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Physik: Kurzfilm mit der Molekül-Kamera

Für Aufnahmen aus der Welt der Atome taugen weder Fotoapparat noch Lichtmikroskop - schon eher intensive, ultrakurze Laserpulse. Mit ihnen entstand nun ein echter Kurzfilm: eine Billionstelsekunde aus dem bewegten Leben des Wasserstoffs.
Kurzfilm mit der Molekül-Kamera
Wer beim Fotografieren von Molekülen auf Altbewährtes wie das Lichtmikroskop setzt, hat ziemlich schlechte Karten: Im Vergleich zum Durchmesser der Atome ist die Wellenlänge des sichtbaren Lichts viel zu groß, um Details sichtbar zu machen. Als "Kamera" für Beobachtungen im Reich der Quantenteilchen dient Forschern deshalb schon länger die hoch auflösende und sehr schnelle Pump-Probe-Technik – ein Aufnahmeverfahren, bei dem Moleküle erst mit einem "Pump"-Laserpuls angeregt und dann mit einem Testlaser (engl. probe) vermessen werden. Für den Wasserstoff, der im Mittelpunkt der Studie eines Teams um Thorsten Ergler vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg stand, war aber selbst die bisher erreichte Pulsdauer noch zu lang für exakte Messungen. Um dennoch schnelle Abläufe möglichst scharf erfassen zu können, musste, genau wie beim Fotografieren auch, die "Belichtungszeit" der Apparatur wesentlich verkürzt werden.

Schnappschuss eines Wasserstoff-Moleküls | Einer der vielen Schnappschüsse, die die Physiker vom schweren Wasserstoff-Molekül aufgenommen haben: Jeder Punkt im Bild entspricht einem bestimmten Winkel zwischen Laserpolarisation und Molekülachse sowie einem bestimmten Abstand der Deuterium-Kerne. Rot markierte Konstellationen kommen häufiger vor.
Die Forscher entwickelten daher eine Pump-Probe-Apparatur mit einer mittleren Laserpulsdauer von nur sechs bis sieben Femtosekunden, mit der erstmals die Molekülbewegungen kontinuierlich vermessen werden konnten. Zum Vergleich: Licht, das in einer Sekunde die Erde etwa achtmal umrunden kann, kommt in sieben Femtosekunden nur etwa zwei Tausendstel Millimeter weit. Eine der größten technischen Herausforderungen war daher, den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Laserpulsen mit einer Genauigkeit von 0,3 Femtosekunden stabil zu halten.

Ins Visier nahmen die Forscher Moleküle aus je zwei Atomen des Deuteriums, einem schweren Wasserstoff-Isotop. Mit dem ersten Pump-Laserpuls ionisierten sie das Deuterium, indem sie ihm ein Elektron entrissen, um dann zu "filmen", wie die nun energetisch angeregten Atomkerne auseinander driften und sich in einer neuen Ruhelage anordnen.

Bewegungen des Wasserstoff-Moleküls | Die zeitliche Entwicklung des Wellenpakets: Aufgetragen ist der Abstand der Deuterium-Kerne (R) gegen die Zeit. Nach etwa 100 Femtosekunden beginnt das Wellenpaket – also der Aufenthaltsort der Kerne – zu verschmieren, nach 400 Femtosekunden kommt es zum "Revival", und das Wellenpaket findet sich wieder zusammen.
Vergleichbar mit einem Pulk unterschiedlich schneller Läufer, den es nach einer Weile des Wettrennens in die Länge zieht, starten die schwingenden Deuterium-Kerne als kompaktes Wellenpaket und laufen nach einer gewissen Zeit auseinander. Diesem "Kollaps" folgt nach etwa 400 Femtosekunden das "Revival", bei dem sich die Wellenpakete wieder sammeln. Im Bild des Langstreckenlaufs bedeutet dies, dass sich die Läufer nach und nach wieder zu einem dicht gedrängten Pulk zusammenfinden.

Um den Abstand der Kerne zueinander ermitteln zu können, schossen die Forscher nun erneut mit dem Laser auf das Deuterium. Mit diesem Test-Laserpuls entrissen sie dem Molekül auch das zweite Elektron, so dass nur mehr zwei positiv geladene Atomkerne zurückblieben. Getrieben von deren Abstoßung "explodierten" die Überreste des Moleküls, und zwar umso heftiger, je näher sich die beiden Kerne waren. Ein "Reaktionsmikroskop" half den Forschern dabei, diese Explosion in einem Schnappschuss festzuhalten, indem sie die Energie der beiden Deuterium-Kerne maßen und daraus den Abstand und die räumliche Lage der beiden Kerne ermittelten. Aus vielen solcher Schnappschüsse, sortiert nach steigendem zeitlichem Abstand zwischen Pump- und Testpuls, ergab sich schließlich der "Film", der einen Einblick in die Dynamik des Moleküls erlaubte.

Mit ihrer verbesserten Molekülkamera konnte das Forscherteam erstmals die Dynamik eines der schnellsten molekularen Systeme auf einer bis dahin unerreicht kurzen Zeitskala vollständig abbilden. In Zukunft soll durch eine gezielte Veränderung des Pump-Laserpulses das Wellenpaket so geformt werden, dass bestimmte quantenmechanische Prozesse bevorzugt stattfinden. So wollen die Wissenschaftler chemische Reaktionen größerer Moleküle, wie zum Beispiel des Methan-Moleküls, manipulieren und steuern.

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