindigkeiten in ähnliche Richtungen bewegen. Damit belegten Forschende 2018, dass sich vor rund zehn Milliarden Jahren eine Nachbargalaxie regelrecht in unsere Milchstraße hineingerammt hat. Die notwendigen Daten für die Analyse waren zuvor durch die Gaia-Mission gesammelt worden. Für ihre Untersuchung der Großen Magellanschen Wolke konnte die Gruppe um Mucciarelli nun aber nicht auf Sternströme oder Gaia-Daten zugreifen. Stattdessen untersuchte sie mit Kugelsternhaufen Objekte, die eine galaktische Kollision überstehen können. Zudem sind die chemische Zusammensetzung und die Elementhäufigkeiten von Kugelsternhaufen ziemlich typisch für ihre Heimatgalaxie. Ein einst von einer verschluckten Galaxie stammender Kugelsternhaufen sollten sich daher von einem Kugelsternhaufen unterscheiden lassen, der in der Großen Magellanschen Wolke selbst entstanden ist.

Der Kugelsternhaufen NGC 2005 liefert Hinweise auf eine Galaxienverschmelzung

Die Astronominnen und Astronomen untersuchten insgesamt 13 Kugelsternhaufen in der Großen Magellanschen Wolke auf ihre Elementhäufigkeiten hin, um herauszufinden, ob unsere Satellitengalaxie je eine andere Galaxie geschluckt hat. Dabei fiel der sonst unspektakuläre Kugelsternhaufen NGC 2005 auf, der sich von den anderen Kugelsternhaufen in der Großen Magellanschen Wolke unterscheidet: Die Zusammensetzung seiner Elemente legt nahe, dass er kaum in der Großen Magellanschen Wolke entstanden sein kann. Die Forschenden halten es auf Grund von Modellierungen für wahrscheinlich, dass dieser Kugelsternhaufen das letzte Überbleibsel einer ehemaligen Zwerggalaxie darstellt, die eine niedrigere Sternentstehungsrate als die Große Magellansche Wolke aufwies.

Wann genau und wie diese beiden Galaxien miteinander verschmolzen, darüber können die Ergebnisse keinerlei Auskunft geben. Tatsächlich liefert NGC 2005 keine sonstigen Hinweise auf seine extragalaktische Herkunft: Seine Radialgeschwindigkeit ähnelt der anderer Kugelsternhaufen in der Nähe. Somit verrät lediglich seine Zusammensetzung, dass er ursprünglich nicht in dieser Satellitengalaxie der Milchstraße entstanden ist, so die Forscher. Sie werten ihr Ergebnis als Indiz dafür, dass das Modell der hierarchischen Galaxienentwicklung nicht nur für Spiralgalaxien wie die Milchstraße gilt, sondern auch für kleinere irreguläre Zwerggalaxien wie die Magellanschen Wolken.

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