Kulinarisches Labor: Ein Senf der anderen Art
Der Senf verdankt seine Schärfe mehreren Stoffen, doch der Hauptverantwortliche ist das Allylisothiocyanat, auch Allylsenföl genannt. Es bildet sich, wenn Senfkörner zermahlen werden und die freigesetzte Myrosinase (ein Enzym) das Sinigrin (ein Senföl-Glycosid) spaltet, das im ganzen Korn normalerweise vom Enzym getrennt vorliegt.
Allylisothiocyanat ist auch für die Schärfe von Radieschen, Kresse, Wasabi und Meerrettich verantwortlich. Pur oder vermischt mit Stärke sorgt es im Mund für die charakteristische Schärfe, die sofort als Wasabi oder Meerrettich erkannt wird, je nachdem, aus welchem Kulturkreis man kommt.
Nun könnte man das Pulver einfach wie Salz oder Pfeffer zum Würzen benutzen. Doch der Senf würde so seine charakteristische Konsistenz verlieren. Kann man ihn womöglich ausgehend vom Allylisothiocyanat nachbilden? Das Senfölpulver erhält man übrigens in Geschäften, die Aromastoffe und andere Lebensmittelzutaten vertreiben.
Erfinden wir eine Würzpaste, die dem Senf ähnelt!
Senf ist mehr als nur ein einfaches Schärfemittel, denn die Senfkörner werden gemeinsam mit unterschiedlichen Zutaten gemahlen, zum Beispiel Wasser, Essig, hellem Traubensaft, Traubenmost und Wein. Damit tragen sie mehr zum Geschmackserlebnis bei als nur Schärfe, darunter Essig-, Apfel-, Zitronen- und andere Säuren sowie verschiedene Zuckerarten und Salz. Senf kann also eine wunderbare Komposition sein.
Leider haben die Köche dessen Herstellung der Industrie überlassen, und die schöpft die mögliche Vielfalt bei Weitem nicht aus. Erfinden wir also eine Würzpaste auf der Basis von Allylisothiocyanat, die dem Senf ähnelt!
Dafür müssen wir die Schärfe erst einmal in eine Art Paste einbetten. »Pastenartig« bedeutet immer, dass es sich um eine Suspension, also feste Partikel in einer Flüssigkeit handelt. Womit sich mehrere Möglichkeiten auftun.
Serie »Kulinarisches Labor«
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Aus dem Innenleben einer Flasche
Bei der Flüssigkeit kann es sich wiederum um eine wässrige Lösung oder ein geschmolzenes Fett handeln. Und je nach Lösungsmittel kann als Feststoff Salz, Zucker, Mehl, Stärke oder auch zermahlenes Gelee dienen. Letzteres schlagen wir hier vor: Das scharfe Puder wird zunächst in Wasser gelöst, die Lösung zu Gelee verarbeitet und das Gelee anschließend in Wasser oder Öl zerrieben.
Es gibt jedoch noch weitere Geschmacksstoffe, die wir ausprobieren können. Da Senfkörner (die übrigens Stärke enthalten) traditionell in Wein oder Essig zermahlen werden, könnte man das Gelee-Wasser oder das resultierende Lösungswasser mit Essig- oder Weinsäure anreichern. Und denken wir daran, dass Pflanzen sehr oft drei Zuckerarten enthalten: Glukose (die angenehm süß schmeckt), Fruktose und Saccharose. Diese Zuckerarten sind auch in elsässischen Würzmitteln enthalten, und es wäre schade, sie nicht zu nutzen.
So zeichnet sich langsam ein Rezept ab, bei dem wir uns nicht entscheiden müssen zwischen Stärke oder Gelee: Wir vermischen einfach beide, natürlich ohne das Salz zu vergessen.
Und wie heißt das Ganze nun? Wir dürfen eigentlich nicht von »Senf« sprechen, da der Name zu Recht geschützt ist. Daher schlage ich vor, es »Cahours« zu nennen – nach dem französischen Chemiker Auguste Cahours (1813–1892), der einer der Ersten war, der das Isothiocyanat, das Senföl, erforscht hat.
Das Rezept
- Essig in einen Topf geben und im Verhältnis zum Essig 10 Prozent Agar-Agar dazugeben und aufkochen
- Warten, bis die Flüssigkeit abgekühlt ist und anfängt, ein Gelee zu bilden
- Mehl ohne Zugabe von Fett in einem Topf anrösten
- Etwas Wasser hinzufügen und bei geschlossenem Deckel auf kleiner Flamme köcheln, um die Stärke zu verdicken
- Zum Agar-Agar-Gelee das geröstete Mehl geben, dazu etwas Öl, Salz, Zucker, Weinsäure, einen Lebensmittelfarbstoff und Allylisothiocyanat und zu einer Paste verarbeiten
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