Sonnensystem: Landeplatz für Philae gesucht
Als erste Raumsonde überhaupt soll die ESA-Kometensonde Rosetta auf eine Umlaufbahn um einen Kometen einschwenken. Rosetta wird den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko von August 2014 an dreizehn Monate lang auf dem Weg zum sonnennächsten Punkt seiner Bahn begleiten und dabei beobachten, wie sich seine Aktivität mit abnehmender Distanz zur Sonne aufbaut. Für November 2014 planen die Missionsspezialisten das Absetzen der Landesonde Philae auf der Kometenoberfläche. Philaes Aufgabe ist die Untersuchung des Kometenmaterials. Die Wissenschaftler erhoffen sich dabei Einblicke in die Frühphase des Sonnensystems.
Auf dem "European Planetary Science Congress" (EPSC), der vom 19. bis zum 24. September 2010 in Rom stattfindet, soll unter anderem ein geeigneter Landeplatz für Philae auf 67P/Tschurjumow-Gerasimenko diskutiert werden. Zur Zeit kristallisiert sich ein geeigneter Landeplatz auf der Südhemisphäre des Kometen heraus.
Jeremie Lasue vom Lunar and Planetary Institute ist mit dem Experiment CONSERT zur Radarerkundung von Tschurjumow-Gerasimenko befasst. Er nennt Argumente für einen Landeplatz Phileas auf der Südseite: "67P/Tschurjumow-Gerasimenko ist eine Zeitkapsel, die Material aus der Geburtsphase des Sonnensystems konserviert hält. Die südliche Hemisphäre des Kerns ist nach mehreren Sonnenumläufen weiter erodiert als die nördliche, weshalb der Lander Philae dort direkt Zugang zu unberührtem Material finden kann." Philae kann Proben aus bis zu 30 Zentimeter Tiefe entnehmen.
Daneben nennt Lasue zwei weitere Gründe, die für eine Landung auf der Südseite des Kometenkerns sprechen: "Zur Zeit des Rendezvous mit Rosetta wird Gas insbesondere von der Nordhemisphäre des Kometen entweichen, weshalb eine Landung im Süden sicherer ist. Zudem wird die Südseite in Sonnennähe weniger starken Temperaturunterschieden ausgesetzt sein."
Jeremie Lasue und Kollegen des Instituto di Astrofisica Spaziale e fisica Cosmica (INAF-IASF and IFSI) in Rom haben dreidimensionale Computermodelle entwickelt, um die Entwicklung der Aktivität des Kerns von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko während der Erkundungsphase durch Rosetta zu taxieren. Lasue schätzt die Emissionsraten von Staub, Eis und gefrorenen Gasen der Nordhemisphäre zum Zeitpunkt der Landung Philaes auf rund 30 Kilogramm Gas und 50 Kilogramm Staub pro Sekunde. Ein weiterer Grund, der für eine Landung auf der Südseite des Kometen spricht, ist die effektivere Ausrichtung der Solarzellen Philaes zur Sonne.
Um die Bahn des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko erreichen zu können, musste die am 2. März 2004 mit einer Ariane 5 vom europäischen Weltraumhafen Kourou gestartete Rosetta insgesamt viermal über planetare Swingby-Manöver – in der Abfolge Erde–Mars–Erde–Erde – Schwung holen. Auf ihrem Weg zum Kometen nahm die Sonde im September 2008 den Asteroiden 2867/Šteins beim nahen Vorbeiflug unter die Lupe. Es handelte sich um die erste Begegnung einer europäischen Raumsonde mit einem Asteroiden. Im Juli 2010 passierte Rosetta in nur 3162 Kilometern Entfernung den Asteroiden 21/Lutetia, und lieferte auch von dieser Begegnung einzigartige Bilder und Daten zum Aufbau des mit gut 100 Kilometern Durchmesser bislang größten von einer Raumsonde besuchten Asteroiden. Noch viele heikle Phasen der Mission, die bis Ende 2015 angesetzt ist, stehen bevor. Vor allem ist zu hoffen, dass die zehn Instrumente an Bord des Landers Philae, die der detaillierten Untersuchung des Kometenmaterials dienen und uns damit Einblicke in die Frühzeit des Sonnensystems gewähren, gut funktionieren werden.
Stefan Oldenburg
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