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Konservierung: Warum Barbie grüne Ohren kriegt

Plastik gilt als ungewöhnlich dauerhaft. Doch tatsächlich rotten vor allem ältere Kunststoffe schnell. Fachleute suchen nach Wegen, Barbie vor dem Verfall zu retten.
Eine Sammlung von Barbiepuppen auf einem Flohmarkt.
Barbiepuppen auf einem Flohmarkt. Der Kunststoff in den Spielzeugen beginnt nach einigen Jahren merklich zu altern - ein Problem für Museen.

Von manchen Menschen wird Barbie als weibliches Rollenmodell gefeiert. Sie war schon Astronautin oder Chirurgin, bevor diese Karrieren für Frauen im wirklichen Leben normal wurden. Andere machen sich über sie lustig, weil sie stets hohe Absätze trägt und ihre Figur völlig realitätsfern ist. Manche befürchten, ihr Aussehen könne eine Unzufriedenheit junger Mädchen mit ihrem eigenen Körper verstärken. Wie dem auch sei, Barbie hat längst den Status einer kulturellen Ikone erreicht und ist zu einem begehrten Sammlerobjekt avanciert: Die ältesten und seltensten Exemplare sind heute mehr als 1000 Dollar wert.

Allerdings ist es gar nicht so einfach, Barbie für die Nachwelt zu erhalten. Wie die meisten Kunststoffe sind die Plastikpuppen nicht für die Ewigkeit gemacht. Sie leidet, wie Restauratoren sagen würden, an einem »inhärenten Mangel« – also einer Instabilität, die dem Kunststoff innewohnt, aus dem sie hergestellt ist. Eine, die sich bemüht die Puppen zu konservieren, ist die Materialwissenschaftlerin und Restauratorin Odile Madden vom Smithsonian National Museum of Natural History in Washington, D.C. Bisweilen werde sie dafür verspottet: »Warum gibst du dir so viel Mühe mit diesem Mädchenspielzeug?«, heißt es oft. Aber auch Madden war mal ein kleines Mädchen – Barbies Erbe zu bewahren, nimmt die Forscherin daher sehr ernst. »Barbie ist wirtschaftlich wichtig, Barbie ist kommerziell wichtig, Barbie ist kulturell wichtig. Barbie ist eine Milliarden-Dollar-Industrie«, sagt sie.

Klebrige Beine und grüne Ohren

Auch an Barbie geht das Altern nicht spurlos vorüber. Eines ihrer häufigsten Leiden ist das so genannte »sticky leg syndrome«. Dabei handelt es sich um klebrige Ablagerungen oder weiße Blüten, die vor allem an den Beinen auftreten. »Die meisten Restauratoren, die man fragt, haben solche klebrige Oberflächen bereits gesehen, vor allem bei älteren Exemplaren aus den 1950er und 1960er Jahren«, berichtet Rose King, die bis vor Kurzem am Metropolitan Museum in New York gearbeitet hat. Zuvor hatte sie am University College London (UCL) in Großbritannien während ihrer Doktorarbeit über den Abbau von Kunststoffen geforscht.

Das Sticky-Leg-Syndrom wurde etwa bei Barbiepuppen eines privaten Sammlers beobachtet, die von Andrea Macchia von der Università della Calabria in Italien und Kolleginnen und Kollegen des Netzwerks »Youth in Conservation of Cultural Heritage« untersucht wurden. Insgesamt inspizierte das Team 16 Puppen aus den Jahren 1959 bis 1976. Mit dabei war auch die Konservierungswissenschaftlerin Francesca Izzo von der Università Ca' Foscari in Venedig, Italien. Sie hat sich jüngst zusätzlich ihre eigenen Barbies aus ihrer Kindheit in den 1980er Jahren angeschaut, um die Zusammensetzungen mit den älteren Exemplaren zu vergleichen. Die Studie dazu ist aber noch nicht veröffentlicht.

Rose King wiederum stieß auf die klebrigen Beine, als sie mit einem Team die Figuren aus einer Kunstinstallation namens »Mouth Open, Teeth Showing 2000« untersuchte, die momentan als Leihgabe bei der Tate Gallery in Großbritannien ist. Darin hat die US-amerikanische Künstlerin Zoe Leonard 162 Kinderplastikpuppen, die sie Ende der 1990er Jahre auf Flohmärkten gesammelt hat, stehend in einem Raster arrangiert. Die Installation soll Einblicke gewähren, wie sich Mode, Geschlechterrollen und Repräsentationen im Lauf der Zeit verändert haben.

»Barbie ist wirtschaftlich wichtig, Barbie ist kommerziell wichtig, Barbie ist kulturell wichtig. Barbie ist eine Milliarden-Dollar-Industrie«Odile Madden, Restauratorin am Smithsonian National Museum of Natural History in Washington, D.C.

Für King und andere Forschende aus dem Bereich der Konservierungstechniken steht zunächst die schonende Analyse der Kunststoffe im Vordergrund. Das kulturell wichtige Material soll schließlich nicht beschädigt werden. Eine beliebte Technik ist die so genannte Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie im abgeschwächten Totalreflexionsmodus. Hierbei werden Infrarotstrahlen durch einen Kristall – oftmals ein Diamant – reflektiert, bevor sie auf die Probe treffen und dann detektiert werden. King entnimmt zusätzlich Tupferproben und verwendet eine Art Dünnschichtchromatografie, wie sie berichtet. »Die meisten Leute verzichten allerdings lieber auf Methoden mit Lösungsmitteln«, sagt sie.

Eine relativ einfache Analysetechnik, die Izzo und viele Restauratoren anwenden, induziert Fluoreszenz mittels UV-Licht. Damit lässt sich PVC – ein Stoff, der früher am häufigsten für die Herstellung von Barbiepuppen verwendet wurde – gut nachweisen, weil er leicht grün fluoresziert. »PVC wurde vor allem für das Gesicht, die Arme und Beine von Barbie und anderen Puppen genutzt, weil es hervorragend die Haut imitiert. Es gibt nicht wirklich andere Kunststoffe, die diese Textur aufweisen«, erklärt die Konservierungswissenschaftlerin Yvonne Shashoua vom Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen, die auf den Abbau von Kunststoffen spezialisiert ist.

Gefahr durch Weichmacher

PVC wird aus dem farb- und geruchlosen Gas Vinylchlorid hergestellt. Die Monomere des Gases lagern sich auf Grund elektrostatischer Wechselwirkungen zu langen Ketten zusammen, wodurch eine starre, fast kristalline Struktur entsteht. »Wenn man es schafft, kleinere Moleküle dazwischen zu platzieren und die Anziehungskraft der inneren Ketten ein wenig zu schwächen, kann man einen Kunststoff herstellen, der flexibel, aber bei Raumtemperatur immer noch fest ist«, erklärt Madden. Laut Shashoua seien die kleinen Moleküle äquivalent zu Weichmachern, obwohl sie das Polymer nicht gleichmäßig überziehen, sondern sich lediglich in den weniger kristallinen amorphen Bereichen innerhalb der PVC-Struktur anlagern. Das reicht jedoch aus, um ein biegsames Polymer zu erschaffen.

Üblicherweise machte der Weichmacheranteil zwischen 30 und 40 Prozent des Gesamtgewichts aus. Bereits in den Anfangszeiten der Kunststoffproduktion wurden Phthalsäureester zu den bevorzugten Molekülen: »Zunächst wurden sie als Weichmacher für Celluloseacetat verwendet und später auch für PVC«, sagt King. Die Eigenschaften dieser Moleküle lassen sich ganz leicht anpassen, indem man die Verzweigungen oder die Länge der Alkoholkette ändert. In älteren Barbies sind noch häufig die Stoffe Dioctylphthalat oder Di(2-ethylhexyl)phthalat zu finden. Diese beiden Verbindungen sind in Spielzeug wegen ihrer schädlichen Wirkung auf das menschliche Hormonsystem in der EU und den USA inzwischen verboten.

Die Materialien sind auf Dauer nicht stabil: »Der Weichmacher bewegt sich frei zwischen den Polymerketten, was bedeutet, dass er durch einen Diffusionsprozess wieder austreten kann«, erläutert Shashoua. Je nach verwendetem Phthalat kann es verdampfen, was in einem Diffusionsgefälle und weiterem Austreten von Weichmacher resultiert. Oder es können sich die klebrigen Ablagerungen bilden.

Die von Izzo und King entdeckten Rückstände sind beide auf Weichmacher zurückzuführen. Die weißen Ablagerungen auf einer der Puppen aus der Leonard-Installation enthielten Cyclopentanon. Das Team nimmt an, dass es ein Abbauprodukt der Adipinsäure ist, deren Ester als Weichmacher verwendet wird. Schreitet der Abbau voran, wird PVC spröder und kann sogar schrumpfen, sobald mehr als 15 Prozent des Weichmachers entwichen sind. Bei den meisten Barbiepuppen fällt das aber nicht auf.

Auch das Polymer selbst kann sich mit der Zeit verändern. Es kann etwa durch Licht oxidiert werden, was zur Konjugation und Vernetzung der Polymerketten führt und eine dunkle Verfärbung verursacht. Shashoua hat eine PVC-Puppe aus den 1970er Jahren untersucht, die nach 50 Jahren lediglich an den Armen, im Gesicht und unter den Knien bräunliche Flecken aufweist. »Das liegt daran, dass sie ein Kleid trug, was sie sowohl vor der Verdunstung des Weichmachers als auch vor dem Sonnenlicht schützte«, stellt die Forscherin fest.

Im Lauf der Jahre kann bei Barbie auch das »Grünohrsyndrom« auftreten, bei dem grüne Flecken um die Ohren oder sogar im Gesicht auftreten. Diese kommen vom Chlorwasserstoff, der freigesetzt wird, wenn das Polymer oxidiert. »Phthalat-Weichmacher wirken zwar als Antioxidantien für das PVC-Polymer«, sagt Shashoua, »aber je mehr Weichmacher verloren gehen, desto mehr Chlorwasserstoff entsteht.« Ist Kupfer vorhanden – zum Beispiel in einem Ohrring – beginnt dieses irgendwann zu korrodieren. Durch den diffundierenden Weichmacher kann es mobilisiert werden und Schlieren aus Kupferchlorid auf der Puppe hinterlassen.

Lange Beine machen Probleme

Im Jahr 2017, als Madden am Smithsonian Museum Conservation Institute arbeitete, wurde sie gebeten, bei der Diagnose eines eher ungewöhnlichen Barbiefalls zu helfen. Bei der Puppe aus einer Privatsammlung in Los Angeles handelte es sich um eine 1960 #4 Barbie, eines der ersten Modelle mit dem heute wohlbekannten schwarz-weißen Badeanzug. Auf dem Rücken der Puppe befand sich eine handschriftliche Signatur von Mattel-Mitbegründerin Ruth Handler. Die Unterschrift war unscharf geworden, weil die Tinte im Plastik gewandert war. Die ›Patientin‹ wurde von den damaligen UCLA-Studentinnen Marcy Burton und Morgan Burgess, die heute beide professionelle Restauratoren sind, zu Madden nach Washington gebracht.

»Die Beine zeigten die weißen kristallinen Ausblühungen«, erinnert sich Madden. Doch die Analyse der wiederkehrenden Ablagerungen offenbarte, dass es sich nicht um das herkömmliche Sticky-Leg-Syndrom handelte. »Um das Material zu analysieren, legten wir die Barbie auf den ATR-Kristall unseres FTIR-Spektrometers und stellten fest, dass die Beine aus PVC waren«, erzählt Madden. Außerdem identifizierten sie den Weichmacher Di(2-ethylhexyl)phthalat, der bei Raumtemperatur flüssig ist, so dass die kristalline Schicht keinen Sinn ergab.

Eine weitere Analyse der Kristalle mittels Raman-Spektroskopie ergab, dass es sich bei dem Flaum um ein Stearat (eine organische Säure mit einer Kette aus 18 Kohlenstoffatomen) handelte, wahrscheinlich Natriumstearat. Laut Madden stellte sich nun folgende Frage: »Weshalb ist Stearat vorhanden?« Stearinsäure und andere Stearate sind gängige Schmiermittel, die das Formen von PVC erleichtern, indem sie die Fließeigenschaften verbessern und verhindern, dass der flüssige Kunststoff an der Form kleben bleibt.

Das Team untersuchte schließlich die Puppe sowie zusätzlich eine andere aus dem Jahr 1963 mit einem Computertomografen, um deren Strukturen miteinander zu vergleichen. Im PVC der Beine fanden die Forschenden Blasen. Das lenkte ihre Aufmerksamkeit auf Barbies Figur, bei der die langen, oft kritisierten Beine mehr als die Hälfte ihrer Körpergröße ausmachen. Madden vermutete, dass die Blasen darauf hindeuten, dass der heiße, flüssige Kunststoff schon während des Gießens abkühlte und aushärtete, bevor er an den Zehen am Ende der Form ankam. Könnten die Stearate also hinzugefügt worden sein, um diese vorzeitige Abkühlung zu verhindern und es dem PVC zu ermöglichen, das Ende der Form mit weniger Blasen oder Unregelmäßigkeiten zu erreichen?

»Uns kam die Idee, dass die Stearate diese langen Beine erst möglich machten«, sagt Madden. In Anbetracht des Alters der Puppe könnte es sich dabei um ein frühes Vorgehen gehandelt haben. Denn nicht bei allen Barbies tritt Gleitmittel aus, spätere Versionen sind offenbar verändert worden – zum Beispiel, indem man die Oberschenkel hohl gestaltete. »Wenn man bedenkt, wie unrealistisch solche Beine sind und wie viel Sorgen sich Mädchen um ihr Selbstbild und ihr Selbstwertgefühl wegen dieser Beine gemacht haben«, sagt Madden, »finde ich es einfach ironisch, dass sie auch der Grund für die Probleme der Barbie sind!«

Wie lässt sich Barbie konservieren?

Für die Konservatoren stellt sich nun die Frage, wie sie mit den klebrigen Beinen und anderen Körperteilen umgehen sollen, die sich im Alter verändern. Da die Stearate im finalen Objekt keinen Zweck mehr erfüllten, kam Maddens Team zum Schluss, dass keine weitere Gefahr für die Puppe besteht, wenn man den weißen Flaum entfernt. Doch die Barbie von Weichmachern zu befreien, ist nicht so einfach. »Es gibt zwei Lehrmeinungen«, sagt die Dubliner Konservierungswissenschaftlerin Brenda Keneghan, die jetzt im Ruhestand am Victoria and Albert Museum in London arbeitet. »Die eine besagt, dass man die Puppe einfach liegen lässt und sie in einem geschlossenen Bereich aufbewahrt, damit sich kein Staub und Schmutz darauf absetzen kann. Die andere empfiehlt, den (ausgetretenen) Weichmacher zu entfernen, wohl wissend, dass im Lauf der Jahre noch mehr davon nachkommt.«

Mal abgesehen von der Gefahr, dass weitere Weichmacher aus dem Kunststoff diffundieren, wäre es auch aus konservierungstechnischen Gründen nicht ratsam, einen Teil des Materials zu entfernen, der für die Zusammensetzung wichtig ist. »Das Entfernen der Klebrigkeit sollte sorgfältig überlegt werden«, sagt Madden, obwohl sie einräumt, dass »Klebrigkeit Staub anzieht«. Sie hatte ein ähnliches Problem mit einem anderen Sammlerstück – der Trollpuppe, die ursprünglich von dem Möbelbauer Thomas Dam aus Holz geschnitzt wurde. In den 1950er Jahren wurde sie dann aus PVC hergestellt zu einem dänischen Exportschlager.

Ältere Troll-Sammelpuppen verlieren ebenfalls Weichmacher. Wenn sich Phthalsäureester auf der Oberfläche ablagern, reagieren sie manchmal mit Feuchtigkeit. So entsteht Phthalsäure oder ihr zyklisches Anhydrid, die beide weiße Kristalle bilden. »Diese lassen den Troll aussehen, als habe er Schuppenflechte«, berichtet Shashoua. Die Expertin würde die wasserlöslichen Kristalle entfernen. Allerdings sollte das in der Regel bei einer niedrigen Temperatur um die 50 Grad Celsius geschehen, um so den weiteren Verlust von Weichmachern zu minimieren, empfiehlt sie.

Außer dem Reinigen bleibt den Restauratoren nicht viel übrig, um dem Abbau von PVC etwas entgegenzusetzen. »Es gab schon ein paar Ideen für Coatings, aber diese waren nicht wirklich erfolgreich«, sagt Shashoua. Beschichtungen müssen gut auf der Oberfläche haften, was normalerweise durch die vorherige Anwendung eines Lösungsmittels gewährleistet wird. PVC ist aber resistent gegen Lösungsmittel, das ist einer der Vorteile des Materials. Aus diesem Grund ist es aber sehr schwierig, PVC zu ätzen, damit eine Beschichtung darauf haftet.

»UV-Licht ist der große Feind der Kunststoffe, da es genug Energie enthält, um Bindungen aufzubrechen«Brenda Keneghan, Konservierungswissenschaftlerin am Victoria and Albert Museum in London

So kann man letztlich nur versuchen, Schäden zu begrenzen, indem man die Umgebungsparameter sorgfältig kontrolliert, in der Barbies und andere Plastikpuppen aufbewahrt werden. »UV-Licht ist der große Feind der Kunststoffe, da es genug Energie enthält, um Bindungen aufzubrechen. Deshalb sollte man in Galerien und Geschäften immer UV-Filter haben«, rät Keneghan. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Objekte bei niedrigen Temperaturen zu lagern, um die Diffusion der Weichmacher zu verlangsamen. Dies wäre aber nicht nur kostenintensiv, sondern kann auch die Blütenbildung aus Stearat fördern, auf die Maddens Team gestoßen ist: Eine 2017 durchgeführte Untersuchung von mehr als 130 dänischen PVC-Puppen aus den 1980er und 1990er Jahren, die zehn Jahre lang in einer klimatisierten Einrichtung bei elf bis zwölf Grad Celsius gelagert wurden, fand weiße Ausblühungen von 1-Octadecanol (Stearylalkohol) auf der Oberfläche. Diese wurden wieder resorbiert, nachdem man die Puppen einen Monat bei Raumtemperatur gelagert hatte.

Die Migrationsrate von Weichmachern ließe sich auch verringern, indem man die Kunststoffe in versiegelten Behältern aufbewahrt. Zum Problem könnten dabei allerdings absorbierende Materialien werden, die der Umgebung Sauerstoff oder Feuchtigkeit entziehen sollen, aber am Ende auch mehr Weichmacher aus den Kunststoffen herausziehen. King berichtet, dass das Metropolitan Museum of Art in New York derzeit anoxische Lagerungsumgebungen erprobt, indem es Aufbewahrungsbeutel mit inerten Gasen füllt. Bei der Vielzahl der verschiedenen Kunststoffe, die Museen heute konservieren wollen, »gibt es keine Universallösung«, sagt King. Aber es werde zunehmend akzeptiert, dass einige (Kunststoff-)Objekte nicht gerettet werden können.

Nicht für die Ewigkeit

Ironischerweise denken wir heute, Kunststoffe seien nahezu unzerstörbar. Aber in Wirklichkeit sind viele Kunststoffobjekte ziemlich instabil – ein Gedanke, der in dem Begriff »inhärenter Mangel« zum Ausdruck kommt. Die Bezeichnung wurde von Restauratoren geprägt, um Materialien zu beschreiben, die auf Grund ihrer Beschaffenheit unweigerlich zur Selbstzerstörung führen. Während dies bei vielen frühen Barbiepuppen aus PVC bereits zu beobachten ist, zersetzen sich einige ältere Kunststoffe wie Zellulosenitrat auf noch dramatischere Weise und verbrennen sogar spontan.

»Alle Materialien sind instabil«, meint Shashoua, aber Kunststoffe haben eine unglaublich kurze Lebensdauer im Vergleich zu Metallen, Stein und sogar Textilien oder Baumwolle. Für die Macher von Barbie war die Langlebigkeit nie ein großes Thema. »Kunststoffe waren nie wirklich auf eine lange Haltbarkeit ausgelegt. Wenn die Barbiepuppe oder der Duschvorhang auseinanderfällt, kauft man einfach einen neuen«, sagt Keneghan. Izzo stimmt zu: »Barbies sollten nicht in Museen stehen, sondern von Kindern benutzt werden.«

Das heißt nicht, dass der Hersteller Mattel seit der Einführung von Barbie im Jahr 1959 die verwendeten Kunststoffen nicht weiterentwickelt hat. Bei der Analyse von 16 Barbiepuppen fanden Izzo und ihre Mitarbeiter heraus, dass der Torso von Barbie in den 1970er Jahren von PVC über Polyethylen niedriger Dichte zu Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) wechselte – dem Kunststoff, der auch für Legosteine verwendet wird. Heutzutage bestehen die Puppenarme aus flexiblerem Ethylen-Vinylacetat und für die biegsamen Gelenke wird haltbares Polypropylen verwendet. Aber ihre langen Beine und ihr Kopf sind immer noch aus PVC, wenn auch mit weniger giftigen Weichmachern.

Shashoua nutzt ihr Wissen über den Zerfall von Polymeren, um die Haltbarkeit von Kunststoffen in der Umwelt zu untersuchen. Wenn man googelt »Wie lange halten Kunststoffe?«, erhält man eine Reihe von Zahlen. »Bei PVC findet man zum Beispiel Angaben von einem Jahr bis zu Tausenden von Jahren«, sagt sie. Auf Grund ihrer Erfahrung mit der Untersuchung von sich zersetzenden Kunststoffen in Museumssammlungen ist sie skeptisch gegenüber diesen Schätzungen. In den letzten vier Jahren hat sie einige standardisierte Alterungsexperimente in Echtzeit mit Einwegplastikbechern und -besteck durchgeführt. Dazu hat sie Proben in Unterwassersedimenten und an der Oberfläche ausgesetzt und analysiert, was sich von den Kunststoffen ablöst und wie sich ihre chemische Struktur verändert.

Wie Shashouas Erfahrung zeigt, bauen sich die Proben an der Oberfläche, die dem UV-Licht der Sonne ausgesetzt sind, viel schneller ab als die in anderen Umgebungen. Aber generell war sie überrascht darüber, wie schnell dies geschieht. »Ich würde sagen, dass wir die Schätzungen, wie lange es dauert, bis sich Plastikbecher zersetzen, halbieren könnten. Es geht um einzelne Jahre und nicht um Dutzende oder Hunderte von Jahren«, schließt sie. Die Zukunft der historischen Barbies aus den 1950er und 1960er Jahren wird also davon abhängen, wie erfolgreich die Restauratoren das Unvermeidliche aufhalten können.

Und während sie das tun, stellt sich eine letzte Frage: Hat eigentlich jemand Ken im Blick?

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